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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Pariser Welt und Halbwelt zur Zeit der 'Direktorialregierung

die Lorbeerhaine Italiens entblättern und nach zehn Jahren die Krone Frank¬
reichs tragen sollte. An Damen traf man bei Madame Tallien -- die Bezeich"
mung "Citoyenne" war schon nicht mehr allgemein gebräuchlich -- die pikante
Frau Hcringuerlot, die interessante Josephine von Beauharnais, die Bürgerin
Hermelin, als Erfinderin der transparenten Gewänder, der nuckites Zaires, be¬
kannt, Frau von Krüdener, damals noch eine Priesterin der Liebe lind nicht
der Mystik, und manche andere vielgenannte Frau. Alle aber überstrahlte die
liebenswerte Wirtin' in ihr erschien nach den vielen Lykurgen der Konventszeit
eine Sirene, die mit ihrer Silberstimme das Lachen und die Freude aus
der Verbannung zurückrief. Und die so lange Exilierten folgten- der Lockung
gern, denn die sie erklingen ließ, war schön Teresia. eine Tochter des Bankiers
Grafen Cabarrus, stand. 1773 geboren, zur Zeit des Direktoriums auf der Höhe
ihres Lebens. Über den großen, sammetweich blickenden Angen, die die Männer¬
welt hypnotisierten, wölbten sich herrlich geschwungene Brauen, während um den
kleinen, mit blendend weißen Zähnen geschmückten Mund ein halb mokantes, halb
verführerisches Lächeln spielte; dazu ivar sie hübsch gewachsen und von geschmeidigem,
harmonischem Körperbau, der Grazie mit Majestät vereinte; kurz: ein seltener,
berauschender Zauber ging von ihr ans und schlug alle in Fesseln, die mit ihr
in Berührung kamen. Wenn sie die "Chaumiere" verließ, liesen die jungen Leute
zu Häuf, Männer im Greisenhaar schlössen sich ihnen an, und die Menge blieb
stehen, ihr eine stumme Huldigung darzubringen. Und keck und siegestrunken
durchwandelte sie die Hecken der Neugierigen; das lag in ihrer Art -- vielleicht
das Erbteil eines Ahnherrn, der zu den .Konquistadoren gezählt hatte Begreiflicher¬
weise sehnte sich dieses von der Natur so bevorzugte Wesen vor allem nach freier
Betätigung auf demjenigen Gebiete, wo die Frau so gern ihrer Individualität
und ihrem persönlichen Geschmacke die Zügel schießen läßt: auf dein der
Mode; und hier wurde sie bald tonangebende Herrscherin. An der Spitze der
"Hemdlosen" marschierend -- ihr und ihren: Kreise galt der "lächerliche Sack"
als das Leichentuch der Schönheit -- bevorzugte sie kostbare grüchische Toiletten,
die ihre klassischen Formen erst in das rechte Licht rückten. Als "Oeslmbille"
bezeichnete man die halbwegs paradiesische Nacktheit, die sie zur Schau trug,
um die Müuner in dem Urteil über ihre Reize ja nicht schwankend zu machen;
denn sie huldigte der Ansicht: wenn eine Frau angekleidet ist, kommt es für sie
nicht darauf an,, schön zu sein. Nur Schmuck verwendete sie reichlich. Eine
Diamantkette, die ans dem vollen Busen in wogender Bewegung sich hob und
senkte, sprühte tausendfache Funken; goldene, mit Edelsteinen besetze Reisen um¬
spannten ihre Arme und Fesseln, und selbst an den Zehen glitzerten Ringe. Wenn
sie aber dem Publikum ausnahmsweise mal nicht griechisch kam, pflegte sie einen
Jupon' von schwarzer Gaze zu tragen, den man allerdings kaum einen Unterrock
nennen konnte, weil sie es verschmähte, einen anderen darüber zu ziehen. Er war
nicht allzu lang und an den Seiten des bequemen Schreitens wegen bis zu den
Hüften aufgeschlitzt, so daß die fleischfarbenen seidenen Trikots, die die herrlichen
Glieder eng umspannten, dem entzückten Auge sichtbar wurden. Den sarkastischen
Talleymnd stachelte diese Kostümierung zu dein Ausrufe: "Man kann sich unmöglich
in einer noch pompöseren Weise entkleiden!" Teresias herausfordernde Toiletten
und nicht minder die kostbare, ochsenblntfarbene Equipage, in der sie die Straßen
der Hauptstadt durcheilte, setzten bald die Zungen von Wut Paris in Bewegung.
