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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Deutschlands wirtschaftliche und finanzielle Kraftquellen

nicht zur Kriegführung, sondern zu Meuchelmörder benutzt. Für England und
wahrscheinlich auch für alle unsere Verbündeten ist Deutschland fortan aus der
Gemeinschaft der Nationen ausgeschlossen -- es ist der Aussätzige Europas,
dem sich niemand nähern darf--, ein Aussätziger aus seiner eigenen verderbten
Seele." --

Die Zahl der deutschen Auswanderer betrug:

1881 1880 1895 1913
220 900 104 000 37 500 25 800

Unserer gewaltigen wirtschaftlichen Entwicklung und der damit verbundenen
Steigerung der Arbeits-, Erwerbs- und Lebensverhältnisse in allen Berufs¬
kreisen, besonders der werktätigen Bevölkerung, ist dieser auffallende Rückgang
der Auswanderung zu verdanken. Die Zunahme des Wohlstandes gerade in
den mittleren und unteren Kreisen wird bewiesen durch die Steigerung der
Sparkasseneinlagen. So betrug der Gesäme-Einlagebestand bei den deutschen
Sparkassen im Jahre 1914: 20,5 Milliarden Mark, gegen 11,9 Milliarden
im Jahre 1904. Während in Deutschland auf den Kopf der Bevölkerung im
Durchschnitt 272 Mark Sparkassengelder kommen, erreichen sie in England nur
103 Mark, in Frankreich nur 113 Mark. Im Vergleich mit England sind
die Löhne erheblich gestiegen. Die Steuerpflichtigen mit weniger als 900 Mark
Einkommen haben stark abgenommen, die Einkommensteuerstufen 900 bis
3000 Mark und 3000 bis 6500 Mark haben sich außerordentlich vermehrt.
Auch während der Kriegszeit ist die Kapitalbildung im deutschen Volks¬
vermögen nicht zum Stillstand gekommen; hat doch im Jahre 1816
der Zugang von Spareinlagen die Höhe von 3^ Milliarden Mark auf¬
gewiesen!

Englands Plan, uns militärisch und wirtschaftlich niederzukämpfen, ist
mißlungen und wenn sich das deutsche Wirtschaftsleben den durch den Krieg
und vor allem durch die englische Absperrung gegebenen Verhältnissen mit über¬
raschender Schnelligkeit und Geschicklichkeit anzupassen verstanden hat, so liegt
das Geheimnis dieses Erfolges in der glänzenden deutschen Organisations¬
fähigkeit, die das auf agrarischer, industrieller und kommerzieller Grundlage
ruhende Wirtschaftsleben zusammengefaßt hat.

Noch staunenswerter sind die Leistungen Deutschlands auf finanziellem
Gebiet; denn mit unseren bisherigen 60 Milliarden Kriegsanleihe stehen wir
an der Spitze aller kriegführenden Länder. Während die Golddeckung in
Frankreich und Italien bereits auf 18 Prozent, in Rußland gar auf 9 Prozent
gesunken ist, verdanken wir es unseren 60 Milliarden Kriegsanleihe, daß wir
für unsere Noten heute, nach über drei Kriegsjahren, noch eine Golddeckung von
28 Prozent aufrecht erhalten können. Da durch die Kriegsanleihe die Not¬
wendigkeit der Ausgabe von ungedeckten Papiergeld vermieden wird und die
Kriegslasten auf mehrere Generationen verteilt werden, ist diese Form der
Kriegsfinanzierung vom volkswirtschaftlichen Standpunkte die einzig richtige.


Deutschlands wirtschaftliche und finanzielle Kraftquellen

nicht zur Kriegführung, sondern zu Meuchelmörder benutzt. Für England und
wahrscheinlich auch für alle unsere Verbündeten ist Deutschland fortan aus der
Gemeinschaft der Nationen ausgeschlossen — es ist der Aussätzige Europas,
dem sich niemand nähern darf—, ein Aussätziger aus seiner eigenen verderbten
Seele." —

Die Zahl der deutschen Auswanderer betrug:

1881 1880 1895 1913
220 900 104 000 37 500 25 800

Unserer gewaltigen wirtschaftlichen Entwicklung und der damit verbundenen
Steigerung der Arbeits-, Erwerbs- und Lebensverhältnisse in allen Berufs¬
kreisen, besonders der werktätigen Bevölkerung, ist dieser auffallende Rückgang
der Auswanderung zu verdanken. Die Zunahme des Wohlstandes gerade in
den mittleren und unteren Kreisen wird bewiesen durch die Steigerung der
Sparkasseneinlagen. So betrug der Gesäme-Einlagebestand bei den deutschen
Sparkassen im Jahre 1914: 20,5 Milliarden Mark, gegen 11,9 Milliarden
im Jahre 1904. Während in Deutschland auf den Kopf der Bevölkerung im
Durchschnitt 272 Mark Sparkassengelder kommen, erreichen sie in England nur
103 Mark, in Frankreich nur 113 Mark. Im Vergleich mit England sind
die Löhne erheblich gestiegen. Die Steuerpflichtigen mit weniger als 900 Mark
Einkommen haben stark abgenommen, die Einkommensteuerstufen 900 bis
3000 Mark und 3000 bis 6500 Mark haben sich außerordentlich vermehrt.
Auch während der Kriegszeit ist die Kapitalbildung im deutschen Volks¬
vermögen nicht zum Stillstand gekommen; hat doch im Jahre 1816
der Zugang von Spareinlagen die Höhe von 3^ Milliarden Mark auf¬
gewiesen!

Englands Plan, uns militärisch und wirtschaftlich niederzukämpfen, ist
mißlungen und wenn sich das deutsche Wirtschaftsleben den durch den Krieg
und vor allem durch die englische Absperrung gegebenen Verhältnissen mit über¬
raschender Schnelligkeit und Geschicklichkeit anzupassen verstanden hat, so liegt
das Geheimnis dieses Erfolges in der glänzenden deutschen Organisations¬
fähigkeit, die das auf agrarischer, industrieller und kommerzieller Grundlage
ruhende Wirtschaftsleben zusammengefaßt hat.

Noch staunenswerter sind die Leistungen Deutschlands auf finanziellem
Gebiet; denn mit unseren bisherigen 60 Milliarden Kriegsanleihe stehen wir
an der Spitze aller kriegführenden Länder. Während die Golddeckung in
Frankreich und Italien bereits auf 18 Prozent, in Rußland gar auf 9 Prozent
gesunken ist, verdanken wir es unseren 60 Milliarden Kriegsanleihe, daß wir
für unsere Noten heute, nach über drei Kriegsjahren, noch eine Golddeckung von
28 Prozent aufrecht erhalten können. Da durch die Kriegsanleihe die Not¬
wendigkeit der Ausgabe von ungedeckten Papiergeld vermieden wird und die
Kriegslasten auf mehrere Generationen verteilt werden, ist diese Form der
Kriegsfinanzierung vom volkswirtschaftlichen Standpunkte die einzig richtige.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/34>, abgerufen am 28.05.2024.