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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Das Mahlrechtsproblem nach der zweiten Lesung

zu einem Wahlrecht, das ohne die Form des gleichen Wahlrechtes dessen wesent-
luhe Merkmale aufwiese".

Der Spielraum, innerhalb dessen die neue Form zu suchen ist, wird nach¬
gerade durch die bisherigen offiziellen Erklärungen von Regierung und Parlament
genau umschrieben. Sie muß liegen jenseits des letzten "Zweistimmen"-Antrages
des Abgeordneten Dr. Lohmann, den ja der Ministerpräsident wegen seines mehr
oder weniger verschleiert "plutokratischen" Charakters als unannehmbar abgelehnt
hat. Dagegen wiederum diesseits der Mindestforderung der Wahlrechtsgegner,
die ein unverschleiert gleiches Wahlrecht ebensowenig diskutierbar finden.

Frhr. von Zedlitz findet nun das entscheidende, für beide Teile mögliche
Merkmal der rumen Form in der Seßhaftigkeit, bei der weder von plutokratischen
Rücksichten noch von einer Abhängigkeit des Wählers von einem dritten (wie
vielleicht beim Antrage Lohmann) die Rede sein könne. "Für die Erlangung der
zweiten Stimme bestände völlige Gleichheit des Rechtes für alle Wähler.*) Bei
einer zweiten Stimme bei zehnjähriger Seßhaftigkeit z. B. würde, abgesehen von
dem sachlichen Wert der Seßhaftigkeitsstimme, auf der Seite der Mehrheit vor¬
aussichtlich vielfach der Bann gebrochen und der vernünftigen politischen Erwägung
wieder Eingang geschafft sein. Aber auch die Anhänger des gleichen Wahlrechtes
könnten sich damit abfinden; in der Hauptsache bliebe das Wahlrecht doch gleich,
wie ja auch in England eine zweite Stimme solcher Art mit dem Grundsatz des
gleichen Wahlrechtes für wohl vereinbar erachtet wird.

Von der Regierung meint Frhr. von Zedlitz, daß sie es schließlich doch
schwer verantworten könne, der Krone lediglich um dieses einen Punktes willen
die Ablehnung eines im übrigen für sie durchaus annehmbaren Kompromisses,
durch das schwere Erschütterungen zu vermeiden wären, zu empfehlen. Das gleiche
möchten wir von der Linken erwarten, wenn anders sie nicht die von ihr den
Konservativen zum Vorwurf gemachte Starrköpstgkett und Prinzipienreiterei selber
in höchstem Maße zur Schau tragen will.**) Sie sollte nicht vergessen, daß auch
so der Schritt des Entgegenkommens von feiten der Wahlrechtsgegner ein weit
größerer ist als der, den sie selbst mit ihrer Konzession zurückzulegen hat, wenn
man die Vergangenheit mit der Zukunft vergleicht.

Ob diese Zukunft sich unter den vorstehend skizzierten Bedingungen so ge¬
stalten wird, wie wir es unserem Vaterlande wünschen, bleibt eine offene Frage.
schweren Herzens bekennen sich die "Grenzboten" zu der neuen Wendung der Dinge,
insbesondere, wenn sie an unsere Ostmarken denken, denen auch der leichtere Schutz
durch ein Proportionalwahlrecht (zunächstI) genommen worden ist, obwohl selbst der
optimistische Reformminister Drews dafür eine Lanze brach und andererseits be¬
fugte, daß die preußischen Polen die Voraussetzung seiner polenfreundlichen
Politik, ein größeres Verständnis für den preußischen Staat, nicht erfüllt hätten!
^wi zu sehr wird bei uns zu Lande die polnische Frage als bloßes Grenzproblem
angesehen, als eine oberflächliche Faszienerkrmikung unseres Staatskörpers, die
edle, innere Teile nicht berührt. Ein verhängnisvoller Irrtum! Man sollte bei
uns die polnische Frage auch an der Hand der ausländischen, beispielsweise
französischen Presse, die sich sehr eifrig mit den Pilsudski und Genossen, den
amerikanischen Polen usw. beschäftigt, studieren, um einen Maßstab zu erhalten
sur die Wünsche und Ziele jener Bewegung!




*) Ähnlich schreibt anscheinend Friedberg in der "Nationalliberalen Korrespondenz":
"Es ist aber keineswegs ausgeschlossen, in den Rahmen der Regierungsvorlage auch ein oder
Zwei Mehrstimmen einzufügen, die nickt an Besitz- oder Einkommensunterschiede gebunden
Md, sondern unterschiedslos jedem Wähler unter den gleichen Bedingungen zugute kommen."
^?an könnte dabei an Altersstimmen und solche für die gesamte Beamtenschaft denken, was
für den erstrebten Zweck Wohl zu Buch schlagen würde.
**-
, ) Theodor Wolfs spielt allerdings schon kaltblütig mit dem Gedanken, das Reform
unm'sterium zu stürzen, wenn es ein Wahlrecht "mit doppeltem Boden" bescheren sollte!
Desgleichen der "Vorwärts" (Ur. 12ö), indem er die "Schuld" natürlich den Konservativen
in die Schuhe schiebt.
Das Mahlrechtsproblem nach der zweiten Lesung

zu einem Wahlrecht, das ohne die Form des gleichen Wahlrechtes dessen wesent-
luhe Merkmale aufwiese".

