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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Die deutsche Revolution

Vorderhand kennt niemand die Länge der "Übergangszeit", und so nehmen
die neuen Bildungen von Tag zu Tag festere Gestalt an. Der am 9. November
.provisorisch, tags darauf in seiner eigentlichen Form ins Leben getretene Groß-
Äerliner Arbeiter- und Soldatenrat hat "bis zum Zusammentritt sämtlicher
Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands" ^) die Führung der Geschäfte über¬
nommen und als eigentliches Regierungsorgan aus seinem Schoße einen
28gliedrigen sogenannten "Vollzugsrat" gewählt, der zurzeit die höchste Gewalt
im Reiche darstellt. Vom Vollzugsrat ist das Kgliedrige "politische Kabinett" für
Preußen mit der paritätischen Spitze: H?rsch--Ströbel am 11. November ernannt
worden, zum Teil aus eigenen Mitgliedern (Ströbel, Braun). Es geschah damit
also das staatsrechtliche -- wenn dieser Begriff in revolutionären Zeiten erlaubt
ist -- Kuriosum, daß die Regierung eines Gebietes von 4l) Millionen Einwohnern
einem lokalen Wahlkörper ihren Ursprung verdankt,, ohne daß auch nur die
sozialistischen Elemente außerhalb Berlins gehört worden wären. Die gleiche
Erscheinung, sogar in noch krasseren Formen, begegnet uns bei der Konstituierung
der neuen Re?chsleitung. Denn der "Rat der Volksbeauftragten", der die Porte¬
feuilles des Gesamtstaats unter sich verteilte, und dessen einer Führer sich "Reichs¬
kanzler" nennt, verdankt seine Existenz nichts anderem als höchstens einer "Wahl"
wiederum jenes Groß-Berliner Arbeiter- und Soldatenrates, wenn man dessen
Akklamation vom Sonntag angesichts der vollzogenen Einigung beider soziaksti-
scher Gruppen, und des "t'ait aoooinvli" der Ministerliste noch so nennen darf.
Diese napoleonischen Methoden der Volkswillensbestimmung sind ebenso anfecht¬
bar, wie die Herkunft der Wahlkörper selbst, läßt sich doch "irgend ein geordnetes
Wahlverfahren für die Räte, das Gewähr für gleichmäßige Vertretung aller
Meinungen gibt", nach der bereits erwähnten sozialistischen Korrespondenz
"weder schaffen noch auch nur ausdenken".

Um so eindringlicher muß der provisorische Charakter der ganzen Räte¬
regierung betont werden, da es auf "gleichmäßige Vertretung aller Meinungen"
nicht nur im Proletariat, sondern im ganzen Volke ankommt'und, wie die Dinge
liegen, wichtige und wertvolle Schichten dieses Volkes zwar nicht mehr in Wort
und Schrift, um so stärker aber in ihrer politischen Handlungsfähigkeit aus¬
geschaltet sind. Die Räte sind, nach einem glücklichem Worte aus sozialistischen
Munde, Kampsorganisationen, nicht dauernde Verwaltungseinrichtungen und
"das beste Kriegsschiff ist der schlechteste Handelsdampfer". Die ent¬
scheidende Frage ver Zukunft lautet: gehen wir den russischen Weg
weiter, um im Chaos und Elend aller Volksteile zu enden, oder ge¬
lingt es, den gesunden Elementen unserer Sozialdemokratie, die sozialistisch-
proletarische Revolution in die Bahnen der echten, alle Volksgenossen umfassenden
Demokratie überzuleiten und so durch kluges Nachgeben im einzelnen die Gefahr
zu vermeiden, daß die Errungenschaften des 9. November im ganzen aufs Spiel
gesetzt werden. Und da ist heute gar kein Zweifel: die Stimme der Mäßigung
wird weithin im Lager der Partei gehört; man will nicht in den Fehler des alten
Regimes verfallen, indem der Zustand einer Minderheitsherrschaft länger als
unbedingt nötig aufrecht erhalten wird. Redlich und mit unbefleckten Händen
will man die im Sturm der Ereignisse erlangte konstituierende Gewalt an ihren
wahren Verweser, die gvoßdeutsche Nationalversammlung des gleichen
Wahlrechts zurückgeben, wenn die Stunde gekommen ist. Denn man
fühlt: noch ist der stolze Titel von "Volksbeaustragten" ein Vorschußlorbeer, und
eine Partei, die erst vor wenigen Wochen mit dem anoic-n iZ^iwiz um eine
Regierung des wahren Volksvertrauens gerungen hat, würde ihre eigene Ver¬
gangenheit Lügen strafen, wenn sie jetzt die Gelegenheit zur Bekundung dieses
Vertrauens unmöglich machte.

