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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Lateinisch oder Katholisch!

sein, wie heute Spanien, wo es der antikatholischen Demokratie bis heute noch
nicht gelungen ist, die Neutralität aufzuheben. Indessen mag infolge der zu
erwartenden militärischen Niederlage der Republik der Katholizismus in Frankreich
zur politischen Macht gelangen oder nicht: die Haltung des gallischen Nachbars
bleibt ein heute unberechenbarer Faktor, über den sich nichts prophezeien läßt.
Nur soll man nicht denken, daß ein katholisch beherrschtes Frankreich für uns
besonders ungünstig sei. Feindseliger als die radikale Republik kann es nicht werden,
und ohne eine gewisse innerpolitische Annäherung an das konservativere
Deutschland ist eine katholische Restauration in Frankreich nicht denkbar. Das
wäre schon etwas!

Der heute von Frankreich genährte Gegensatz zwischen Deutschland und den
romanischen Nationen wird hoffentlich nicht ewig dauern. Wenn der Friede auf
der Basis einer einigermaßen billigen, beiderseits annehmbaren Verständigung
zustande kommt, wird man wieder nebeneinander leben können. Der Katholi¬
zismus als eine Größe, die in beiden Lagern mächtig ist, wird vor allem berufen
sein, dahin zu wirken, daß das Lateinertum und Germanentum sich der Gemeinschaft
der europäischen Kultur, aus der man sich die Angelsachsen und erst recht die
Russen weit leichter wegdenken kann, als gerade eine dieser beiden Völkergruppen,
wieder bewußt werden. Die Stellung des Katholizismus im Deutschen Reiche
muß derart sein, daß kein romanisches Volk Vorwünde geliefert bekommt, die
katholische Kirche für eine lateinische auszugeben. Sie soll verbinden helfen, aber
nicht trennen. Was die Haltung der deutschen Katholiken innerhalb der Gesamt¬
kirche anlangt, so rät Schrörs, jede Herausforderung der Franzosen zu vermeiden
und sich zunächst niemandem unter den außerdeutschen Glaubensgenossen aufzu¬
drängen (S. 209 f.). Allmählich, hofft er. würden sich Vermittler zwischen
deutschem und französischem Katholizismus finden und eine neue Annäherung
herbeiführen. Die Schweiz, das Elsaß und Rom hält er für besonders geeignet
für derartige Aufgaben. Daß Schrörs engen Anschluß an Rom und unver¬
brüchlichen Gehorsam gegen den Papst empfiehlt, ist folgerichtig, weil es gilt,
den Lateinern jeden Vorwand zur Verdächtigung der kirchlichen Treue der
Deutschen zu nehmen. Mit solcher Treue hofft er, die internationalen Beziehungen
des Katholizismus fester zu knüpfen, damit sie nicht etwa durch die im Kriege
allerdings als sehr wirksam erwiesenen internationalen Beziehungen der angel¬
sächsischen Demokratie oder die des Sozialismus an Festigkeit übertroffen werden.
Dieser internationale Ehrgeiz wird immer ein wirksamer Ansporn sein, daß die
Kirche "katholisch" bleibt und nicht "lateinisch" wird. In der inneren Politik
des Deutschen Reiches kündigt Schrörs an, wird die Kirche wie bisher den all-
. deutschen Nationalismus bekämpfen, dem Ausbau der mitteleuropäischen Beziehungen
zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn aber wird sie ihre Hilfe leihen. Das
klingt sehr verheißungsvoll. Denn gelänge es, ein besonderes Zusammengehörig¬
keitsgefühl zwischen den Katholiken Deutschlands, Österreichs und Ungarns gro߬
zuziehen, so wäre für den mitteleuropäischen Bund ein sehr zuverlässiges Band
geknüpft. Innerhalb des Reiches erwartet Schrörs mit dem Falle des preußischen
Wahlrechts ein Zurücktreten des bisher führenden altpreußischen Nordostens und
ein Aufsteigen des katholischen Westens und Südens zur politischen Macht. Mit
der Regierung Hertling--Payer--Kühlmann hat ja diese Umwälzung anscheinend
schon eingesetzt. "Wir haben dem Vaterlande etwas zu bieten", ruft Schrörs
zuversichtlich. "Wir besitzen eine sichere, auf das Wort Gottes gestützte und nach
ihrem Werte durch die Jahrhunderte erprobte Sittenlehre, die einen festen Halt
geben kann gegenüber der Verwirrung der sittlichen Begriffe, die eine gleißende
Philosophie erzeugt hat, gegenüber der nackten Politik des Erwerbens, gegenüber
der schrankenlosen Jagd nach dem Genusse, gegenüber der Herrenmoral, die jenseits
von Gut und Böse stehen zu dürfen glaubt. Nicht allein dem einzelnen ist die
christliche Moral die leitende Hand, die ihn zu einem wertvollen Gliede des
Staates erzieht, sie ist auch Sozialethik im großen*)." Die Mitarbeit der positiv