Der Spielraum, innerhalb dessen die neue Form zu suchen ist, wird nach¬
gerade durch die bisherigen offiziellen Erklärungen von Regierung und Parlament
genau umschrieben. Sie muß liegen jenseits des letzten „Zweistimmen"-Antrages
des Abgeordneten Dr. Lohmann, den ja der Ministerpräsident wegen seines mehr
oder weniger verschleiert „plutokratischen" Charakters als unannehmbar abgelehnt
hat. Dagegen wiederum diesseits der Mindestforderung der Wahlrechtsgegner,
die ein unverschleiert gleiches Wahlrecht ebensowenig diskutierbar finden.

Frhr. von Zedlitz findet nun das entscheidende, für beide Teile mögliche
Merkmal der rumen Form in der Seßhaftigkeit, bei der weder von plutokratischen
Rücksichten noch von einer Abhängigkeit des Wählers von einem dritten (wie
vielleicht beim Antrage Lohmann) die Rede sein könne. „Für die Erlangung der
zweiten Stimme bestände völlige Gleichheit des Rechtes für alle Wähler.*) Bei
einer zweiten Stimme bei zehnjähriger Seßhaftigkeit z. B. würde, abgesehen von
dem sachlichen Wert der Seßhaftigkeitsstimme, auf der Seite der Mehrheit vor¬
aussichtlich vielfach der Bann gebrochen und der vernünftigen politischen Erwägung
wieder Eingang geschafft sein. Aber auch die Anhänger des gleichen Wahlrechtes
könnten sich damit abfinden; in der Hauptsache bliebe das Wahlrecht doch gleich,
wie ja auch in England eine zweite Stimme solcher Art mit dem Grundsatz des
gleichen Wahlrechtes für wohl vereinbar erachtet wird.

Von der Regierung meint Frhr. von Zedlitz, daß sie es schließlich doch
schwer verantworten könne, der Krone lediglich um dieses einen Punktes willen
die Ablehnung eines im übrigen für sie durchaus annehmbaren Kompromisses,
durch das schwere Erschütterungen zu vermeiden wären, zu empfehlen. Das gleiche
möchten wir von der Linken erwarten, wenn anders sie nicht die von ihr den
Konservativen zum Vorwurf gemachte Starrköpstgkett und Prinzipienreiterei selber
in höchstem Maße zur Schau tragen will.**) Sie sollte nicht vergessen, daß auch
so der Schritt des Entgegenkommens von feiten der Wahlrechtsgegner ein weit
größerer ist als der, den sie selbst mit ihrer Konzession zurückzulegen hat, wenn
man die Vergangenheit mit der Zukunft vergleicht.

Ob diese Zukunft sich unter den vorstehend skizzierten Bedingungen so ge¬
stalten wird, wie wir es unserem Vaterlande wünschen, bleibt eine offene Frage.
schweren Herzens bekennen sich die „Grenzboten" zu der neuen Wendung der Dinge,
insbesondere, wenn sie an unsere Ostmarken denken, denen auch der leichtere Schutz
durch ein Proportionalwahlrecht (zunächstI) genommen worden ist, obwohl selbst der
optimistische Reformminister Drews dafür eine Lanze brach und andererseits be¬
fugte, daß die preußischen Polen die Voraussetzung seiner polenfreundlichen
Politik, ein größeres Verständnis für den preußischen Staat, nicht erfüllt hätten!
^wi zu sehr wird bei uns zu Lande die polnische Frage als bloßes Grenzproblem
angesehen, als eine oberflächliche Faszienerkrmikung unseres Staatskörpers, die
edle, innere Teile nicht berührt. Ein verhängnisvoller Irrtum! Man sollte bei
uns die polnische Frage auch an der Hand der ausländischen, beispielsweise
französischen Presse, die sich sehr eifrig mit den Pilsudski und Genossen, den
amerikanischen Polen usw. beschäftigt, studieren, um einen Maßstab zu erhalten
sur die Wünsche und Ziele jener Bewegung!




