Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das neue Flandern

spielen, den man in den Hunden hüte. Und der flämische Katholizismus kann
trotz Kardinal Mercier bündnisfähig werden, wenn man zu aufrichtigem Bündnis
entschlossen ist. Ich will nicht wiederholen, was ich schon im Dezember den
"Grenzboten"°Lesern gesagt habe. Es kommt alles darauf an, daß die protestantische
Öffentlichkeit begreift, daß unsere zukünftige europäische Politik in der Möglich¬
keit, durch unsere katholischen Volksgenossen auf außerdeutsche Katholiken einzu¬
wirken, einen starken Aktivposten zur Verfügung hat. Dieser Posten muß ganz
anders ausgenutzt werden, als vor dem Kriege. Es wäre eine unerhörte Be¬
leidigung, wenn jemand etwa jetzt noch der nationalen Zuverlässigkeit unserer
Katholiken mißtrauen wollte. Kein Protestant wird nach den Erfahrungen
dieses Krieges an solches Mißtrauen auch nur entfernt noch denken wollen.
Es wird also zweifellos zweckmäßig sein, die künftige Zivilverwaltung des
Schutzgebiets Flandern, soweit sie noch nicht Einheimischen anvertraut werden
kann, in die Hände von Beamten zu legen, die vor allem die Kirche zu ge¬
winnen verstehen. Man sollte meinen, daß insbesondere aus unserem den
Flamen so eng sprach- und glaubensverwandten niederrheinischen Volkstum
die geeigneten Kräfte zur Verfügung stehen würden. Hier mögen die deutschen
Volksvertreter beizeiten dafür sorgen, daß das Richtige geschieht! Wenn
Flandern nicht in den Reichsverband eintritt, sondern als Schutzgebiet im
Innern selbständig nach seiner Eigenart leben darf, so hindert uns nichts
daran, auch kein deutsches Staatsrecht, die flandrische Kirchenfreiheit einschlie߬
lich der katholichen Universität in Löwen unangetastet zu lassen und mit der
Kirche ohne weiteres auch den größten Teil des flämischen Volkes mit der
Neuordnung der Dinge auszusöhnen.

Unser deutscher Protestantismus setzt eine Ehre darein, eine nichtpolitische
Konfession zu sein. Ob wir damit recht haben oder nicht, ist unsere interne
Angelegenheit. Jedenfalls muß aber auch der Protestant begreifen, daß andere
Konfessionen eben politische Größen sind und als solche berücksichtigt sein wollen.
Wie sollte es Deutschland sonst unternehmen, etwa im balkanischen oder türkischen
Orient Politik zu treiben, wo die Konfessionen oft festere politische Größen
find als die Nationen I Wer nicht einsehen will, daß der konfessionelle Ge¬
danke in der Politik sein Recht fordert, so gut wie der nationale, der wird
unserem Vaterlande, dessen Schicksal die konfessionelle Spaltung ist, wenig Er¬
sprießliches raten können. Ich appelllere an die patriotische Einsicht der deutschen
Protestanten!

Und ich appelliere an die patriotische Einsicht der deutschen Katholiken!
Wird der Krieg von uns siegreich bestanden, und gehen unsere Hoffnungen in
Flandern und anderwärts in Erfüllung, dann ist der Augenblick gekommen,
wo die deutschen Katholiken, wie auf dem Schlachtfelde, auch im Dienste der
friedlichen Politik des Reiches ihre nationale Leistungsfähigkeit zu bewähren
haben werden. Insbesondere müssen wir von der deutschen Zentrumspartei,
durch die der politische Katholizismus sich ja bei uns am liebsten vertreten


Das neue Flandern

spielen, den man in den Hunden hüte. Und der flämische Katholizismus kann
trotz Kardinal Mercier bündnisfähig werden, wenn man zu aufrichtigem Bündnis
entschlossen ist. Ich will nicht wiederholen, was ich schon im Dezember den
„Grenzboten"°Lesern gesagt habe. Es kommt alles darauf an, daß die protestantische
Öffentlichkeit begreift, daß unsere zukünftige europäische Politik in der Möglich¬
keit, durch unsere katholischen Volksgenossen auf außerdeutsche Katholiken einzu¬
wirken, einen starken Aktivposten zur Verfügung hat. Dieser Posten muß ganz
anders ausgenutzt werden, als vor dem Kriege. Es wäre eine unerhörte Be¬
leidigung, wenn jemand etwa jetzt noch der nationalen Zuverlässigkeit unserer
Katholiken mißtrauen wollte. Kein Protestant wird nach den Erfahrungen
dieses Krieges an solches Mißtrauen auch nur entfernt noch denken wollen.
Es wird also zweifellos zweckmäßig sein, die künftige Zivilverwaltung des
Schutzgebiets Flandern, soweit sie noch nicht Einheimischen anvertraut werden
kann, in die Hände von Beamten zu legen, die vor allem die Kirche zu ge¬
winnen verstehen. Man sollte meinen, daß insbesondere aus unserem den
Flamen so eng sprach- und glaubensverwandten niederrheinischen Volkstum
die geeigneten Kräfte zur Verfügung stehen würden. Hier mögen die deutschen
Volksvertreter beizeiten dafür sorgen, daß das Richtige geschieht! Wenn
Flandern nicht in den Reichsverband eintritt, sondern als Schutzgebiet im
Innern selbständig nach seiner Eigenart leben darf, so hindert uns nichts
daran, auch kein deutsches Staatsrecht, die flandrische Kirchenfreiheit einschlie߬
lich der katholichen Universität in Löwen unangetastet zu lassen und mit der
Kirche ohne weiteres auch den größten Teil des flämischen Volkes mit der
Neuordnung der Dinge auszusöhnen.

