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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Deutschen Volksräten

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Einspruch Ker deutschen Reichsregicrnng.
Eine vom Neichsminister Schoidemann unter¬
zeichnete Mitteilung der Neichsregierung an
den Neichsminister Erzberger, Waffenstill¬
standskommission in Trier (vom 16, Fevruar)
behandelt die Polenfrage wie folgt:

Bitte Abkommen unterzeichnen, aber vor¬
her Marschall Fons folgende schriftliche Er¬
klärung übergeben:

Die deutsche Negierung ist sich der Schwere
der Folgen bewußt, die sowohl die Annahme
wie die Ablehnung des Abkommens nach sich
ziehen, müßte. Wenn sie ihre Delegierten
angewiesen hat, zu unterzeichnen, so geschah
dies in der Überzeugung, daß die alliierien
und assoziierten Regierungen jetzt ernstlich
bestrebt sind, innerhalb der kurzen Frist, für
die sie den Waffenstillstand verlängert haben,
der Welt den ersehnten Frieden wiederzugeben.
Die deutsche Negierung ist aber genötigt, ihren
Standpunkt zu den dreiBedingungen desAbkom-
mens durch folgende Bemerkungen klarzustellen:

1. Das Abkommen ignoriert die aus dem
Volkswillen in geordneten Formen hervor¬
gegangene deutsche Regierung. Es legt den
Deutschen in Form schroffer Befehle und Ver¬
bote zugunsten der aufständischen Polen die
Pflicht aus, eine Anzahl wichtiger Plätze, dar¬
unter Birnbaum und Berthchen, ohne weiteres
zu räumen. Diese Plätze sind in deutscher
Hand, überwiegend deutsch besiedelt und von
wesentlicher Bedeutung für den Verkehr mit
dem deutschen Osten. Dabei leisten die alli¬
ierten und assoziierten Mächte nicht einmal
die Gewähr dafür, daß die Polen es ihrer¬
seits unterlassen, neue Angrisse zu unternehmen
oder vorzubereiten, daß sie die deutsche Be¬
völkerung, auf deren Schutz wir verzichten
sollen, menschenwürdig behandeln, daß sie die
deutschen Geiseln freigeben, deren Festhaltung
jetzt jeden Sinn verliert, und daß sie den
bisherigen Lebensmittelverkehr nach dem
Westen hin aufrechterhalten. Wenn wir auch
bereit sind, jede militärische Angriffshandlung
in Posen und anderen Gebieten einzustellen
und die gegenwärtige militärische Lage dort
als Basis anzuerkennen, so müssen wir doch
erwarten, daß auch die aufständischen Polen
die Demarkationslinien einhalten, anderen¬
falls müssen wir befugt sein, uns mit Waffen¬
gewalt zur Wehr zu setzen. . . .

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Erzbergers Erklärung. In der Sitzung
der Nationalversammlung vom 17. Februar
äußerte sich Reichsminister Erzberger über die
Demarkationsfrage wie folgt:

"Gleichzeitig ließ Marschall Fons uns
wissen, daß er nicht in der Lage sei, irgend
etwas an den mir mitgeteilten Abmachungen
zu ändern oder sie zu verbreitern, denn die
Bedingungen seien festgesetzt von den Chefs
der alliierten und assoziierten Regierungen,
und sein Dolmetscheroffizier teilte ausdrücklich
mit, daß auch Präsident Wilson ausdrücklich
diese Bedingungen genehmigt habe. Dadurch
war dem Tätigkeitsraum der Kommission eine
enge Grenze gezogen, trotzdem haben wir
versucht, eine Reihe von Milderungen durch¬
zusetzen. Von einer Ausnahme abgesehen,
die sich auf eine anderweitige Abgrenzung
gegenüber Polen bezieht, ist uns dies zu
unserm lebhaften Bedauern nicht gelungen.
Nach den nrir am Freitagnachmittag über¬
reichten Bedingungen und nach der Karte,
die ich auf den Tisch des Hauses niederlege,
sollte das von uns zu räumende resp, nicht
zu überschreitende Gebiet im Süden, die
Oder entlanggehend, ganz Oberschlesien um¬
fassen. Ich habe sofort erklärt, daß auf der
Grundlage dieser Vorschläge von den deutschen
Unterhändlern nicht verhandelt werden könne,
denn alle diese Gebiete seien nicht, wie Mar¬
schall Fons irrtümlich annehme, von den
Polen besetzt. Es fand eine Aussprache der
beiderseitigen militärischen Sachverständigen
statt, die dazu geführt hat, daß sowohl der
Netzedistrikt bei Bromberg nicht in dos Gebiet
einbezogen wird, als auch Oberschlesien aus
dem Gebiete ausgeschaltet bleibt. Mehr war
angesichts der Verhältnisse nicht zu erreichen.
Die Forderung, daß die deutsche Stadt Birn¬
baum nicht von uns geräumt werden müsse,
wurde abgelehnt, ebenso bezüglich Benlschens.
Wir haben nur das eine erreicht, daß der
Bahnhof Berthchen von unseren Truppen nicht
geräumt werden muß. Die Alliierten haben
ihrerseits die Verpflichtung übernommen, zu
gewährleisten, daß auch die Polen sich stritte
an die verabredete Linie halten sollen. Die
Bemühungen, zum Schutze der Deutschen in
allen diesen Gebieten Bestimmungen in den
WaffenstillstcindSverlrag aufzunehmen, waren
erfolglos. Fons hat nur in Aussicht gestellt,

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Aus den Deutschen Volksräten

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Einspruch Ker deutschen Reichsregicrnng.
Eine vom Neichsminister Schoidemann unter¬
zeichnete Mitteilung der Neichsregierung an
den Neichsminister Erzberger, Waffenstill¬
standskommission in Trier (vom 16, Fevruar)
behandelt die Polenfrage wie folgt:

Bitte Abkommen unterzeichnen, aber vor¬
her Marschall Fons folgende schriftliche Er¬
klärung übergeben:

Die deutsche Negierung ist sich der Schwere
der Folgen bewußt, die sowohl die Annahme
wie die Ablehnung des Abkommens nach sich
ziehen, müßte. Wenn sie ihre Delegierten
angewiesen hat, zu unterzeichnen, so geschah
dies in der Überzeugung, daß die alliierien
und assoziierten Regierungen jetzt ernstlich
bestrebt sind, innerhalb der kurzen Frist, für
die sie den Waffenstillstand verlängert haben,
der Welt den ersehnten Frieden wiederzugeben.
Die deutsche Negierung ist aber genötigt, ihren
Standpunkt zu den dreiBedingungen desAbkom-
mens durch folgende Bemerkungen klarzustellen:

1. Das Abkommen ignoriert die aus dem
Volkswillen in geordneten Formen hervor¬
gegangene deutsche Regierung. Es legt den
Deutschen in Form schroffer Befehle und Ver¬
bote zugunsten der aufständischen Polen die
Pflicht aus, eine Anzahl wichtiger Plätze, dar¬
unter Birnbaum und Berthchen, ohne weiteres
zu räumen. Diese Plätze sind in deutscher
Hand, überwiegend deutsch besiedelt und von
wesentlicher Bedeutung für den Verkehr mit
dem deutschen Osten. Dabei leisten die alli¬
ierten und assoziierten Mächte nicht einmal
die Gewähr dafür, daß die Polen es ihrer¬
seits unterlassen, neue Angrisse zu unternehmen
oder vorzubereiten, daß sie die deutsche Be¬
völkerung, auf deren Schutz wir verzichten
sollen, menschenwürdig behandeln, daß sie die
deutschen Geiseln freigeben, deren Festhaltung
jetzt jeden Sinn verliert, und daß sie den
bisherigen Lebensmittelverkehr nach dem
Westen hin aufrechterhalten. Wenn wir auch
bereit sind, jede militärische Angriffshandlung
in Posen und anderen Gebieten einzustellen
und die gegenwärtige militärische Lage dort
als Basis anzuerkennen, so müssen wir doch
erwarten, daß auch die aufständischen Polen
die Demarkationslinien einhalten, anderen¬
falls müssen wir befugt sein, uns mit Waffen¬
gewalt zur Wehr zu setzen. . . .

