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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Unzweifelhaft deutsches Landt

Gleichzeitig ging die Kolonisation Westpreußens vor sich. Hier hatte sich
die polnische Herrschaft seit dem ersten Viertel des zwölften Jahrhunderts auf das
Herzogtum Pommern (das bis an die Weichselmündnng reichte) erstreckt; diese
Herrschaft über einen Teil der Ostseeküste war jedoch nicht von langer Dauer.
1181 ging Pommern westlich der Persante den Polen verloren und 1227 auch
das östliche Pommern mit Pomerellen. Kurz vorher (1225) hatte der polnische
Herzog Konrad von Masovien den Deutschen Ritterorden zu Hilfe gegen die
heidnischen Preußen gerufen; damit kam der Machtfaktor nach Westpreußen, der
den Landen an der unteren Weichsel am tiefsten feinen Charakter aufgeprägt hat;
noch heute ist Westpreußen das alte Ordensland. Mit dem deutscheu Ritter kam
auch nach hier der deutsche Bauer und Bürger; eine große Reihe deutscher
Bauerndörfer ist heute noch in der Provinz als Ordensgründungen nachweisbar;
und an deutschen Städten entstanden gleich in den ersten zehn Jahren nach
Ankunft des Ordens Kulm (1231), Thorn (1232), Marienwerder (1233) und
Elbing (1237). Sie alle haben ihren deutschen Charakter dem äußeren Stadtbilde
nach, aber auch nach der nationalen Zusammensetzung der Bevölkerung bis zum
heutigen Tage bewahrt. '

Die Geschichte des deutschen Ordens braucht hier nicht weiter verfolgt zu
werden; es ist bekannt, daß er im Thorner Frieden (1466) den größten Teil der
heutigen Provinz Westpreußen an Polen abtrat. Hundert Jahre (bis 1569)
blieb das Land nur durch Personalunion mit Polen verbunden; dann wurde die
preußische Verfassung gewaltsam umgestoßen und Westpreußen staatsrechtlich
mit Polen vereinigt. Es ist bis 1772 in dieser Verbindung geblieben. Natur¬
gemäß hat in dieser Zeit das vorher überwiegend deutsche Land einen sehr viel
stärkeren polnischen Einschlag erhalten. Aber eins muß betont werden: diese
Zeit der polnischem Herrschaft ist für die blühenden Gemeinwesen an der unteren
Weichsel eine Zeit absoluten Niedergangs. Danzig erlebt allerdings um die
Wende des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts seine Blüte; aber Danzig
hatte sich immer seine selbständige Stellung bewahrt; es war in seiner inneren
Verfassung und Zusammensetzung ja niemals auch nur eine Spur polnisch und
verdankte seine Blüte nicht etwa der Zugehörigkeit zum polnischen Reich, sondern,
wenn man so sagen darf, der damaligen weltwirtschaftlichen Konjunktur. Für
alle übrigen ^Städte aber und das ganze Land bedeutete die Zugehörigkeit zu
Polen die Verkümmerung; mit den: Ende des sechzehnten Jahrhunderts begann
für das polnische Volk überhaupt die Periode des materiellen und moralischen
Niedergangs, die bis zu den Teilungen gedauert hat. An diesem Niedergang hat
Westpreußen seinen vollen Anteil genommen; als Friedrich der Große 1772 daS
Land übernahm, war es buchstäblich in Schmutz und Elend verkommen.

In Posen beginnt der Niedergang des Deutschtums schon früher, wenn¬
gleich es im vierzehnten Jahrhundert, namentlich unter Kasimir dem Großen
(1333--70), der unter anderem Bromberg gründete, eine Nachblüte erlebte. DaS
fünfzehnte Jahrhundert aber brachte die Austragung des Gegensatzes zwischen
Polen und dem Orden. Hand in Hand damit spitzten sich die Gegensatze zwischen
den deutschen Städten im Lande und dem polnischen Adel immer mehr zu; die
Selbstverwaltungsrechte der- Städte wurden eingeschränkt und die königlichen
oder grundherrlichen Rechte wuchsen; trotz günstiger wirtschaftlicher Verhältnisse
begann das deutsche Bürgertum der Polonisierung zu unterliegen. Sie machte
im sechzehnten Jahrhundert große Fortschritte. Nur im Westen der Provinz, wo
auch die Einwanderungen 'nicht ganz aufhörten, hat sich das Deutschtum
behauptet; Städte wie Fraustadt und Meseritz haben den deutschen Charakter
ihrer Bevölkerung auch damals nicht verloren. Sehr ungünstig wurde aber
bereits überall die Lage des deutscheu Bauern; die freiheitlichen Einrichtungen
des deutschen Rechts verschwanden im fünfzehnten Jahrhundert unter der länd¬
lichen Bevölkerung völlig, überall sank sie zur völligen Unfreiheit herab. So
wäre das Deutschtum in Posen, abgesehen von dem immer deutsch gewesenen
West- und Südgürtel, Wohl untergegangen, wenn nicht im sechzehnten und
namentlich im' siebzehnten Jahrhundert, unter Wladislaus dem Vierten


