Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein Bericht über Lrauenbcstrebungen der Gegenwart

Friedenszeit entnehmen. Ungewisser denn je liegen die wirtschaftlichen Ent¬
wicklungsmöglichkeiten Deutschlands vor uns und die Macht, sie im Interesse
einer gesunden völkischen Entfaltung zu beeinflussen, wird oft genug ihre Grenzen
finden. Wurde die Frau schon vor dem Kriegs in der Zwangsläufigkeit der
sozialen Entwicklung in immer steigendem Maße in den Wirtschaftsprozeß ein¬
gezogen, so bewirkte der Krieg, daß neue ungeheuere Massen von Frauen auf dem
Arbeitsmarkt erschienen. Wie groß dieses weibliche Arbeiterheer war und in
welchem Ausmaße es über den Friedensstand emporwuchs, läßt sich leider ziffer¬
müßig nicht feststellen. Ein beträchtlicher Teil der Frauen hat wenig bemerkt von
der Öffentlichkeit und für die Statistik nicht erfaßbar gearbeitet, nämlich dort,
wo sie im Handel und Gewerbe an die Stelle Heerespflichtiger Angehöriger traten
und deren Unternehmungen selbständig fortführten. Es gibt wohl nur ganz
wenige G?biete, auf denen sich die Frauen während des Krieges nicht betätigt
haben. Sie arbeiteten alle unter besonders ungünstigen Verhältnissen, waren sie
doch meistens überlastet, oft durch Beruf und Hauswesen gleichzeitig in Anspruch
genommen, dazu unterernährt und von seelischen Kümmernissen und Sorgen
bedrückt. Nichts wäre verkehrter als etwa ein Verdikt über weibliche Leistungen
auf einen Vergleich zwischen den Kriegsleistungen der Frau und den Friedens¬
leistungen des Mannes zu gründen. Wo ein Vergleich der Frauenarbeit vor
und im Kriege möglich war, hat sich tatsächlich herausgestellt, daß die Arbeits¬
fähigkeit der Frau in den Kriegsjcchrcn beeinträchtigt gewesen ist. Ferner muß
bei der Beurteilung der weiblichen Leistungen berücksichtigt werden, daß viele
arbeitsungewohnte und völlig unausgebildete Frauen zur Arbeit drängten und
daß sie eingestellt werden mußten, weil die Männer fehlten. In der Industrie
ergab sich die Möglichkeit ihrer Verwendung dadurch, daß der Unterhalt eines
Niesenheeres die Herstellung von Massenartikeln erforderte und eine weitgehende
Arbeitsteilung innerhalb der einzelnen Industrien vorgenommen werden konnte.
Wo Grenzen erreicht wurden, entschloß man sich sowohl in der Industrie als
auch in höheren Berufen zu einer kurzfristigen Ausbildung der Frauen, deren
Oberflächlichkeit sich freilich in der Praxis rächen mußte. Die eigentliche Fach¬
ausbildung der Frauen hat auf manchen Arbeitsgebieten während des Krieges
erhebliche Rückschritte gemacht, weil ein sicheres Vorwärtsschreiten in der Zukunft
auf Grund gediegener Vorbereitung der Aussicht auf einen schnell zu erreichenden
lohnenden Verdienst geopfert wurde, ja leider häufig geopfert werden mußte. Wenn
man die zukünftige Gestaltung der Arbeitsverhältnisse der Frauen auf ihre Be¬
währung im Kriege aufbauen will, müssen gerechterweise jene Mißstände in
Rechnung gestellt werden. Aber damit nicht genug. Sehr kritisch muß man sich
den Aussagen der interessierten Kreise, insbesondere der Arbeitgeber gegenüber
Verhalten. Ein anerkennendes Urteil über die Leistungsfähigkeit der Frau ist oft
das Ergebnis einer Berechnung der Rentabilität ihrer Verwendung. Die ungleiche
Entlohnung von Mann und Frau spielt hier eine verhängnisvolle Rolle. Aus
allen diesen Gründen lassen sich vorläufig, da monographische Untersuchungen
noch nicht vorliegen, nur die allgemeinen Grundzüge der Bewährung erkennen,
aus denen vom Standpunkt der Frauenbewegung Forderungen ableitbar sind.