Ihr Geist entsprach vielleicht nicht ganz diesem glänzenden Exterieur; immerhin
huldigte sie, wie ein Blick in ihr Boudoir beweist, von dem uus der Marquis
v. Paroy, ein Freund Talliens, ein Bild entwirft, gern und in vielseitiger Weise
der Kunst und der Wissenschaft. Der Verdacht drängt sich allerdings auf, daß sie
auf diesem Gebiete ein wenig posierte.

Den Lebenswandel der schönen Frau brauchte man freilich nicht gerade mit
der Lupe zu prüfen, um zu erkennen, wes Geistes Kind sie war. Das heiße,
durch die Sonne des Südens -- sie war Spanierin von Geburt -- gekochte Blut
der in allen koketten Verführungskünsten Geschulten machte lebhaft sein Recht


Pariser Welt und Halbwelt zur Zeit der 'Direktorialregierung

die Lorbeerhaine Italiens entblättern und nach zehn Jahren die Krone Frank¬
reichs tragen sollte. An Damen traf man bei Madame Tallien — die Bezeich«
mung „Citoyenne" war schon nicht mehr allgemein gebräuchlich — die pikante
Frau Hcringuerlot, die interessante Josephine von Beauharnais, die Bürgerin
Hermelin, als Erfinderin der transparenten Gewänder, der nuckites Zaires, be¬
kannt, Frau von Krüdener, damals noch eine Priesterin der Liebe lind nicht
der Mystik, und manche andere vielgenannte Frau. Alle aber überstrahlte die
liebenswerte Wirtin' in ihr erschien nach den vielen Lykurgen der Konventszeit
eine Sirene, die mit ihrer Silberstimme das Lachen und die Freude aus
der Verbannung zurückrief. Und die so lange Exilierten folgten- der Lockung
gern, denn die sie erklingen ließ, war schön Teresia. eine Tochter des Bankiers
Grafen Cabarrus, stand. 1773 geboren, zur Zeit des Direktoriums auf der Höhe
ihres Lebens. Über den großen, sammetweich blickenden Angen, die die Männer¬
welt hypnotisierten, wölbten sich herrlich geschwungene Brauen, während um den
kleinen, mit blendend weißen Zähnen geschmückten Mund ein halb mokantes, halb
verführerisches Lächeln spielte; dazu ivar sie hübsch gewachsen und von geschmeidigem,
harmonischem Körperbau, der Grazie mit Majestät vereinte; kurz: ein seltener,
berauschender Zauber ging von ihr ans und schlug alle in Fesseln, die mit ihr
in Berührung kamen. Wenn sie die „Chaumiere" verließ, liesen die jungen Leute
zu Häuf, Männer im Greisenhaar schlössen sich ihnen an, und die Menge blieb
stehen, ihr eine stumme Huldigung darzubringen. Und keck und siegestrunken
durchwandelte sie die Hecken der Neugierigen; das lag in ihrer Art — vielleicht
das Erbteil eines Ahnherrn, der zu den .Konquistadoren gezählt hatte Begreiflicher¬
weise sehnte sich dieses von der Natur so bevorzugte Wesen vor allem nach freier
Betätigung auf demjenigen Gebiete, wo die Frau so gern ihrer Individualität
und ihrem persönlichen Geschmacke die Zügel schießen läßt: auf dein der
Mode; und hier wurde sie bald tonangebende Herrscherin. An der Spitze der
„Hemdlosen" marschierend — ihr und ihren: Kreise galt der „lächerliche Sack"
als das Leichentuch der Schönheit — bevorzugte sie kostbare grüchische Toiletten,
die ihre klassischen Formen erst in das rechte Licht rückten. Als „Oeslmbille"
bezeichnete man die halbwegs paradiesische Nacktheit, die sie zur Schau trug,
um die Müuner in dem Urteil über ihre Reize ja nicht schwankend zu machen;