*) A. a. O. S. 226.
Lateinisch oder Katholisch!

sein, wie heute Spanien, wo es der antikatholischen Demokratie bis heute noch
nicht gelungen ist, die Neutralität aufzuheben. Indessen mag infolge der zu
erwartenden militärischen Niederlage der Republik der Katholizismus in Frankreich
zur politischen Macht gelangen oder nicht: die Haltung des gallischen Nachbars
bleibt ein heute unberechenbarer Faktor, über den sich nichts prophezeien läßt.
Nur soll man nicht denken, daß ein katholisch beherrschtes Frankreich für uns
besonders ungünstig sei. Feindseliger als die radikale Republik kann es nicht werden,
und ohne eine gewisse innerpolitische Annäherung an das konservativere
Deutschland ist eine katholische Restauration in Frankreich nicht denkbar. Das
wäre schon etwas!

Der heute von Frankreich genährte Gegensatz zwischen Deutschland und den
romanischen Nationen wird hoffentlich nicht ewig dauern. Wenn der Friede auf
der Basis einer einigermaßen billigen, beiderseits annehmbaren Verständigung
zustande kommt, wird man wieder nebeneinander leben können. Der Katholi¬
zismus als eine Größe, die in beiden Lagern mächtig ist, wird vor allem berufen
sein, dahin zu wirken, daß das Lateinertum und Germanentum sich der Gemeinschaft
der europäischen Kultur, aus der man sich die Angelsachsen und erst recht die
Russen weit leichter wegdenken kann, als gerade eine dieser beiden Völkergruppen,
wieder bewußt werden. Die Stellung des Katholizismus im Deutschen Reiche
muß derart sein, daß kein romanisches Volk Vorwünde geliefert bekommt, die
katholische Kirche für eine lateinische auszugeben. Sie soll verbinden helfen, aber
nicht trennen. Was die Haltung der deutschen Katholiken innerhalb der Gesamt¬
kirche anlangt, so rät Schrörs, jede Herausforderung der Franzosen zu vermeiden
und sich zunächst niemandem unter den außerdeutschen Glaubensgenossen aufzu¬
drängen (S. 209 f.). Allmählich, hofft er. würden sich Vermittler zwischen
deutschem und französischem Katholizismus finden und eine neue Annäherung
herbeiführen. Die Schweiz, das Elsaß und Rom hält er für besonders geeignet
für derartige Aufgaben. Daß Schrörs engen Anschluß an Rom und unver¬
brüchlichen Gehorsam gegen den Papst empfiehlt, ist folgerichtig, weil es gilt,
den Lateinern jeden Vorwand zur Verdächtigung der kirchlichen Treue der
Deutschen zu nehmen. Mit solcher Treue hofft er, die internationalen Beziehungen
des Katholizismus fester zu knüpfen, damit sie nicht etwa durch die im Kriege
allerdings als sehr wirksam erwiesenen internationalen Beziehungen der angel¬
sächsischen Demokratie oder die des Sozialismus an Festigkeit übertroffen werden.
Dieser internationale Ehrgeiz wird immer ein wirksamer Ansporn sein, daß die
Kirche „katholisch" bleibt und nicht „lateinisch" wird. In der inneren Politik
des Deutschen Reiches kündigt Schrörs an, wird die Kirche wie bisher den all-
. deutschen Nationalismus bekämpfen, dem Ausbau der mitteleuropäischen Beziehungen
zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn aber wird sie ihre Hilfe leihen. Das
klingt sehr verheißungsvoll. Denn gelänge es, ein besonderes Zusammengehörig¬
keitsgefühl zwischen den Katholiken Deutschlands, Österreichs und Ungarns gro߬
zuziehen, so wäre für den mitteleuropäischen Bund ein sehr zuverlässiges Band
geknüpft. Innerhalb des Reiches erwartet Schrörs mit dem Falle des preußischen
Wahlrechts ein Zurücktreten des bisher führenden altpreußischen Nordostens und
ein Aufsteigen des katholischen Westens und Südens zur politischen Macht. Mit
der Regierung Hertling—Payer—Kühlmann hat ja diese Umwälzung anscheinend
schon eingesetzt. „Wir haben dem Vaterlande etwas zu bieten", ruft Schrörs
zuversichtlich. „Wir besitzen eine sichere, auf das Wort Gottes gestützte und nach
ihrem Werte durch die Jahrhunderte erprobte Sittenlehre, die einen festen Halt
geben kann gegenüber der Verwirrung der sittlichen Begriffe, die eine gleißende
Philosophie erzeugt hat, gegenüber der nackten Politik des Erwerbens, gegenüber
der schrankenlosen Jagd nach dem Genusse, gegenüber der Herrenmoral, die jenseits
von Gut und Böse stehen zu dürfen glaubt. Nicht allein dem einzelnen ist die
christliche Moral die leitende Hand, die ihn zu einem wertvollen Gliede des
Staates erzieht, sie ist auch Sozialethik im großen*)." Die Mitarbeit der positiv