Die körperlich arbeitenden Frauen haben sich während des Krieges nicht
nur in weit größerer Zahl in solchen Gewerben betätigt, in denen sie schon in
Friedenszeiten Verwendung gefunden hatten, sondern sie mußten vielerorts zu¬
greifen, wo früher lediglich männliche Arbeitskräfte beansprucht wurden, so z. B.
in einigen Zweigen der Brauerei, ferner im Baugewerbe, im Bergbau, im Hütten¬
wesen, in der Glasfabrikation usw., wo die im Frieden für sie geltenden
Schutzbestimmungen aufgehoben waren. Nach Oppenheimer') erwiesen sich die



Dr. Hilde Oppeuh"imer und Dr. Hilde Radomski, Die Probleme der Frauen¬
arbeit in der Übergangswirtschaft. Im Auftrage des Bundes Deutscher Frauenvereine und
de" ständigen Ausschusses zur Förderung der Arbeiterinneninteressen bearbeitet. Verlag
I. B"i"seiner, Mannheim, Berlin, Leipzig t918 -- sine außerordentlich gründliche und
mit dick Scharfsinn durchgeführte Untersuchung, der sich die obige Darstellung vielfach anschliest.
Ein Bericht über Lrauenbcstrebungen der Gegenwart

Friedenszeit entnehmen. Ungewisser denn je liegen die wirtschaftlichen Ent¬
wicklungsmöglichkeiten Deutschlands vor uns und die Macht, sie im Interesse
einer gesunden völkischen Entfaltung zu beeinflussen, wird oft genug ihre Grenzen
finden. Wurde die Frau schon vor dem Kriegs in der Zwangsläufigkeit der
sozialen Entwicklung in immer steigendem Maße in den Wirtschaftsprozeß ein¬
gezogen, so bewirkte der Krieg, daß neue ungeheuere Massen von Frauen auf dem
Arbeitsmarkt erschienen. Wie groß dieses weibliche Arbeiterheer war und in
welchem Ausmaße es über den Friedensstand emporwuchs, läßt sich leider ziffer¬
müßig nicht feststellen. Ein beträchtlicher Teil der Frauen hat wenig bemerkt von
der Öffentlichkeit und für die Statistik nicht erfaßbar gearbeitet, nämlich dort,
wo sie im Handel und Gewerbe an die Stelle Heerespflichtiger Angehöriger traten
und deren Unternehmungen selbständig fortführten. Es gibt wohl nur ganz
wenige G?biete, auf denen sich die Frauen während des Krieges nicht betätigt
haben. Sie arbeiteten alle unter besonders ungünstigen Verhältnissen, waren sie
doch meistens überlastet, oft durch Beruf und Hauswesen gleichzeitig in Anspruch
genommen, dazu unterernährt und von seelischen Kümmernissen und Sorgen
bedrückt. Nichts wäre verkehrter als etwa ein Verdikt über weibliche Leistungen
auf einen Vergleich zwischen den Kriegsleistungen der Frau und den Friedens¬
leistungen des Mannes zu gründen. Wo ein Vergleich der Frauenarbeit vor
und im Kriege möglich war, hat sich tatsächlich herausgestellt, daß die Arbeits¬
fähigkeit der Frau in den Kriegsjcchrcn beeinträchtigt gewesen ist. Ferner muß
bei der Beurteilung der weiblichen Leistungen berücksichtigt werden, daß viele
arbeitsungewohnte und völlig unausgebildete Frauen zur Arbeit drängten und
daß sie eingestellt werden mußten, weil die Männer fehlten. In der Industrie
ergab sich die Möglichkeit ihrer Verwendung dadurch, daß der Unterhalt eines
Niesenheeres die Herstellung von Massenartikeln erforderte und eine weitgehende
Arbeitsteilung innerhalb der einzelnen Industrien vorgenommen werden konnte.
Wo Grenzen erreicht wurden, entschloß man sich sowohl in der Industrie als
auch in höheren Berufen zu einer kurzfristigen Ausbildung der Frauen, deren
Oberflächlichkeit sich freilich in der Praxis rächen mußte. Die eigentliche Fach¬
ausbildung der Frauen hat auf manchen Arbeitsgebieten während des Krieges
erhebliche Rückschritte gemacht, weil ein sicheres Vorwärtsschreiten in der Zukunft
auf Grund gediegener Vorbereitung der Aussicht auf einen schnell zu erreichenden
lohnenden Verdienst geopfert wurde, ja leider häufig geopfert werden mußte. Wenn
man die zukünftige Gestaltung der Arbeitsverhältnisse der Frauen auf ihre Be¬
währung im Kriege aufbauen will, müssen gerechterweise jene Mißstände in
Rechnung gestellt werden. Aber damit nicht genug. Sehr kritisch muß man sich
den Aussagen der interessierten Kreise, insbesondere der Arbeitgeber gegenüber
Verhalten. Ein anerkennendes Urteil über die Leistungsfähigkeit der Frau ist oft
das Ergebnis einer Berechnung der Rentabilität ihrer Verwendung. Die ungleiche
Entlohnung von Mann und Frau spielt hier eine verhängnisvolle Rolle. Aus
allen diesen Gründen lassen sich vorläufig, da monographische Untersuchungen
noch nicht vorliegen, nur die allgemeinen Grundzüge der Bewährung erkennen,
aus denen vom Standpunkt der Frauenbewegung Forderungen ableitbar sind.