denn sie huldigte der Ansicht: wenn eine Frau angekleidet ist, kommt es für sie
nicht darauf an,, schön zu sein. Nur Schmuck verwendete sie reichlich. Eine
Diamantkette, die ans dem vollen Busen in wogender Bewegung sich hob und
senkte, sprühte tausendfache Funken; goldene, mit Edelsteinen besetze Reisen um¬
spannten ihre Arme und Fesseln, und selbst an den Zehen glitzerten Ringe. Wenn
sie aber dem Publikum ausnahmsweise mal nicht griechisch kam, pflegte sie einen
Jupon' von schwarzer Gaze zu tragen, den man allerdings kaum einen Unterrock
nennen konnte, weil sie es verschmähte, einen anderen darüber zu ziehen. Er war
nicht allzu lang und an den Seiten des bequemen Schreitens wegen bis zu den
Hüften aufgeschlitzt, so daß die fleischfarbenen seidenen Trikots, die die herrlichen
Glieder eng umspannten, dem entzückten Auge sichtbar wurden. Den sarkastischen
Talleymnd stachelte diese Kostümierung zu dein Ausrufe: „Man kann sich unmöglich
in einer noch pompöseren Weise entkleiden!" Teresias herausfordernde Toiletten
und nicht minder die kostbare, ochsenblntfarbene Equipage, in der sie die Straßen
der Hauptstadt durcheilte, setzten bald die Zungen von Wut Paris in Bewegung.
Ihr Geist entsprach vielleicht nicht ganz diesem glänzenden Exterieur; immerhin
huldigte sie, wie ein Blick in ihr Boudoir beweist, von dem uus der Marquis
v. Paroy, ein Freund Talliens, ein Bild entwirft, gern und in vielseitiger Weise
der Kunst und der Wissenschaft. Der Verdacht drängt sich allerdings auf, daß sie
auf diesem Gebiete ein wenig posierte.

Den Lebenswandel der schönen Frau brauchte man freilich nicht gerade mit
der Lupe zu prüfen, um zu erkennen, wes Geistes Kind sie war. Das heiße,
durch die Sonne des Südens — sie war Spanierin von Geburt — gekochte Blut
der in allen koketten Verführungskünsten Geschulten machte lebhaft sein Recht


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[0214] Pariser Welt und Halbwelt zur Zeit der 'Direktorialregierung die Lorbeerhaine Italiens entblättern und nach zehn Jahren die Krone Frank¬ reichs tragen sollte. An Damen traf man bei Madame Tallien — die Bezeich« mung „Citoyenne" war schon nicht mehr allgemein gebräuchlich — die pikante Frau Hcringuerlot, die interessante Josephine von Beauharnais, die Bürgerin Hermelin, als Erfinderin der transparenten Gewänder, der nuckites Zaires, be¬ kannt, Frau von Krüdener, damals noch eine Priesterin der Liebe lind nicht der Mystik, und manche andere vielgenannte Frau. Alle aber überstrahlte die liebenswerte Wirtin' in ihr erschien nach den vielen Lykurgen der Konventszeit eine Sirene, die mit ihrer Silberstimme das Lachen und die Freude aus der Verbannung zurückrief. Und die so lange Exilierten folgten- der Lockung gern, denn die sie erklingen ließ, war schön Teresia. eine Tochter des Bankiers Grafen Cabarrus, stand. 