Unzweifelhaft deutsches Landt

Gleichzeitig ging die Kolonisation Westpreußens vor sich. Hier hatte sich
die polnische Herrschaft seit dem ersten Viertel des zwölften Jahrhunderts auf das
Herzogtum Pommern (das bis an die Weichselmündnng reichte) erstreckt; diese
Herrschaft über einen Teil der Ostseeküste war jedoch nicht von langer Dauer.
1181 ging Pommern westlich der Persante den Polen verloren und 1227 auch
das östliche Pommern mit Pomerellen. Kurz vorher (1225) hatte der polnische
Herzog Konrad von Masovien den Deutschen Ritterorden zu Hilfe gegen die
heidnischen Preußen gerufen; damit kam der Machtfaktor nach Westpreußen, der
den Landen an der unteren Weichsel am tiefsten feinen Charakter aufgeprägt hat;
noch heute ist Westpreußen das alte Ordensland. Mit dem deutscheu Ritter kam
auch nach hier der deutsche Bauer und Bürger; eine große Reihe deutscher
Bauerndörfer ist heute noch in der Provinz als Ordensgründungen nachweisbar;
und an deutschen Städten entstanden gleich in den ersten zehn Jahren nach
Ankunft des Ordens Kulm (1231), Thorn (1232), Marienwerder (1233) und
Elbing (1237). Sie alle haben ihren deutschen Charakter dem äußeren Stadtbilde
nach, aber auch nach der nationalen Zusammensetzung der Bevölkerung bis zum
heutigen Tage bewahrt. '

Die Geschichte des deutschen Ordens braucht hier nicht weiter verfolgt zu
werden; es ist bekannt, daß er im Thorner Frieden (1466) den größten Teil der
heutigen Provinz Westpreußen an Polen abtrat. Hundert Jahre (bis 1569)
blieb das Land nur durch Personalunion mit Polen verbunden; dann wurde die
preußische Verfassung gewaltsam umgestoßen und Westpreußen staatsrechtlich
mit Polen vereinigt. Es ist bis 1772 in dieser Verbindung geblieben. Natur¬
gemäß hat in dieser Zeit das vorher überwiegend deutsche Land einen sehr viel
stärkeren polnischen Einschlag erhalten. Aber eins muß betont werden: diese
Zeit der polnischem Herrschaft ist für die blühenden Gemeinwesen an der unteren
Weichsel eine Zeit absoluten Niedergangs. Danzig erlebt allerdings um die
Wende des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts seine Blüte; aber Danzig
hatte sich immer seine selbständige Stellung bewahrt; es war in seiner inneren
Verfassung und Zusammensetzung ja niemals auch nur eine Spur polnisch und
verdankte seine Blüte nicht etwa der Zugehörigkeit zum polnischen Reich, sondern,
wenn man so sagen darf, der damaligen weltwirtschaftlichen Konjunktur. Für
alle übrigen ^Städte aber und das ganze Land bedeutete die Zugehörigkeit zu
Polen die Verkümmerung; mit den: Ende des sechzehnten Jahrhunderts begann
für das polnische Volk überhaupt die Periode des materiellen und moralischen
Niedergangs, die bis zu den Teilungen gedauert hat. An diesem Niedergang hat
Westpreußen seinen vollen Anteil genommen; als Friedrich der Große 1772 daS
Land übernahm, war es buchstäblich in Schmutz und Elend verkommen.

In Posen beginnt der Niedergang des Deutschtums schon früher, wenn¬
gleich es im vierzehnten Jahrhundert, namentlich unter Kasimir dem Großen
(1333—70), der unter anderem Bromberg gründete, eine Nachblüte erlebte. DaS
fünfzehnte Jahrhundert aber brachte die Austragung des Gegensatzes zwischen
Polen und dem Orden. Hand in Hand damit spitzten sich die Gegensatze zwischen
den deutschen Städten im Lande und dem polnischen Adel immer mehr zu; die
Selbstverwaltungsrechte der- Städte wurden eingeschränkt und die königlichen
oder grundherrlichen Rechte wuchsen; trotz günstiger wirtschaftlicher Verhältnisse
begann das deutsche Bürgertum der Polonisierung zu unterliegen. Sie machte
im sechzehnten Jahrhundert große Fortschritte. Nur im Westen der Provinz, wo
auch die Einwanderungen 'nicht ganz aufhörten, hat sich das Deutschtum
behauptet; Städte wie Fraustadt und Meseritz haben den deutschen Charakter
ihrer Bevölkerung auch damals nicht verloren. Sehr ungünstig wurde aber
bereits überall die Lage des deutscheu Bauern; die freiheitlichen Einrichtungen
des deutschen Rechts verschwanden im fünfzehnten Jahrhundert unter der länd¬
lichen Bevölkerung völlig, überall sank sie zur völligen Unfreiheit herab. So
wäre das Deutschtum in Posen, abgesehen von dem immer deutsch gewesenen
West- und Südgürtel, Wohl untergegangen, wenn nicht im sechzehnten und
namentlich im' siebzehnten Jahrhundert, unter Wladislaus dem Vierten