Die körperlich arbeitenden Frauen haben sich während des Krieges nicht
nur in weit größerer Zahl in solchen Gewerben betätigt, in denen sie schon in
Friedenszeiten Verwendung gefunden hatten, sondern sie mußten vielerorts zu¬
greifen, wo früher lediglich männliche Arbeitskräfte beansprucht wurden, so z. B.
in einigen Zweigen der Brauerei, ferner im Baugewerbe, im Bergbau, im Hütten¬
wesen, in der Glasfabrikation usw., wo die im Frieden für sie geltenden
Schutzbestimmungen aufgehoben waren. Nach Oppenheimer') erwiesen sich die



Dr. Hilde Oppeuh«imer und Dr. Hilde Radomski, Die Probleme der Frauen¬
arbeit in der Übergangswirtschaft. Im Auftrage des Bundes Deutscher Frauenvereine und
de» ständigen Ausschusses zur Förderung der Arbeiterinneninteressen bearbeitet. Verlag
I. B«i»seiner, Mannheim, Berlin, Leipzig t918 — sine außerordentlich gründliche und
mit dick Scharfsinn durchgeführte Untersuchung, der sich die obige Darstellung vielfach anschliest.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0119" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335529"/>
          <fw type="header" place="top"> Ein Bericht über Lrauenbcstrebungen der Gegenwart</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_469" prev="#ID_468"> Friedenszeit entnehmen. Ungewisser denn je liegen die wirtschaftlichen Ent¬<lb/>
wicklungsmöglichkeiten Deutschlands vor uns und die Macht, sie im Interesse<lb/>
einer gesunden völkischen Entfaltung zu beeinflussen, wird oft genug ihre Grenzen<lb/>
finden. Wurde die Frau schon vor dem Kriegs in der Zwangsläufigkeit der<lb/>
sozialen Entwicklung in immer steigendem Maße in den Wirtschaftsprozeß ein¬<lb/>
gezogen, so bewirkte der Krieg, daß neue ungeheuere Massen von Frauen auf dem<lb/>
Arbeitsmarkt erschienen. Wie groß dieses weibliche Arbeiterheer war und in<lb/>
welchem Ausmaße es über den Friedensstand emporwuchs, läßt sich leider ziffer¬<lb/>
müßig nicht feststellen. Ein beträchtlicher Teil der Frauen hat wenig bemerkt von<lb/>
der Öffentlichkeit und für die Statistik nicht erfaßbar gearbeitet, nämlich dort,<lb/>
wo sie im Handel und Gewerbe an die Stelle Heerespflichtiger Angehöriger traten<lb/>
und deren Unternehmungen selbständig fortführten. Es gibt wohl nur ganz<lb/>
wenige G?biete, auf denen sich die Frauen während des Krieges nicht betätigt<lb/>
haben. Sie arbeiteten alle unter besonders ungünstigen Verhältnissen, waren sie<lb/>
doch meistens überlastet, oft durch Beruf und Hauswesen gleichzeitig in Anspruch<lb/>
genommen, dazu unterernährt und von seelischen Kümmernissen und Sorgen<lb/>
bedrückt. Nichts wäre verkehrter als etwa ein Verdikt über weibliche Leistungen<lb/>
auf einen Vergleich zwischen den Kriegsleistungen der Frau und den Friedens¬<lb/>
leistungen des Mannes zu gründen. Wo ein Vergleich der Frauenarbeit vor<lb/>
und im Kriege möglich war, hat sich tatsächlich herausgestellt, daß die Arbeits¬<lb/>
fähigkeit der Frau in den Kriegsjcchrcn beeinträchtigt gewesen ist. Ferner muß<lb/>
bei der Beurteilung der weiblichen Leistungen berücksichtigt werden, daß viele<lb/>
arbeitsungewohnte und völlig unausgebildete Frauen zur Arbeit drängten und<lb/>
daß sie eingestellt werden mußten, weil die Männer fehlten. In der Industrie<lb/>
ergab sich die Möglichkeit ihrer Verwendung dadurch, daß der Unterhalt eines<lb/>
Niesenheeres die Herstellung von Massenartikeln erforderte und eine weitgehende<lb/>
Arbeitsteilung innerhalb der einzelnen Industrien vorgenommen werden konnte.<lb/>
Wo Grenzen erreicht wurden, entschloß man sich sowohl in der Industrie als<lb/>