Unser deutscher Protestantismus setzt eine Ehre darein, eine nichtpolitische
Konfession zu sein. Ob wir damit recht haben oder nicht, ist unsere interne
Angelegenheit. Jedenfalls muß aber auch der Protestant begreifen, daß andere
Konfessionen eben politische Größen sind und als solche berücksichtigt sein wollen.
Wie sollte es Deutschland sonst unternehmen, etwa im balkanischen oder türkischen
Orient Politik zu treiben, wo die Konfessionen oft festere politische Größen
find als die Nationen I Wer nicht einsehen will, daß der konfessionelle Ge¬
danke in der Politik sein Recht fordert, so gut wie der nationale, der wird
unserem Vaterlande, dessen Schicksal die konfessionelle Spaltung ist, wenig Er¬
sprießliches raten können. Ich appelllere an die patriotische Einsicht der deutschen
Protestanten!

Und ich appelliere an die patriotische Einsicht der deutschen Katholiken!
Wird der Krieg von uns siegreich bestanden, und gehen unsere Hoffnungen in
Flandern und anderwärts in Erfüllung, dann ist der Augenblick gekommen,
wo die deutschen Katholiken, wie auf dem Schlachtfelde, auch im Dienste der
friedlichen Politik des Reiches ihre nationale Leistungsfähigkeit zu bewähren
haben werden. Insbesondere müssen wir von der deutschen Zentrumspartei,
durch die der politische Katholizismus sich ja bei uns am liebsten vertreten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0051" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331893"/>
          <fw type="header" place="top"> Das neue Flandern</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_120" prev="#ID_119"> spielen, den man in den Hunden hüte. Und der flämische Katholizismus kann<lb/>
trotz Kardinal Mercier bündnisfähig werden, wenn man zu aufrichtigem Bündnis<lb/>
entschlossen ist. Ich will nicht wiederholen, was ich schon im Dezember den<lb/>
&#x201E;Grenzboten"°Lesern gesagt habe. Es kommt alles darauf an, daß die protestantische<lb/>
Öffentlichkeit begreift, daß unsere zukünftige europäische Politik in der Möglich¬<lb/>
keit, durch unsere katholischen Volksgenossen auf außerdeutsche Katholiken einzu¬<lb/>
wirken, einen starken Aktivposten zur Verfügung hat. Dieser Posten muß ganz<lb/>
anders ausgenutzt werden, als vor dem Kriege. Es wäre eine unerhörte Be¬<lb/>
leidigung, wenn jemand etwa jetzt noch der nationalen Zuverlässigkeit unserer<lb/>
Katholiken mißtrauen wollte. Kein Protestant wird nach den Erfahrungen<lb/>
dieses Krieges an solches Mißtrauen auch nur entfernt noch denken wollen.<lb/>
Es wird also zweifellos zweckmäßig sein, die künftige Zivilverwaltung des<lb/>
Schutzgebiets Flandern, soweit sie noch nicht Einheimischen anvertraut werden<lb/>
kann, in die Hände von Beamten zu legen, die vor allem die Kirche zu ge¬<lb/>
winnen verstehen. Man sollte meinen, daß insbesondere aus unserem den<lb/>
Flamen so eng sprach- und glaubensverwandten niederrheinischen Volkstum<lb/>
die geeigneten Kräfte zur Verfügung stehen würden. Hier mögen die deutschen<lb/>
Volksvertreter beizeiten dafür sorgen, daß das Richtige geschieht! Wenn<lb/>
Flandern nicht in den Reichsverband eintritt, sondern als Schutzgebiet im<lb/>
Innern selbständig nach seiner Eigenart leben darf, so hindert uns nichts<lb/>
daran, auch kein deutsches Staatsrecht, die flandrische Kirchenfreiheit einschlie߬<lb/>
lich der katholichen Universität in Löwen unangetastet zu lassen und mit der<lb/>
Kirche ohne weiteres auch den größten Teil des flämischen Volkes mit der<lb/>
Neuordnung der Dinge auszusöhnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_121"> Unser deutscher Protestantismus setzt eine Ehre darein, eine nichtpolitische<lb/>
Konfession zu sein. Ob wir damit recht haben oder nicht, ist unsere interne<lb/>
Angelegenheit. Jedenfalls muß aber auch der Protestant begreifen, daß andere<lb/>
Konfessionen eben politische Größen sind und als solche berücksichtigt sein wollen.<lb/>
Wie sollte es Deutschland sonst unternehmen, etwa im balkanischen oder türkischen<lb/>
Orient Politik zu treiben, wo die Konfessionen oft festere politische Größen<lb/>
find als die Nationen I Wer nicht einsehen will, daß der konfessionelle Ge¬<lb/>
danke in der Politik sein Recht fordert, so gut wie der nationale, der wird<lb/>