1773 geboren, zur Zeit des Direktoriums auf der Höhe ihres Lebens. Über den großen, sammetweich blickenden Angen, die die Männer¬ welt hypnotisierten, wölbten sich herrlich geschwungene Brauen, während um den kleinen, mit blendend weißen Zähnen geschmückten Mund ein halb mokantes, halb verführerisches Lächeln spielte; dazu ivar sie hübsch gewachsen und von geschmeidigem, harmonischem Körperbau, der Grazie mit Majestät vereinte; kurz: ein seltener, berauschender Zauber ging von ihr ans und schlug alle in Fesseln, die mit ihr in Berührung kamen. Wenn sie die „Chaumiere" verließ, liesen die jungen Leute zu Häuf, Männer im Greisenhaar schlössen sich ihnen an, und die Menge blieb stehen, ihr eine stumme Huldigung darzubringen. Und keck und siegestrunken durchwandelte sie die Hecken der Neugierigen; das lag in ihrer Art — vielleicht das Erbteil eines Ahnherrn, der zu den .Konquistadoren gezählt hatte Begreiflicher¬ weise sehnte sich dieses von der Natur so bevorzugte Wesen vor allem nach freier Betätigung auf demjenigen Gebiete, wo die Frau so gern ihrer Individualität und ihrem persönlichen Geschmacke die Zügel schießen läßt: auf dein der Mode; und hier wurde sie bald tonangebende Herrscherin. An der Spitze der „Hemdlosen" marschierend — ihr und ihren: Kreise galt der „lächerliche Sack" als das Leichentuch der Schönheit — bevorzugte sie kostbare grüchische Toiletten, die ihre klassischen Formen erst in das rechte Licht rückten. Als „Oeslmbille" bezeichnete man die halbwegs paradiesische Nacktheit, die sie zur Schau trug, um die Müuner in dem Urteil über ihre Reize ja nicht schwankend zu machen; denn sie huldigte der Ansicht: wenn eine Frau angekleidet ist, kommt es für sie nicht darauf an,, schön zu sein. Nur Schmuck verwendete sie reichlich. Eine Diamantkette, die ans dem vollen Busen in wogender Bewegung sich hob und senkte, sprühte tausendfache Funken; goldene, mit Edelsteinen besetze Reisen um¬ spannten ihre Arme und Fesseln, und selbst an den Zehen glitzerten Ringe. Wenn sie aber dem Publikum ausnahmsweise mal nicht griechisch kam, pflegte sie einen Jupon' von schwarzer Gaze zu tragen, den man allerdings kaum einen Unterrock nennen konnte, weil sie es verschmähte, einen anderen darüber zu ziehen. Er war nicht allzu lang und an den Seiten des bequemen Schreitens wegen bis zu den Hüften aufgeschlitzt, so daß die fleischfarbenen seidenen Trikots, die die herrlichen Glieder eng umspannten, dem entzückten Auge sichtbar wurden. Den sarkastischen Talleymnd stachelte diese Kostümierung zu dein Ausrufe: „Man kann sich unmöglich in einer noch pompöseren Weise entkleiden!" Teresias herausfordernde Toiletten und nicht minder die kostbare, ochsenblntfarbene Equipage, in der sie die Straßen der Hauptstadt durcheilte, setzten bald die Zungen von Wut Paris in Bewegung. Ihr Geist entsprach vielleicht nicht ganz diesem glänzenden Exterieur; immerhin huldigte sie, wie ein Blick in ihr Boudoir beweist, von dem uus der Marquis v. Paroy, ein Freund Talliens, ein Bild entwirft, gern und in vielseitiger Weise der Kunst und der Wissenschaft. Der Verdacht drängt sich allerdings auf, daß sie auf diesem Gebiete ein wenig posierte. Den Lebenswandel der schönen Frau brauchte man freilich nicht gerade mit der Lupe zu prüfen, um zu erkennen, wes Geistes Kind sie war. Das heiße, durch die Sonne des Südens — sie war Spanierin von Geburt — gekochte Blut der in allen koketten Verführungskünsten Geschulten machte lebhaft sein Recht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/214>, abgerufen am 18.05.2024.