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[0032] Unzweifelhaft deutsches Landt Gleichzeitig ging die Kolonisation Westpreußens vor sich. Hier hatte sich die polnische Herrschaft seit dem ersten Viertel des zwölften Jahrhunderts auf das Herzogtum Pommern (das bis an die Weichselmündnng reichte) erstreckt; diese Herrschaft über einen Teil der Ostseeküste war jedoch nicht von langer Dauer. 1181 ging Pommern westlich der Persante den Polen verloren und 1227 auch das östliche Pommern mit Pomerellen. Kurz vorher (1225) hatte der polnische Herzog Konrad von Masovien den Deutschen Ritterorden zu Hilfe gegen die heidnischen Preußen gerufen; damit kam der Machtfaktor nach Westpreußen, der den Landen an der unteren Weichsel am tiefsten feinen Charakter aufgeprägt hat; noch heute ist Westpreußen das alte Ordensland. Mit dem deutscheu Ritter kam auch nach hier der deutsche Bauer und Bürger; eine große Reihe deutscher Bauerndörfer ist heute noch in der Provinz als Ordensgründungen nachweisbar; und an deutschen Städten entstanden gleich in den ersten zehn Jahren nach Ankunft des Ordens Kulm (1231), Thorn (1232), Marienwerder (1233) und Elbing (1237). Sie alle haben ihren deutschen Charakter dem äußeren Stadtbilde nach, aber auch nach der nationalen Zusammensetzung der Bevölkerung bis zum heutigen Tage bewahrt. ' Die Geschichte des deutschen Ordens braucht hier nicht weiter verfolgt zu werden; es ist bekannt, daß er im Thorner Frieden (1466) den größten Teil der heutigen Provinz Westpreußen an Polen abtrat. Hundert Jahre (bis 1569) blieb das Land nur durch Personalunion mit Polen verbunden; dann wurde die preußische Verfassung gewaltsam umgestoßen und Westpreußen staatsrechtlich mit Polen vereinigt. Es ist bis 1772 in dieser Verbindung geblieben. Natur¬ gemäß hat in dieser Zeit das vorher überwiegend deutsche Land einen sehr viel stärkeren polnischen Einschlag erhalten. Aber eins muß betont werden: diese Zeit der polnischem Herrschaft ist für die blühenden Gemeinwesen an der unteren Weichsel eine Zeit absoluten Niedergangs. Danzig erlebt allerdings um die Wende des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts seine Blüte; aber Danzig hatte sich immer seine selbständige Stellung bewahrt; es war in seiner inneren Verfassung und Zusammensetzung ja niemals auch nur eine Spur polnisch und verdankte seine Blüte nicht etwa der Zugehörigkeit zum polnischen Reich, sondern, wenn man so sagen darf, der damaligen weltwirtschaftlichen Konjunktur. Für alle übrigen ^Städte aber und das ganze Land bedeutete die Zugehörigkeit zu Polen die Verkümmerung; mit den: Ende des sechzehnten Jahrhunderts begann für das polnische Volk überhaupt die Periode des materiellen und moralischen Niedergangs, die bis zu den Teilungen gedauert hat. An diesem Niedergang hat Westpreußen seinen vollen Anteil genommen; als Friedrich der Große 1772 daS Land übernahm, war es buchstäblich in Schmutz und Elend verkommen. In Posen beginnt der Niedergang des Deutschtums schon früher, wenn¬ gleich es im vierzehnten Jahrhundert, namentlich unter Kasimir dem Großen (1333—70), der unter anderem Bromberg gründete, eine Nachblüte erlebte. DaS fünfzehnte Jahrhundert aber brachte die Austragung des Gegensatzes zwischen Polen und dem Orden. Hand in Hand damit spitzten sich die Gegensatze zwischen den deutschen Städten im Lande und dem polnischen Adel immer mehr zu; die Selbstverwaltungsrechte der- Städte wurden eingeschränkt und die königlichen oder grundherrlichen Rechte wuchsen; trotz günstiger wirtschaftlicher Verhältnisse begann das deutsche Bürgertum der Polonisierung zu unterliegen. Sie machte im sechzehnten Jahrhundert große Fortschritte. Nur im Westen der Provinz, wo auch die Einwanderungen 'nicht ganz aufhörten, hat sich das Deutschtum behauptet; Städte wie Fraustadt und Meseritz haben den deutschen Charakter ihrer Bevölkerung auch damals nicht verloren. Sehr ungünstig wurde aber bereits überall die Lage des deutscheu Bauern; die freiheitlichen Einrichtungen des deutschen Rechts verschwanden im fünfzehnten Jahrhundert unter der länd¬ lichen Bevölkerung völlig, überall sank sie zur völligen Unfreiheit herab. So wäre das Deutschtum in Posen, abgesehen von dem immer deutsch gewesenen West- und Südgürtel, Wohl untergegangen, wenn nicht im sechzehnten und namentlich im' siebzehnten Jahrhundert, unter Wladislaus dem Vierten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/32>, abgerufen am 16.05.2024.