unserem Vaterlande, dessen Schicksal die konfessionelle Spaltung ist, wenig Er¬<lb/>
sprießliches raten können. Ich appelllere an die patriotische Einsicht der deutschen<lb/>
Protestanten!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_122" next="#ID_123"> Und ich appelliere an die patriotische Einsicht der deutschen Katholiken!<lb/>
Wird der Krieg von uns siegreich bestanden, und gehen unsere Hoffnungen in<lb/>
Flandern und anderwärts in Erfüllung, dann ist der Augenblick gekommen,<lb/>
wo die deutschen Katholiken, wie auf dem Schlachtfelde, auch im Dienste der<lb/>
friedlichen Politik des Reiches ihre nationale Leistungsfähigkeit zu bewähren<lb/>
haben werden. Insbesondere müssen wir von der deutschen Zentrumspartei,<lb/>
durch die der politische Katholizismus sich ja bei uns am liebsten vertreten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0051] Das neue Flandern spielen, den man in den Hunden hüte. Und der flämische Katholizismus kann trotz Kardinal Mercier bündnisfähig werden, wenn man zu aufrichtigem Bündnis entschlossen ist. Ich will nicht wiederholen, was ich schon im Dezember den „Grenzboten"°Lesern gesagt habe. Es kommt alles darauf an, daß die protestantische Öffentlichkeit begreift, daß unsere zukünftige europäische Politik in der Möglich¬ keit, durch unsere katholischen Volksgenossen auf außerdeutsche Katholiken einzu¬ wirken, einen starken Aktivposten zur Verfügung hat. Dieser Posten muß ganz anders ausgenutzt werden, als vor dem Kriege. Es wäre eine unerhörte Be¬ leidigung, wenn jemand etwa jetzt noch der nationalen Zuverlässigkeit unserer Katholiken mißtrauen wollte. Kein Protestant wird nach den Erfahrungen dieses Krieges an solches Mißtrauen auch nur entfernt noch denken wollen. Es wird also zweifellos zweckmäßig sein, die künftige Zivilverwaltung des Schutzgebiets Flandern, soweit sie noch nicht Einheimischen anvertraut werden kann, in die Hände von Beamten zu legen, die vor allem die Kirche zu ge¬ winnen verstehen. Man sollte meinen, daß insbesondere aus unserem den Flamen so eng sprach- und glaubensverwandten niederrheinischen Volkstum die geeigneten Kräfte zur Verfügung stehen würden. Hier mögen die deutschen Volksvertreter beizeiten dafür sorgen, daß das Richtige geschieht! Wenn Flandern nicht in den Reichsverband eintritt, sondern als Schutzgebiet im Innern selbständig nach seiner Eigenart leben darf, so hindert uns nichts daran, auch kein deutsches Staatsrecht, die flandrische Kirchenfreiheit einschlie߬ lich der katholichen Universität in Löwen unangetastet zu lassen und mit der Kirche ohne weiteres auch den größten Teil des flämischen Volkes mit der Neuordnung der Dinge auszusöhnen. Unser deutscher Protestantismus setzt eine Ehre darein, eine nichtpolitische Konfession zu sein. Ob wir damit recht haben oder nicht, ist unsere interne Angelegenheit. Jedenfalls muß aber auch der Protestant begreifen, daß andere Konfessionen eben politische Größen sind und als solche berücksichtigt sein wollen. Wie sollte es Deutschland sonst unternehmen, etwa im balkanischen oder türkischen Orient Politik zu treiben, wo die Konfessionen oft festere politische Größen find als die Nationen I Wer nicht einsehen will, daß der konfessionelle Ge¬ danke in der Politik sein Recht fordert, so gut wie der nationale, der wird unserem Vaterlande, dessen Schicksal die konfessionelle Spaltung ist, wenig Er¬ sprießliches raten können. Ich appelllere an die patriotische Einsicht der deutschen Protestanten! Und ich appelliere an die patriotische Einsicht der deutschen Katholiken! Wird der Krieg von uns siegreich bestanden, und gehen unsere Hoffnungen in Flandern und anderwärts in Erfüllung, dann ist der Augenblick gekommen, wo die deutschen Katholiken, wie auf dem Schlachtfelde, auch im Dienste der friedlichen Politik des Reiches ihre nationale Leistungsfähigkeit zu bewähren haben werden. Insbesondere müssen wir von der deutschen Zentrumspartei, durch die der politische Katholizismus sich ja bei uns am liebsten vertreten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/51
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/51>, abgerufen am 19.05.2024.