auch in höheren Berufen zu einer kurzfristigen Ausbildung der Frauen, deren<lb/>
Oberflächlichkeit sich freilich in der Praxis rächen mußte. Die eigentliche Fach¬<lb/>
ausbildung der Frauen hat auf manchen Arbeitsgebieten während des Krieges<lb/>
erhebliche Rückschritte gemacht, weil ein sicheres Vorwärtsschreiten in der Zukunft<lb/>
auf Grund gediegener Vorbereitung der Aussicht auf einen schnell zu erreichenden<lb/>
lohnenden Verdienst geopfert wurde, ja leider häufig geopfert werden mußte. Wenn<lb/>
man die zukünftige Gestaltung der Arbeitsverhältnisse der Frauen auf ihre Be¬<lb/>
währung im Kriege aufbauen will, müssen gerechterweise jene Mißstände in<lb/>
Rechnung gestellt werden. Aber damit nicht genug. Sehr kritisch muß man sich<lb/>
den Aussagen der interessierten Kreise, insbesondere der Arbeitgeber gegenüber<lb/>
Verhalten. Ein anerkennendes Urteil über die Leistungsfähigkeit der Frau ist oft<lb/>
das Ergebnis einer Berechnung der Rentabilität ihrer Verwendung. Die ungleiche<lb/>
Entlohnung von Mann und Frau spielt hier eine verhängnisvolle Rolle. Aus<lb/>
allen diesen Gründen lassen sich vorläufig, da monographische Untersuchungen<lb/>
noch nicht vorliegen, nur die allgemeinen Grundzüge der Bewährung erkennen,<lb/>
aus denen vom Standpunkt der Frauenbewegung Forderungen ableitbar sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_470" next="#ID_471"> Die körperlich arbeitenden Frauen haben sich während des Krieges nicht<lb/>
nur in weit größerer Zahl in solchen Gewerben betätigt, in denen sie schon in<lb/>
Friedenszeiten Verwendung gefunden hatten, sondern sie mußten vielerorts zu¬<lb/>
greifen, wo früher lediglich männliche Arbeitskräfte beansprucht wurden, so z. B.<lb/>
in einigen Zweigen der Brauerei, ferner im Baugewerbe, im Bergbau, im Hütten¬<lb/>
wesen, in der Glasfabrikation usw., wo die im Frieden für sie geltenden<lb/>
Schutzbestimmungen aufgehoben waren.  Nach Oppenheimer') erwiesen sich die</p><lb/>
          <note xml:id="FID_29" place="foot"> Dr. Hilde Oppeuh«imer und Dr. Hilde Radomski, Die Probleme der Frauen¬<lb/>
arbeit in der Übergangswirtschaft. Im Auftrage des Bundes Deutscher Frauenvereine und<lb/>
de» ständigen Ausschusses zur Förderung der Arbeiterinneninteressen bearbeitet. Verlag<lb/>
I. B«i»seiner, Mannheim, Berlin, Leipzig t918 &#x2014; sine außerordentlich gründliche und<lb/>
mit dick Scharfsinn durchgeführte Untersuchung, der sich die obige Darstellung vielfach anschliest.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0119] Ein Bericht über Lrauenbcstrebungen der Gegenwart Friedenszeit entnehmen. Ungewisser denn je liegen die wirtschaftlichen Ent¬ wicklungsmöglichkeiten Deutschlands vor uns und die Macht, sie im Interesse einer gesunden völkischen Entfaltung zu beeinflussen, wird oft genug ihre Grenzen finden. Wurde die Frau schon vor dem Kriegs in der Zwangsläufigkeit der sozialen Entwicklung in immer steigendem Maße in den Wirtschaftsprozeß ein¬ gezogen, so bewirkte der Krieg, daß neue ungeheuere Massen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt erschienen. Wie groß dieses weibliche Arbeiterheer war und in welchem Ausmaße es über den Friedensstand emporwuchs, läßt sich leider ziffer¬ müßig nicht feststellen. Ein beträchtlicher Teil der Frauen hat wenig bemerkt von der Öffentlichkeit und für die Statistik nicht erfaßbar gearbeitet, nämlich dort, wo sie im Handel und Gewerbe an die Stelle Heerespflichtiger Angehöriger traten und deren Unternehmungen selbständig fortführten. Es gibt wohl nur ganz wenige G?biete, auf denen