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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Großbritanniens Gstseepolitik

den Rigaschen Meerbusen zu begründen im Hinblick auf das wahrscheinliche
Verbleiben des ganzen gegenüberliegenden kurländischen Festlandstriches unter
der deutschen Herrschaft. Daß die Vorsorge der Engländer nur dem Wunsche
nach einer maritimen Stärkung des künftigen Rußlands entspringt und nicht
ein Glied in ihren Absichten zur Beherrschung der Ostsee darstellt, können nur
naive Gemüter annehmen. Alle Anzeichen deuten darauf hin. daß ein Gibraltar
in neuer Auflage in der Ostsee im Entstehen begriffen ist. Halten wir also
unsere Augen offen I

Wem es gelingt, die Insel Ösel und die kleinen Nachbarinseln "Dagö".
',Rums". "Worms" und "Mohn" sich anzueignen, wird die Ostsee nach allen
Seiten zu beherrschen imstande sein. Er wird die baltischen Häfen unter Ver¬
schluß halten und die nach Westen geöffneten russischen Fenster verrammeln
können, wird die Zugänge zum Finnischen und Bodenlöcher Meerbusen zu über¬
wachen, den schwedischen Handelsverkehr im Schach zu halten und auf Deutsch¬
land einen unerträglichen Druck auszuüben in der Lage sein. Es ist begreiflich,
daß die Besetzung und spätere Erwerbung der Insel Osel unter solchen Um¬
ständen eine der höchsten Nummern im britischen Weltimperialismus bildet.
Der strategische Wert dieses reizvollen Eilandes von 2664 Quadratkilometern
mit seinen zahlreichen Buchten, seiner seekundigen Urbevölkerung, den holzreichen
Wäldern und vorzüglichen Landstraßen kann gar nicht hoch genug veranschlagt
werden. Folgende Schilderung aus ortskundiger Feder mag das bestätigen!
"Die vielen Einschnitte längs der Jnselküste können bequeme Zufluchtsstätten
und sichere Ankerplätze für größere und kleinere Schiffe darbieten und ebenso
dem Handel dienstbar gemacht werden. Mit geringer Mühe könnte aus der
Insel ein wichtiges Bollwerk zur Sicherung der Herrschaft über den Rigaschen
Meerbusen geschaffen werden. Besonders im Norden. Nordwesten und Westen
liegen natürliche Häfen, die sich leicht zu Stützpunkten für Kriegsschiff- Her¬
richten lassen. Da ist zunächst der Hafen von Muskel. der, vordrer
Seiten von Land umgeben, von der Nordseite zudem durch eme ^nsel
begrenzt ist und allen Schiffen Schutz gegen die anstürmende Brandung
gewährt. Sodann die benachbarte, weiter nach Westen belegene Bucht
von Piddul. die. tiefer und umfangreicher. Raum für förmliche Geschwader
bietet, und die schon unter der Kaiserin Katharina II. in einen
Kriegshafen verwandelt werden sollte. Das Unternehmen scheiterte aber,
weil die Kosten für die Anlegung eines starken Schutzdammes gegen die
Stürme aus Norden und Nordwesten zu hoch befunden wurden. Noch zahl¬
reiche andere als Häfen geeignete Plätze finden sich auf Osel an allen Küsten,
namentlich in, Westen im Kirchspiel Kielkond mit seinen malerischen Buchten."
Den englischen Marinetechnikern sind die Vorzüge der Insel längst bekannt;
'hre Nutzbarmachung ist durch den Krieg ermöglicht worden. Auf dem süd¬
lichen Ausläufer ein heimlichtuerisches Treiben, an der Nordwestküste ein eng¬
lisches Wachkommando. Hier befand sich beim Ausbruch des Krieges auf der


Großbritanniens Gstseepolitik

den Rigaschen Meerbusen zu begründen im Hinblick auf das wahrscheinliche
Verbleiben des ganzen gegenüberliegenden kurländischen Festlandstriches unter
der deutschen Herrschaft. Daß die Vorsorge der Engländer nur dem Wunsche
nach einer maritimen Stärkung des künftigen Rußlands entspringt und nicht
ein Glied in ihren Absichten zur Beherrschung der Ostsee darstellt, können nur
naive Gemüter annehmen. Alle Anzeichen deuten darauf hin. daß ein Gibraltar
in neuer Auflage in der Ostsee im Entstehen begriffen ist. Halten wir also
unsere Augen offen I