*) A. a. O. S. 226.
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[0258] Lateinisch oder Katholisch! sein, wie heute Spanien, wo es der antikatholischen Demokratie bis heute noch nicht gelungen ist, die Neutralität aufzuheben. Indessen mag infolge der zu erwartenden militärischen Niederlage der Republik der Katholizismus in Frankreich zur politischen Macht gelangen oder nicht: die Haltung des gallischen Nachbars bleibt ein heute unberechenbarer Faktor, über den sich nichts prophezeien läßt. Nur soll man nicht denken, daß ein katholisch beherrschtes Frankreich für uns besonders ungünstig sei. Feindseliger als die radikale Republik kann es nicht werden, und ohne eine gewisse innerpolitische Annäherung an das konservativere Deutschland ist eine katholische Restauration in Frankreich nicht denkbar. Das wäre schon etwas! Der heute von Frankreich genährte Gegensatz zwischen Deutschland und den romanischen Nationen wird hoffentlich nicht ewig dauern. Wenn der Friede auf der Basis einer einigermaßen billigen, beiderseits annehmbaren Verständigung zustande kommt, wird man wieder nebeneinander leben können. Der Katholi¬ zismus als eine Größe, die in beiden Lagern mächtig ist, wird vor allem berufen sein, dahin zu wirken, daß das Lateinertum und Germanentum sich der Gemeinschaft der europäischen Kultur, aus der man sich die Angelsachsen und erst recht die Russen weit leichter wegdenken kann, als gerade eine dieser beiden Völkergruppen, wieder bewußt werden. Die Stellung des Katholizismus im Deutschen Reiche muß derart sein, daß kein romanisches Volk Vorwünde geliefert bekommt, die katholische Kirche für eine lateinische auszugeben. Sie soll verbinden helfen, aber nicht trennen. Was die Haltung der deutschen Katholiken innerhalb der Gesamt¬ kirche anlangt, so rät Schrörs, jede Herausforderung der Franzosen zu vermeiden und sich zunächst niemandem unter den außerdeutschen Glaubensgenossen aufzu¬ drängen (S. 209 f.). Allmählich, hofft er. würden sich Vermittler zwischen deutschem und französischem Katholizismus finden und eine neue Annäherung herbeiführen. Die Schweiz, das Elsaß und Rom hält er für besonders geeignet für derartige Aufgaben. Daß Schrörs engen Anschluß an Rom und unver¬ brüchlichen Gehorsam gegen den Papst empfiehlt, ist folgerichtig, weil es gilt, den Lateinern jeden Vorwand zur Verdächtigung der kirchlichen Treue der Deutschen zu nehmen. Mit solcher Treue hofft er, die internationalen Beziehungen des Katholizismus fester zu knüpfen, damit sie nicht etwa durch die im Kriege allerdings als sehr wirksam erwiesenen internationalen Beziehungen der angel¬ sächsischen Demokratie oder die des Sozialismus an Festigkeit übertroffen werden. Dieser internationale Ehrgeiz wird immer ein wirksamer Ansporn sein, daß die Kirche „katholisch" bleibt und nicht „lateinisch" wird. In der inneren Politik des Deutschen Reiches kündigt Schrörs an, wird die Kirche wie bisher den all- . deutschen Nationalismus bekämpfen, dem Ausbau der mitteleuropäischen Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn aber wird sie ihre Hilfe leihen. Das klingt sehr verheißungsvoll. Denn gelänge es, ein besonderes Zusammengehörig¬ keitsgefühl zwischen den Katholiken Deutschlands, Österreichs und Ungarns gro߬ zuziehen, so wäre für den mitteleuropäischen Bund ein sehr zuverlässiges Band geknüpft. Innerhalb des Reiches erwartet Schrörs mit dem Falle des preußischen Wahlrechts ein Zurücktreten des bisher führenden altpreußischen Nordostens und ein Aufsteigen des katholischen Westens und Südens zur politischen Macht. Mit der Regierung Hertling—Payer—Kühlmann hat ja diese Umwälzung anscheinend schon eingesetzt. „Wir haben dem Vaterlande etwas zu bieten", ruft Schrörs zuversichtlich. „Wir besitzen eine sichere, auf das Wort Gottes gestützte und nach ihrem Werte durch die Jahrhunderte erprobte Sittenlehre, die einen festen Halt geben kann gegenüber der Verwirrung der sittlichen Begriffe, die eine gleißende Philosophie erzeugt hat, gegenüber der nackten Politik des Erwerbens, gegenüber der schrankenlosen Jagd nach dem Genusse, gegenüber der Herrenmoral, die jenseits von Gut und Böse stehen zu dürfen glaubt. Nicht allein dem einzelnen ist die christliche Moral die leitende Hand, die ihn zu einem wertvollen Gliede des Staates erzieht, sie ist auch Sozialethik im großen*)." Die Mitarbeit der positiv *) A. a. O. S. 226.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/258>, abgerufen am 19.05.2024.