*) Ähnlich schreibt anscheinend Friedberg in der „Nationalliberalen Korrespondenz":
»Es ist aber keineswegs ausgeschlossen, in den Rahmen der Regierungsvorlage auch ein oder
Zwei Mehrstimmen einzufügen, die nickt an Besitz- oder Einkommensunterschiede gebunden
Md, sondern unterschiedslos jedem Wähler unter den gleichen Bedingungen zugute kommen."
^?an könnte dabei an Altersstimmen und solche für die gesamte Beamtenschaft denken, was
für den erstrebten Zweck Wohl zu Buch schlagen würde.
**-
, ) Theodor Wolfs spielt allerdings schon kaltblütig mit dem Gedanken, das Reform
unm'sterium zu stürzen, wenn es ein Wahlrecht „mit doppeltem Boden" bescheren sollte!
Desgleichen der „Vorwärts" (Ur. 12ö), indem er die „Schuld" natürlich den Konservativen
in die Schuhe schiebt.
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[0177] Das Mahlrechtsproblem nach der zweiten Lesung zu einem Wahlrecht, das ohne die Form des gleichen Wahlrechtes dessen wesent- luhe Merkmale aufwiese". Der Spielraum, innerhalb dessen die neue Form zu suchen ist, wird nach¬ gerade durch die bisherigen offiziellen Erklärungen von Regierung und Parlament genau umschrieben. Sie muß liegen jenseits des letzten „Zweistimmen"-Antrages des Abgeordneten Dr. Lohmann, den ja der Ministerpräsident wegen seines mehr oder weniger verschleiert „plutokratischen" Charakters als unannehmbar abgelehnt hat. Dagegen wiederum diesseits der Mindestforderung der Wahlrechtsgegner, die ein unverschleiert gleiches Wahlrecht ebensowenig diskutierbar finden. Frhr. von Zedlitz findet nun das entscheidende, für beide Teile mögliche Merkmal der rumen Form in der Seßhaftigkeit, bei der weder von plutokratischen Rücksichten noch von einer Abhängigkeit des Wählers von einem dritten (wie vielleicht beim Antrage Lohmann) die Rede sein könne. „Für die Erlangung der zweiten Stimme bestände völlige Gleichheit des Rechtes für alle Wähler.*) Bei einer zweiten Stimme bei zehnjähriger Seßhaftigkeit z. B. würde, abgesehen von dem sachlichen Wert der Seßhaftigkeitsstimme, auf der Seite der Mehrheit vor¬ aussichtlich vielfach der Bann gebrochen und der vernünftigen politischen Erwägung wieder Eingang geschafft sein. Aber auch die Anhänger des gleichen Wahlrechtes könnten sich damit abfinden; in der Hauptsache bliebe das Wahlrecht doch gleich, wie ja auch in England eine zweite Stimme solcher Art mit dem Grundsatz des gleichen Wahlrechtes für wohl vereinbar erachtet wird. Von der Regierung meint Frhr. von Zedlitz, daß sie es schließlich doch schwer verantworten könne, der Krone lediglich um dieses einen Punktes willen die Ablehnung eines im übrigen für sie durchaus annehmbaren Kompromisses, durch das schwere Erschütterungen zu vermeiden wären, zu empfehlen. Das gleiche möchten wir von der Linken erwarten, wenn anders sie nicht die von ihr den Konservativen zum Vorwurf gemachte Starrköpstgkett und Prinzipienreiterei selber in höchstem Maße zur Schau tragen will.**) Sie sollte nicht vergessen, daß auch so der Schritt des Entgegenkommens von feiten der Wahlrechtsgegner ein weit größerer ist als der, den sie selbst mit ihrer Konzession zurückzulegen hat, wenn man die Vergangenheit mit der Zukunft vergleicht. Ob diese Zukunft sich unter den vorstehend skizzierten Bedingungen so ge¬ stalten wird, wie wir es unserem Vaterlande wünschen, bleibt eine offene Frage. schweren Herzens bekennen sich die „Grenzboten" zu der neuen Wendung der Dinge, insbesondere, wenn sie an unsere Ostmarken denken, denen auch der leichtere Schutz durch ein Proportionalwahlrecht (zunächstI) genommen worden ist, obwohl selbst der optimistische Reformminister Drews dafür eine Lanze brach und andererseits be¬ fugte, daß die preußischen Polen die Voraussetzung seiner polenfreundlichen Politik, ein größeres Verständnis für den preußischen Staat, nicht erfüllt hätten! ^wi zu sehr wird bei uns zu Lande die polnische Frage als bloßes Grenzproblem angesehen, als eine oberflächliche Faszienerkrmikung unseres Staatskörpers, die edle, innere Teile nicht berührt. Ein verhängnisvoller Irrtum! Man sollte bei uns die polnische Frage auch an der Hand der ausländischen, beispielsweise französischen Presse, die sich sehr eifrig mit den Pilsudski und Genossen, den amerikanischen Polen usw. beschäftigt, studieren, um einen Maßstab zu erhalten sur die Wünsche und Ziele jener Bewegung! *) Ähnlich schreibt anscheinend Friedberg in der „Nationalliberalen Korrespondenz": »Es ist aber keineswegs ausgeschlossen, in den Rahmen der Regierungsvorlage auch ein oder Zwei Mehrstimmen einzufügen, die nickt an Besitz- oder Einkommensunterschiede gebunden Md, sondern unterschiedslos jedem Wähler unter den gleichen Bedingungen zugute kommen." ^?an könnte dabei an Altersstimmen und solche für die gesamte Beamtenschaft denken, was für den erstrebten Zweck Wohl zu Buch schlagen würde. **- , ) Theodor Wolfs spielt allerdings schon kaltblütig mit dem Gedanken, das Reform unm'sterium zu stürzen, wenn es ein Wahlrecht „mit doppeltem Boden" bescheren sollte! Desgleichen der „Vorwärts" (Ur. 12ö), indem er die „Schuld" natürlich den Konservativen in die Schuhe schiebt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/177>, abgerufen am 17.06.2024.