[Spaltenumbruch]

Erzbergers Erklärung. In der Sitzung
der Nationalversammlung vom 17. Februar
äußerte sich Reichsminister Erzberger über die
Demarkationsfrage wie folgt:

„Gleichzeitig ließ Marschall Fons uns
wissen, daß er nicht in der Lage sei, irgend
etwas an den mir mitgeteilten Abmachungen
zu ändern oder sie zu verbreitern, denn die
Bedingungen seien festgesetzt von den Chefs
der alliierten und assoziierten Regierungen,
und sein Dolmetscheroffizier teilte ausdrücklich
mit, daß auch Präsident Wilson ausdrücklich
diese Bedingungen genehmigt habe. Dadurch
war dem Tätigkeitsraum der Kommission eine
enge Grenze gezogen, trotzdem haben wir
versucht, eine Reihe von Milderungen durch¬
zusetzen. Von einer Ausnahme abgesehen,
die sich auf eine anderweitige Abgrenzung
gegenüber Polen bezieht, ist uns dies zu
unserm lebhaften Bedauern nicht gelungen.
Nach den nrir am Freitagnachmittag über¬
reichten Bedingungen und nach der Karte,
die ich auf den Tisch des Hauses niederlege,
sollte das von uns zu räumende resp, nicht
zu überschreitende Gebiet im Süden, die
Oder entlanggehend, ganz Oberschlesien um¬
fassen. Ich habe sofort erklärt, daß auf der
Grundlage dieser Vorschläge von den deutschen
Unterhändlern nicht verhandelt werden könne,
denn alle diese Gebiete seien nicht, wie Mar¬
schall Fons irrtümlich annehme, von den
Polen besetzt. Es fand eine Aussprache der
beiderseitigen militärischen Sachverständigen
statt, die dazu geführt hat, daß sowohl der
Netzedistrikt bei Bromberg nicht in dos Gebiet
einbezogen wird, als auch Oberschlesien aus
dem Gebiete ausgeschaltet bleibt. Mehr war
angesichts der Verhältnisse nicht zu erreichen.
Die Forderung, daß die deutsche Stadt Birn¬
baum nicht von uns geräumt werden müsse,
wurde abgelehnt, ebenso bezüglich Benlschens.
Wir haben nur das eine erreicht, daß der
Bahnhof Berthchen von unseren Truppen nicht
geräumt werden muß. Die Alliierten haben
ihrerseits die Verpflichtung übernommen, zu
gewährleisten, daß auch die Polen sich stritte
an die verabredete Linie halten sollen. Die
Bemühungen, zum Schutze der Deutschen in
allen diesen Gebieten Bestimmungen in den
WaffenstillstcindSverlrag aufzunehmen, waren
erfolglos. Fons hat nur in Aussicht gestellt,

