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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Akademische Rriegsliteratnr

den Korporationsgeist und das Korporationswesen. "Wir waren nicht ein
bloßer Klub, heißt es dort, der einige gemeinsame Abende auf seinem Programm
hatte, sondern ein festes Organon." Mit warmen Worten tritt auch der Freiburger
Prorektor Professor von Below im "Weihnachtsgniß 1915" für die Forterhaltung
altüberlieferten Studententums ein, das während des Weltkrieges in dem Tübinger
Professor Adickes und dem Leipziger Professor Götz ungemein scharfe Kritiker
gefunden hatte. "Die alten Symbole studentischer Landsmannschafts- und
Ordensverbände, sagt von Below, wie sie sich in den Farben der Bunter,
in Wappen und Zirkeln, den Inhalt wechselnd, bis auf unsere Tage erhalten
haben, die Erinnerungen an die Stellung des Hochschülers als Ritter und
Edelmann, wie sie sich in der Führung der Schärpe und des Schwertes äußern,
die Spuren der historischen Kämpfe um die akademische Freiheit, das köstlichste
Gut unserer Studentenschaft, welches sie in der damit verbundenen Selbst-
verantwortlickikeit über alle ausländischen Studentenschaften erhebt und verpflichtet,
wie sie sich in Liedern, Sitten und Gebräuchen in die Kreije unserer Korpo¬
rationen und sonstigen studentischen Verbände gerettet haben, sie alle wollen wir
aufs treuste pflegen und nach dem Kriege erst recht wieder zum lebendigen
Ausdruck bringen. Unser Volk ist nicht so reich an historischen Symbolen, daß
es sich mutwillig auch nur des kleinsten entäußern darf. Die alles verneinenden
Kritiker des studentischen Farbentragens, der studentischen Sitten, des deutschen
Korporations- und Verbindungslebsns sind über den erzieherischen Wert all
dieser Dinge viel zu wenig unterrichtet. Gute Ratschläge ernst nachdenkender,
die akademische Jugend liebender Männer seien auch von ihr stets gehört und
beachtet. Aber der Spötter erwehre sie sich."

Das studentische Gemeinschaftsgefühl ist durch das gemeinsame Leben,
Leiden, Kämpfen und Streben im Felde stärker geworden als früher; man hat
auch die Vertreter anderer Richtungen, die man sonst verachtete und verfehmte,
achten und schätzen gelernt, und empfindet, wie das akademische Leben unsichtbar
sonst feindliche Brüder umschlingt. "Ich kenne Euch nicht, Ihr kennt mich nicht,
schreibt ein Student aus dem Feldes, und doch fühle ich stärker denn je das
Band, das alles umschlingt, was in wahrer Erkenntnis der schönen Aufgaben,
der großen Berufung unser aller, die wir uns die akademische Jugend nennen,
wie vordem im Frieden so jetzt im Kriege restlos seine Arbeit und seine Kraft
dem Vaterland und der Nation schenkt." Und ein anderer schreibt: "Möge die
Scheidung zwischen Korporations- und Freistudenten sowie jegliche konfessionelle
Spaltung in Zukunft unterbleiben." Und zukunftsverheißend ist vielleicht die
mehrfach erhobene Forderung einer stärkeren Vereinheitlichung des studentischen
Lebens und eines Ausgleichs der oft recht künstlichen Gegensätze, die auf reli¬
giösen und sozialen Unterschieden beruhen. Einen schönen Ausdruck hat diesem
Wunsche der Jenaer Professor Thümmel gegeben, der auf die Schaffung einer



*) Der deutsche Student im Felde. S. 17.
Akademische Rriegsliteratnr

den Korporationsgeist und das Korporationswesen. „Wir waren nicht ein
bloßer Klub, heißt es dort, der einige gemeinsame Abende auf seinem Programm
hatte, sondern ein festes Organon." Mit warmen Worten tritt auch der Freiburger
Prorektor Professor von Below im „Weihnachtsgniß 1915" für die Forterhaltung
altüberlieferten Studententums ein, das während des Weltkrieges in dem Tübinger
Professor Adickes und dem Leipziger Professor Götz ungemein scharfe Kritiker
gefunden hatte. „Die alten Symbole studentischer Landsmannschafts- und
Ordensverbände, sagt von Below, wie sie sich in den Farben der Bunter,
in Wappen und Zirkeln, den Inhalt wechselnd, bis auf unsere Tage erhalten
haben, die Erinnerungen an die Stellung des Hochschülers als Ritter und
Edelmann, wie sie sich in der Führung der Schärpe und des Schwertes äußern,
die Spuren der historischen Kämpfe um die akademische Freiheit, das köstlichste
Gut unserer Studentenschaft, welches sie in der damit verbundenen Selbst-
verantwortlickikeit über alle ausländischen Studentenschaften erhebt und verpflichtet,
wie sie sich in Liedern, Sitten und Gebräuchen in die Kreije unserer Korpo¬
rationen und sonstigen studentischen Verbände gerettet haben, sie alle wollen wir
aufs treuste pflegen und nach dem Kriege erst recht wieder zum lebendigen
Ausdruck bringen. Unser Volk ist nicht so reich an historischen Symbolen, daß
es sich mutwillig auch nur des kleinsten entäußern darf. Die alles verneinenden
Kritiker des studentischen Farbentragens, der studentischen Sitten, des deutschen
Korporations- und Verbindungslebsns sind über den erzieherischen Wert all
dieser Dinge viel zu wenig unterrichtet. Gute Ratschläge ernst nachdenkender,
die akademische Jugend liebender Männer seien auch von ihr stets gehört und
beachtet. Aber der Spötter erwehre sie sich."