, In diesen Gedanken sind sich sämtliche sozialistischen Regierungen im
Reich und den Bundesstaaten einig mit der gemäßigten Parteipresse und sie
beherrschen -ebenso die Stimmung der feldgrauen Revolutionäre, wie jeder be-



2) "Frankfurter Zeitung" vom 11. November abends.
Die deutsche Revolution

Vorderhand kennt niemand die Länge der „Übergangszeit", und so nehmen
die neuen Bildungen von Tag zu Tag festere Gestalt an. Der am 9. November
.provisorisch, tags darauf in seiner eigentlichen Form ins Leben getretene Groß-
Äerliner Arbeiter- und Soldatenrat hat „bis zum Zusammentritt sämtlicher
Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands" ^) die Führung der Geschäfte über¬
nommen und als eigentliches Regierungsorgan aus seinem Schoße einen
28gliedrigen sogenannten „Vollzugsrat" gewählt, der zurzeit die höchste Gewalt
im Reiche darstellt. Vom Vollzugsrat ist das Kgliedrige „politische Kabinett" für
Preußen mit der paritätischen Spitze: H?rsch—Ströbel am 11. November ernannt
worden, zum Teil aus eigenen Mitgliedern (Ströbel, Braun). Es geschah damit
also das staatsrechtliche — wenn dieser Begriff in revolutionären Zeiten erlaubt
ist — Kuriosum, daß die Regierung eines Gebietes von 4l) Millionen Einwohnern
einem lokalen Wahlkörper ihren Ursprung verdankt,, ohne daß auch nur die
sozialistischen Elemente außerhalb Berlins gehört worden wären. Die gleiche
Erscheinung, sogar in noch krasseren Formen, begegnet uns bei der Konstituierung
der neuen Re?chsleitung. Denn der „Rat der Volksbeauftragten", der die Porte¬
feuilles des Gesamtstaats unter sich verteilte, und dessen einer Führer sich „Reichs¬
kanzler" nennt, verdankt seine Existenz nichts anderem als höchstens einer „Wahl"
wiederum jenes Groß-Berliner Arbeiter- und Soldatenrates, wenn man dessen
Akklamation vom Sonntag angesichts der vollzogenen Einigung beider soziaksti-
scher Gruppen, und des „t'ait aoooinvli" der Ministerliste noch so nennen darf.
Diese napoleonischen Methoden der Volkswillensbestimmung sind ebenso anfecht¬
bar, wie die Herkunft der Wahlkörper selbst, läßt sich doch „irgend ein geordnetes
Wahlverfahren für die Räte, das Gewähr für gleichmäßige Vertretung aller
Meinungen gibt", nach der bereits erwähnten sozialistischen Korrespondenz
„weder schaffen noch auch nur ausdenken".

Um so eindringlicher muß der provisorische Charakter der ganzen Räte¬
regierung betont werden, da es auf „gleichmäßige Vertretung aller Meinungen"
nicht nur im Proletariat, sondern im ganzen Volke ankommt'und, wie die Dinge
liegen, wichtige und wertvolle Schichten dieses Volkes zwar nicht mehr in Wort
und Schrift, um so stärker aber in ihrer politischen Handlungsfähigkeit aus¬
geschaltet sind. Die Räte sind, nach einem glücklichem Worte aus sozialistischen
Munde, Kampsorganisationen, nicht dauernde Verwaltungseinrichtungen und
„das beste Kriegsschiff ist der schlechteste Handelsdampfer". Die ent¬
scheidende Frage ver Zukunft lautet: gehen wir den russischen Weg
weiter, um im Chaos und Elend aller Volksteile zu enden, oder ge¬
lingt es, den gesunden Elementen unserer Sozialdemokratie, die sozialistisch-
proletarische Revolution in die Bahnen der echten, alle Volksgenossen umfassenden
Demokratie überzuleiten und so durch kluges Nachgeben im einzelnen die Gefahr
zu vermeiden, daß die Errungenschaften des 9. November im ganzen aufs Spiel
gesetzt werden. Und da ist heute gar kein Zweifel: die Stimme der Mäßigung
wird weithin im Lager der Partei gehört; man will nicht in den Fehler des alten
Regimes verfallen, indem der Zustand einer Minderheitsherrschaft länger als
unbedingt nötig aufrecht erhalten wird. Redlich und mit unbefleckten Händen
will man die im Sturm der Ereignisse erlangte konstituierende Gewalt an ihren
wahren Verweser, die gvoßdeutsche Nationalversammlung des gleichen
Wahlrechts zurückgeben, wenn die Stunde gekommen ist. Denn man
fühlt: noch ist der stolze Titel von „Volksbeaustragten" ein Vorschußlorbeer, und
eine Partei, die erst vor wenigen Wochen mit dem anoic-n iZ^iwiz um eine
Regierung des wahren Volksvertrauens gerungen hat, würde ihre eigene Ver¬
gangenheit Lügen strafen, wenn sie jetzt die Gelegenheit zur Bekundung dieses
Vertrauens unmöglich machte.