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[0344] Aus den Deutschen Volksräten Einspruch Ker deutschen Reichsregicrnng. Eine vom Neichsminister Schoidemann unter¬ zeichnete Mitteilung der Neichsregierung an den Neichsminister Erzberger, Waffenstill¬ standskommission in Trier (vom 16, Fevruar) behandelt die Polenfrage wie folgt: Bitte Abkommen unterzeichnen, aber vor¬ her Marschall Fons folgende schriftliche Er¬ klärung übergeben: Die deutsche Negierung ist sich der Schwere der Folgen bewußt, die sowohl die Annahme wie die Ablehnung des Abkommens nach sich ziehen, müßte. Wenn sie ihre Delegierten angewiesen hat, zu unterzeichnen, so geschah dies in der Überzeugung, daß die alliierien und assoziierten Regierungen jetzt ernstlich bestrebt sind, innerhalb der kurzen Frist, für die sie den Waffenstillstand verlängert haben, der Welt den ersehnten Frieden wiederzugeben. Die deutsche Negierung ist aber genötigt, ihren Standpunkt zu den dreiBedingungen desAbkom- mens durch folgende Bemerkungen klarzustellen: 1. Das Abkommen ignoriert die aus dem Volkswillen in geordneten Formen hervor¬ gegangene deutsche Regierung. Es legt den Deutschen in Form schroffer Befehle und Ver¬ bote zugunsten der aufständischen Polen die Pflicht aus, eine Anzahl wichtiger Plätze, dar¬ unter Birnbaum und Berthchen, ohne weiteres zu räumen. Diese Plätze sind in deutscher Hand, überwiegend deutsch besiedelt und von wesentlicher Bedeutung für den Verkehr mit dem deutschen Osten. Dabei leisten die alli¬ ierten und assoziierten Mächte nicht einmal die Gewähr dafür, daß die Polen es ihrer¬ seits unterlassen, neue Angrisse zu unternehmen oder vorzubereiten, daß sie die deutsche Be¬ völkerung, auf deren Schutz wir verzichten sollen, menschenwürdig behandeln, daß sie die deutschen Geiseln freigeben, deren Festhaltung jetzt jeden Sinn verliert, und daß sie den bisherigen Lebensmittelverkehr nach dem Westen hin aufrechterhalten. Wenn wir auch bereit sind, jede militärische Angriffshandlung in Posen und anderen Gebieten einzustellen und die gegenwärtige militärische Lage dort als Basis anzuerkennen, so müssen wir doch erwarten, daß auch die aufständischen Polen die Demarkationslinien einhalten, anderen¬ falls müssen wir befugt sein, uns mit Waffen¬ gewalt zur Wehr zu setzen. . . . Erzbergers Erklärung. In der Sitzung der Nationalversammlung vom 17. Februar äußerte sich Reichsminister Erzberger über die Demarkationsfrage wie folgt: „Gleichzeitig ließ Marschall Fons uns wissen, daß er nicht in der Lage sei, irgend etwas an den mir mitgeteilten Abmachungen zu ändern oder sie zu verbreitern, denn die Bedingungen seien festgesetzt von den Chefs der alliierten und assoziierten Regierungen, und sein Dolmetscheroffizier teilte ausdrücklich mit, daß auch Präsident Wilson ausdrücklich diese Bedingungen genehmigt habe. Dadurch war dem Tätigkeitsraum der Kommission eine enge Grenze gezogen, trotzdem haben wir versucht, eine Reihe von Milderungen durch¬ zusetzen. Von einer Ausnahme abgesehen, die sich auf eine anderweitige Abgrenzung gegenüber Polen bezieht, ist uns dies zu unserm lebhaften Bedauern nicht gelungen. Nach den nrir am Freitagnachmittag über¬ reichten Bedingungen und nach der Karte, die ich auf den Tisch des Hauses niederlege, sollte das von uns zu räumende resp, nicht zu überschreitende Gebiet im Süden, die Oder entlanggehend, ganz Oberschlesien um¬ fassen. Ich habe sofort erklärt, daß auf der Grundlage dieser Vorschläge von den deutschen Unterhändlern nicht verhandelt werden könne, denn alle diese Gebiete seien nicht, wie Mar¬ schall Fons irrtümlich annehme, von den Polen besetzt. Es fand eine Aussprache der beiderseitigen militärischen Sachverständigen statt, die dazu geführt hat, daß sowohl der Netzedistrikt bei Bromberg nicht in dos Gebiet einbezogen wird, als auch Oberschlesien aus dem Gebiete ausgeschaltet bleibt. Mehr war angesichts der Verhältnisse nicht zu erreichen. Die Forderung, daß die deutsche Stadt Birn¬ baum nicht von uns geräumt werden müsse, wurde abgelehnt, ebenso bezüglich Benlschens. Wir haben nur das eine erreicht, daß der Bahnhof Berthchen von unseren Truppen nicht geräumt werden muß. Die Alliierten haben ihrerseits die Verpflichtung übernommen, zu gewährleisten, daß auch die Polen sich stritte an die verabredete Linie halten sollen. Die Bemühungen, zum Schutze der Deutschen in allen diesen Gebieten Bestimmungen in den WaffenstillstcindSverlrag aufzunehmen, waren erfolglos. Fons hat nur in Aussicht gestellt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/344>, abgerufen am 15.05.2024.