Das studentische Gemeinschaftsgefühl ist durch das gemeinsame Leben,
Leiden, Kämpfen und Streben im Felde stärker geworden als früher; man hat
auch die Vertreter anderer Richtungen, die man sonst verachtete und verfehmte,
achten und schätzen gelernt, und empfindet, wie das akademische Leben unsichtbar
sonst feindliche Brüder umschlingt. „Ich kenne Euch nicht, Ihr kennt mich nicht,
schreibt ein Student aus dem Feldes, und doch fühle ich stärker denn je das
Band, das alles umschlingt, was in wahrer Erkenntnis der schönen Aufgaben,
der großen Berufung unser aller, die wir uns die akademische Jugend nennen,
wie vordem im Frieden so jetzt im Kriege restlos seine Arbeit und seine Kraft
dem Vaterland und der Nation schenkt." Und ein anderer schreibt: „Möge die
Scheidung zwischen Korporations- und Freistudenten sowie jegliche konfessionelle
Spaltung in Zukunft unterbleiben." Und zukunftsverheißend ist vielleicht die
mehrfach erhobene Forderung einer stärkeren Vereinheitlichung des studentischen
Lebens und eines Ausgleichs der oft recht künstlichen Gegensätze, die auf reli¬
giösen und sozialen Unterschieden beruhen. Einen schönen Ausdruck hat diesem
Wunsche der Jenaer Professor Thümmel gegeben, der auf die Schaffung einer



*) Der deutsche Student im Felde. S. 17.
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[0038] Akademische Rriegsliteratnr den Korporationsgeist und das Korporationswesen. „Wir waren nicht ein bloßer Klub, heißt es dort, der einige gemeinsame Abende auf seinem Programm hatte, sondern ein festes Organon." Mit warmen Worten tritt auch der Freiburger Prorektor Professor von Below im „Weihnachtsgniß 1915" für die Forterhaltung altüberlieferten Studententums ein, das während des Weltkrieges in dem Tübinger Professor Adickes und dem Leipziger Professor Götz ungemein scharfe Kritiker gefunden hatte. „Die alten Symbole studentischer Landsmannschafts- und Ordensverbände, sagt von Below, wie sie sich in den Farben der Bunter, in Wappen und Zirkeln, den Inhalt wechselnd, bis auf unsere Tage erhalten haben, die Erinnerungen an die Stellung des Hochschülers als Ritter und Edelmann, wie sie sich in der Führung der Schärpe und des Schwertes äußern, die Spuren der historischen Kämpfe um die akademische Freiheit, das köstlichste Gut unserer Studentenschaft, welches sie in der damit verbundenen Selbst- verantwortlickikeit über alle ausländischen Studentenschaften erhebt und verpflichtet, wie sie sich in Liedern, Sitten und Gebräuchen in die Kreije unserer Korpo¬ rationen und sonstigen studentischen Verbände gerettet haben, sie alle wollen wir aufs treuste pflegen und nach dem Kriege erst recht wieder zum lebendigen Ausdruck bringen. Unser Volk ist nicht so reich an historischen Symbolen, daß es sich mutwillig auch nur des kleinsten entäußern darf. Die alles verneinenden Kritiker des studentischen Farbentragens, der studentischen Sitten, des deutschen Korporations- und Verbindungslebsns sind über den erzieherischen Wert all dieser Dinge viel zu wenig unterrichtet. Gute Ratschläge ernst nachdenkender, die akademische Jugend liebender Männer seien auch von ihr stets gehört und beachtet. Aber der Spötter erwehre sie sich." Das studentische Gemeinschaftsgefühl ist durch das gemeinsame Leben, Leiden, Kämpfen und Streben im Felde stärker geworden als früher; man hat auch die Vertreter anderer Richtungen, die man sonst verachtete und verfehmte, achten und schätzen gelernt, und empfindet, wie das akademische Leben unsichtbar sonst feindliche Brüder umschlingt. „Ich kenne Euch nicht, Ihr kennt mich nicht, schreibt ein Student aus dem Feldes, und doch fühle ich stärker denn je das Band, das alles umschlingt, was in wahrer Erkenntnis der schönen Aufgaben, der großen Berufung unser aller, die wir uns die akademische Jugend nennen, wie vordem im Frieden so jetzt im Kriege restlos seine Arbeit und seine Kraft dem Vaterland und der Nation schenkt." Und ein anderer schreibt: „Möge die Scheidung zwischen Korporations- und Freistudenten sowie jegliche konfessionelle Spaltung in Zukunft unterbleiben." Und zukunftsverheißend ist vielleicht die mehrfach erhobene Forderung einer stärkeren Vereinheitlichung des studentischen Lebens und eines Ausgleichs der oft recht künstlichen Gegensätze, die auf reli¬ giösen und sozialen Unterschieden beruhen. Einen schönen Ausdruck hat diesem Wunsche der Jenaer Professor Thümmel gegeben, der auf die Schaffung einer *) Der deutsche Student im Felde. S. 17.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/38>, abgerufen am 14.05.2024.