, In diesen Gedanken sind sich sämtliche sozialistischen Regierungen im
Reich und den Bundesstaaten einig mit der gemäßigten Parteipresse und sie
beherrschen -ebenso die Stimmung der feldgrauen Revolutionäre, wie jeder be-



2) „Frankfurter Zeitung" vom 11. November abends.
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[0198] Die deutsche Revolution Vorderhand kennt niemand die Länge der „Übergangszeit", und so nehmen die neuen Bildungen von Tag zu Tag festere Gestalt an. Der am 9. November .provisorisch, tags darauf in seiner eigentlichen Form ins Leben getretene Groß- Äerliner Arbeiter- und Soldatenrat hat „bis zum Zusammentritt sämtlicher Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands" ^) die Führung der Geschäfte über¬ nommen und als eigentliches Regierungsorgan aus seinem Schoße einen 28gliedrigen sogenannten „Vollzugsrat" gewählt, der zurzeit die höchste Gewalt im Reiche darstellt. Vom Vollzugsrat ist das Kgliedrige „politische Kabinett" für Preußen mit der paritätischen Spitze: H?rsch—Ströbel am 11. November ernannt worden, zum Teil aus eigenen Mitgliedern (Ströbel, Braun). Es geschah damit also das staatsrechtliche — wenn dieser Begriff in revolutionären Zeiten erlaubt ist — Kuriosum, daß die Regierung eines Gebietes von 4l) Millionen Einwohnern einem lokalen Wahlkörper ihren Ursprung verdankt,, ohne daß auch nur die sozialistischen Elemente außerhalb Berlins gehört worden wären. Die gleiche Erscheinung, sogar in noch krasseren Formen, begegnet uns bei der Konstituierung der neuen Re?chsleitung. Denn der „Rat der Volksbeauftragten", der die Porte¬ feuilles des Gesamtstaats unter sich verteilte, und dessen einer Führer sich „Reichs¬ kanzler" nennt, verdankt seine Existenz nichts anderem als höchstens einer „Wahl" wiederum jenes Groß-Berliner Arbeiter- und Soldatenrates, wenn man dessen Akklamation vom Sonntag angesichts der vollzogenen Einigung beider soziaksti- scher Gruppen, und des „t'ait aoooinvli" der Ministerliste noch so nennen darf. Diese napoleonischen Methoden der Volkswillensbestimmung sind ebenso anfecht¬ bar, wie die Herkunft der Wahlkörper selbst, läßt sich doch „irgend ein geordnetes Wahlverfahren für die Räte, das Gewähr für gleichmäßige Vertretung aller Meinungen gibt", nach der bereits erwähnten sozialistischen Korrespondenz „weder schaffen noch auch nur ausdenken". Um so eindringlicher muß der provisorische Charakter der ganzen Räte¬ regierung betont werden, da es auf „gleichmäßige Vertretung aller Meinungen" nicht nur im Proletariat, sondern im ganzen Volke ankommt'und, wie die Dinge liegen, wichtige und wertvolle Schichten dieses Volkes zwar nicht mehr in Wort und Schrift, um so stärker aber in ihrer politischen Handlungsfähigkeit aus¬ geschaltet sind. Die Räte sind, nach einem glücklichem Worte aus sozialistischen Munde, Kampsorganisationen, nicht dauernde Verwaltungseinrichtungen und „das beste Kriegsschiff ist der schlechteste Handelsdampfer". Die ent¬ scheidende Frage ver Zukunft lautet: gehen wir den russischen Weg weiter, um im Chaos und Elend aller Volksteile zu enden, oder ge¬ lingt es, den gesunden Elementen unserer Sozialdemokratie, die sozialistisch- proletarische Revolution in die Bahnen der echten, alle Volksgenossen umfassenden Demokratie überzuleiten und so durch kluges Nachgeben im einzelnen die Gefahr zu vermeiden, daß die Errungenschaften des 9. November im ganzen aufs Spiel gesetzt werden. Und da ist heute gar kein Zweifel: die Stimme der Mäßigung wird weithin im Lager der Partei gehört; man will nicht in den Fehler des alten Regimes verfallen, indem der Zustand einer Minderheitsherrschaft länger als unbedingt nötig aufrecht erhalten wird. Redlich und mit unbefleckten Händen will man die im Sturm der Ereignisse erlangte konstituierende Gewalt an ihren wahren Verweser, die gvoßdeutsche Nationalversammlung des gleichen Wahlrechts zurückgeben, wenn die Stunde gekommen ist. Denn man fühlt: noch ist der stolze Titel von „Volksbeaustragten" ein Vorschußlorbeer, und eine Partei, die erst vor wenigen Wochen mit dem anoic-n iZ^iwiz um eine Regierung des wahren Volksvertrauens gerungen hat, würde ihre eigene Ver¬ gangenheit Lügen strafen, wenn sie jetzt die Gelegenheit zur Bekundung dieses Vertrauens unmöglich machte. , In diesen Gedanken sind sich sämtliche sozialistischen Regierungen im Reich und den Bundesstaaten einig mit der gemäßigten Parteipresse und sie beherrschen -ebenso die Stimmung der feldgrauen Revolutionäre, wie jeder be- 2) „Frankfurter Zeitung" vom 11. November abends.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/198>, abgerufen am 26.05.2024.