Wem es gelingt, die Insel Ösel und die kleinen Nachbarinseln „Dagö".
',Rums". „Worms" und „Mohn" sich anzueignen, wird die Ostsee nach allen
Seiten zu beherrschen imstande sein. Er wird die baltischen Häfen unter Ver¬
schluß halten und die nach Westen geöffneten russischen Fenster verrammeln
können, wird die Zugänge zum Finnischen und Bodenlöcher Meerbusen zu über¬
wachen, den schwedischen Handelsverkehr im Schach zu halten und auf Deutsch¬
land einen unerträglichen Druck auszuüben in der Lage sein. Es ist begreiflich,
daß die Besetzung und spätere Erwerbung der Insel Osel unter solchen Um¬
ständen eine der höchsten Nummern im britischen Weltimperialismus bildet.
Der strategische Wert dieses reizvollen Eilandes von 2664 Quadratkilometern
mit seinen zahlreichen Buchten, seiner seekundigen Urbevölkerung, den holzreichen
Wäldern und vorzüglichen Landstraßen kann gar nicht hoch genug veranschlagt
werden. Folgende Schilderung aus ortskundiger Feder mag das bestätigen!
"Die vielen Einschnitte längs der Jnselküste können bequeme Zufluchtsstätten
und sichere Ankerplätze für größere und kleinere Schiffe darbieten und ebenso
dem Handel dienstbar gemacht werden. Mit geringer Mühe könnte aus der
Insel ein wichtiges Bollwerk zur Sicherung der Herrschaft über den Rigaschen
Meerbusen geschaffen werden. Besonders im Norden. Nordwesten und Westen
liegen natürliche Häfen, die sich leicht zu Stützpunkten für Kriegsschiff- Her¬
richten lassen. Da ist zunächst der Hafen von Muskel. der, vordrer
Seiten von Land umgeben, von der Nordseite zudem durch eme ^nsel
begrenzt ist und allen Schiffen Schutz gegen die anstürmende Brandung
gewährt. Sodann die benachbarte, weiter nach Westen belegene Bucht
von Piddul. die. tiefer und umfangreicher. Raum für förmliche Geschwader
bietet, und die schon unter der Kaiserin Katharina II. in einen
Kriegshafen verwandelt werden sollte. Das Unternehmen scheiterte aber,
weil die Kosten für die Anlegung eines starken Schutzdammes gegen die
Stürme aus Norden und Nordwesten zu hoch befunden wurden. Noch zahl¬
reiche andere als Häfen geeignete Plätze finden sich auf Osel an allen Küsten,
namentlich in, Westen im Kirchspiel Kielkond mit seinen malerischen Buchten."
Den englischen Marinetechnikern sind die Vorzüge der Insel längst bekannt;
'hre Nutzbarmachung ist durch den Krieg ermöglicht worden. Auf dem süd¬
lichen Ausläufer ein heimlichtuerisches Treiben, an der Nordwestküste ein eng¬
lisches Wachkommando. Hier befand sich beim Ausbruch des Krieges auf der


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[0307] Großbritanniens Gstseepolitik den Rigaschen Meerbusen zu begründen im Hinblick auf das wahrscheinliche Verbleiben des ganzen gegenüberliegenden kurländischen Festlandstriches unter der deutschen Herrschaft. Daß die Vorsorge der Engländer nur dem Wunsche nach einer maritimen Stärkung des künftigen Rußlands entspringt und nicht ein Glied in ihren Absichten zur Beherrschung der Ostsee darstellt, können nur naive Gemüter annehmen. Alle Anzeichen deuten darauf hin. daß ein Gibraltar in neuer Auflage in der Ostsee im Entstehen begriffen ist. Halten wir also unsere Augen offen I Wem es gelingt, die Insel Ösel und die kleinen Nachbarinseln „Dagö". ',Rums". „Worms" und „Mohn" sich anzueignen, wird die Ostsee nach allen Seiten zu beherrschen imstande sein. Er wird die baltischen Häfen unter Ver¬ schluß halten und die nach Westen geöffneten russischen Fenster verrammeln können, wird die Zugänge zum Finnischen und Bodenlöcher Meerbusen zu über¬ wachen, den schwedischen Handelsverkehr im Schach zu halten und auf Deutsch¬ land einen unerträglichen Druck auszuüben in der Lage sein. Es ist begreiflich, daß die Besetzung und spätere Erwerbung der Insel Osel unter solchen Um¬ ständen eine der höchsten Nummern im britischen Weltimperialismus bildet. Der strategische Wert dieses reizvollen Eilandes von 2664 Quadratkilometern mit seinen zahlreichen Buchten, seiner seekundigen Urbevölkerung, den holzreichen Wäldern und vorzüglichen Landstraßen kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Folgende Schilderung aus ortskundiger Feder mag das bestätigen! "Die vielen Einschnitte längs der Jnselküste können bequeme Zufluchtsstätten und sichere Ankerplätze für größere und kleinere Schiffe darbieten und ebenso dem Handel dienstbar gemacht werden. Mit geringer Mühe könnte aus der Insel ein wichtiges Bollwerk zur Sicherung der Herrschaft über den Rigaschen Meerbusen geschaffen werden. Besonders im Norden. Nordwesten und Westen liegen natürliche Häfen, die sich leicht zu Stützpunkten für Kriegsschiff- Her¬ richten lassen. Da ist zunächst der Hafen von Muskel. der, vordrer Seiten von Land umgeben, von der Nordseite zudem durch eme ^nsel begrenzt ist und allen Schiffen Schutz gegen die anstürmende Brandung gewährt. Sodann die benachbarte, weiter nach Westen belegene Bucht von Piddul. die. tiefer und umfangreicher. Raum für förmliche Geschwader bietet, und die schon unter der Kaiserin Katharina II. in einen Kriegshafen verwandelt werden sollte. Das Unternehmen scheiterte aber, weil die Kosten für die Anlegung eines starken Schutzdammes gegen die Stürme aus Norden und Nordwesten zu hoch befunden wurden. Noch zahl¬ reiche andere als Häfen geeignete Plätze finden sich auf Osel an allen Küsten, namentlich in, Westen im Kirchspiel Kielkond mit seinen malerischen Buchten." Den englischen Marinetechnikern sind die Vorzüge der Insel längst bekannt; 'hre Nutzbarmachung ist durch den Krieg ermöglicht worden. Auf dem süd¬ lichen Ausläufer ein heimlichtuerisches Treiben, an der Nordwestküste ein eng¬ lisches Wachkommando. Hier befand sich beim Ausbruch des Krieges auf der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/307>, abgerufen am 16.06.2024.