sich die Frauen während des Krieges nicht betätigt haben. Sie arbeiteten alle unter besonders ungünstigen Verhältnissen, waren sie doch meistens überlastet, oft durch Beruf und Hauswesen gleichzeitig in Anspruch genommen, dazu unterernährt und von seelischen Kümmernissen und Sorgen bedrückt. Nichts wäre verkehrter als etwa ein Verdikt über weibliche Leistungen auf einen Vergleich zwischen den Kriegsleistungen der Frau und den Friedens¬ leistungen des Mannes zu gründen. Wo ein Vergleich der Frauenarbeit vor und im Kriege möglich war, hat sich tatsächlich herausgestellt, daß die Arbeits¬ fähigkeit der Frau in den Kriegsjcchrcn beeinträchtigt gewesen ist. Ferner muß bei der Beurteilung der weiblichen Leistungen berücksichtigt werden, daß viele arbeitsungewohnte und völlig unausgebildete Frauen zur Arbeit drängten und daß sie eingestellt werden mußten, weil die Männer fehlten. In der Industrie ergab sich die Möglichkeit ihrer Verwendung dadurch, daß der Unterhalt eines Niesenheeres die Herstellung von Massenartikeln erforderte und eine weitgehende Arbeitsteilung innerhalb der einzelnen Industrien vorgenommen werden konnte. Wo Grenzen erreicht wurden, entschloß man sich sowohl in der Industrie als auch in höheren Berufen zu einer kurzfristigen Ausbildung der Frauen, deren Oberflächlichkeit sich freilich in der Praxis rächen mußte. Die eigentliche Fach¬ ausbildung der Frauen hat auf manchen Arbeitsgebieten während des Krieges erhebliche Rückschritte gemacht, weil ein sicheres Vorwärtsschreiten in der Zukunft auf Grund gediegener Vorbereitung der Aussicht auf einen schnell zu erreichenden lohnenden Verdienst geopfert wurde, ja leider häufig geopfert werden mußte. Wenn man die zukünftige Gestaltung der Arbeitsverhältnisse der Frauen auf ihre Be¬ währung im Kriege aufbauen will, müssen gerechterweise jene Mißstände in Rechnung gestellt werden. Aber damit nicht genug. Sehr kritisch muß man sich den Aussagen der interessierten Kreise, insbesondere der Arbeitgeber gegenüber Verhalten. Ein anerkennendes Urteil über die Leistungsfähigkeit der Frau ist oft das Ergebnis einer Berechnung der Rentabilität ihrer Verwendung. Die ungleiche Entlohnung von Mann und Frau spielt hier eine verhängnisvolle Rolle. Aus allen diesen Gründen lassen sich vorläufig, da monographische Untersuchungen noch nicht vorliegen, nur die allgemeinen Grundzüge der Bewährung erkennen, aus denen vom Standpunkt der Frauenbewegung Forderungen ableitbar sind. Die körperlich arbeitenden Frauen haben sich während des Krieges nicht nur in weit größerer Zahl in solchen Gewerben betätigt, in denen sie schon in Friedenszeiten Verwendung gefunden hatten, sondern sie mußten vielerorts zu¬ greifen, wo früher lediglich männliche Arbeitskräfte beansprucht wurden, so z. B. in einigen Zweigen der Brauerei, ferner im Baugewerbe, im Bergbau, im Hütten¬ wesen, in der Glasfabrikation usw., wo die im Frieden für sie geltenden Schutzbestimmungen aufgehoben waren. Nach Oppenheimer') erwiesen sich die Dr. Hilde Oppeuh«imer und Dr. Hilde Radomski, Die Probleme der Frauen¬ arbeit in der Übergangswirtschaft. Im Auftrage des Bundes Deutscher Frauenvereine und de» ständigen Ausschusses zur Förderung der Arbeiterinneninteressen bearbeitet. Verlag I. B«i»seiner, Mannheim, Berlin, Leipzig t918 — sine außerordentlich gründliche und mit dick Scharfsinn durchgeführte Untersuchung, der sich die obige Darstellung vielfach anschliest.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/119
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/119>, abgerufen am 15.05.2024.