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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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kationsproblem bereits im Jahre 1348 ge¬
macht hat und fährt dann fort:

Daß wir aus militärischen Gründen auf
die Festung Posen ohne schwerste Bedrohung
der Reichshauptstadt nicht verzichten können,
ist selbst von linksstehender Seite offen zu¬
gegeben worden, die 1843 sowohl wie jetzt
sür die nationalen Interessen des ostmärkischen
Deutschtums ein verblüff nid geringes Ver¬
ständnis gezeigt hat. Daß der Netzedistrikt
und die Westposener Kreise trotz ihres Pol¬
nischen Einschlages nach Kultur und Wirt¬
schaft, mit dem Präsidenten Wilson zu reden,
unzweifelhaft deutschen Charakter tragen,
kann kein Kenner der Verhältnisse leugnen.
Da wir aber überhaupt in der Provinz
Posen von Polen nicht viel mehr als das
nackte Land überkommen haben, da mit den
führenden Schichten zugleich alles, was auf
diesem Boden gebaut, was in ihn gesenkt
und gepflanzt ist, unermüdlichem deutschem
Erfindungsgeist, zähem deutschem Fleiße, nicht
zum geringen Teile auch der Initiative der
preußischen Krone Dasein, Blüte und Ge¬
deihen verdankt, ist jeder polnische Versuch,
Teile der Provinz Posen in ihrem heutigen
konkreten Bestände als "geraubten Teil" des
verlotterten alten Polenstaates von ehedem
zu reklamieren, als Versuch grober Täuschung
und brutaler Vergewaltigung anzusprechen.

Worauf die Polen im Preußischen Staate,
also diesseits so gut wie jenseits der heute
vorgeschlagenen Demarkationslinie, einen
wohlgegründeten Anspruch haben, ist eine
weitgehende kulturelle Autonomie und eine
weilherzige Berücksichtigung ihrer nationalen
Eigenart. Der loyalsten Berücksichtigung
dieser Ansprüche können sie im neuen demo¬
kratischen Preußen und Deutschland sicher
sein. Alles, was darüber hinausgeht, ist
ein schmählicher Versuch, die gegenwärtige
politische Ohnmacht Deutschlands zu gewalt¬
samen Gebiets-Neuregelungen auszunutzen,
die die Gewähr der Dauer nicht in sich
tragen, sondern mit Naturnotwendigkeit zu
dauernden politischen Verwicklungen und
damit zu einer schweren Gefährdung des
europäischen Friedens führen müssen. Weit
entfernt auch nur dem Wortlaute des
Wilsonsprograinms zu entsprechen, laufen
die allein durch das rachsüchtige Frankreich

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gestützten Ansprüche der preußischen Polen
auch dem Geiste dieses Programms auf das
tiefste zuwider.

Unter der Überschrift: "Ein Bündnis mit
Polen -- das Gebot der Stunde" bringt
die "Germania" in Ur. 73 vom 14. Februar
aus Parlamentarischen Kreisen eine Zuschrift,
in der der Verfasser den Gedanken bekämpft,
daß Preußen und Polen grundsätzlich und
historisch Feinde seien, und in der er zu dem
Schluß kommt, daß nur ein Bündnis der
beiden Länder sie vor der gemeinsamen Ge¬
fahr retten könnte, in der sie in diesem Augen¬
blicke schweben.

Der Verfasser setzt auseinander, daß die
feindliche ' Stimmung, die Polen gegen
Deutschland beseele, aus der Hakatistischen
Politik, dem "Kulturkampf" und der Aus¬
rottungspolitik Preußens entstanden sei, und
daß die Militärverwaltung während des
Krieges in Polen nichts getan habe, um
diese Stimmung zu heben. Von einer Be¬
freiung Polens könne keine Rede sein, im
Gegenteil sei das alte System der Polenbe¬
kämpfung nur wieder aufgefrischt worden.
Der Schreiber der Zuschrift benutzt nun die
Gelegenheit derVerhandlungen des Preußischen
Ministeriums mit den Polenführern, um
beiden folgende Mahnung zuzurufen:

"Die Entscheidung mit den Waffen zu
suchen, liegt weder im Interesse Deutschlands,
noch Polens. Beide Länder haden unendlich
durch den Krieg gelitten und müssen an ihren
inneren Aufbau denken. In beiden Ländern
herrschen zurzeit wüste Parteikämpfe und
beide Länder sind von den russischen Bol-
schewiki bedroht. Eine möglichst baldige
Verständigung zwischen Preußen und Polen
ist deshalb dringend geboten. Und sie ist
nicht aussichtslos. Die Polen sollten doch
bedenken, daß die von unseren damaligen
Machthabern betriebene Gewaltpolitik der
H katisien nicht dem Willen des weitaus
größten Teiles des deutschen Volkes ent¬
sprochen hat. Wenn diese Erkenntnis sich
vollzieht und dann der wohlverstündige Haß
gegen die Deutschen ruhigen und vernünftigen
Erwägungen Platz machen kann, dann wage
ich im Nevolulionsjahr 1919 mit einem
ähnlichen Vorschlag hervorzutreten, wie der
Von mir am Anfang dieses Aufsatzes er-

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kationsproblem bereits im Jahre 1348 ge¬
macht hat und fährt dann fort:

Daß wir aus militärischen Gründen auf
die Festung Posen ohne schwerste Bedrohung
der Reichshauptstadt nicht verzichten können,
ist selbst von linksstehender Seite offen zu¬
gegeben worden, die 1843 sowohl wie jetzt
sür die nationalen Interessen des ostmärkischen
Deutschtums ein verblüff nid geringes Ver¬
ständnis gezeigt hat. Daß der Netzedistrikt
und die Westposener Kreise trotz ihres Pol¬
nischen Einschlages nach Kultur und Wirt¬
schaft, mit dem Präsidenten Wilson zu reden,
unzweifelhaft deutschen Charakter tragen,
kann kein Kenner der Verhältnisse leugnen.
Da wir aber überhaupt in der Provinz
Posen von Polen nicht viel mehr als das
nackte Land überkommen haben, da mit den
führenden Schichten zugleich alles, was auf
diesem Boden gebaut, was in ihn gesenkt
und gepflanzt ist, unermüdlichem deutschem
Erfindungsgeist, zähem deutschem Fleiße, nicht
zum geringen Teile auch der Initiative der
preußischen Krone Dasein, Blüte und Ge¬
deihen verdankt, ist jeder polnische Versuch,
Teile der Provinz Posen in ihrem heutigen
konkreten Bestände als „geraubten Teil" des
verlotterten alten Polenstaates von ehedem
zu reklamieren, als Versuch grober Täuschung
und brutaler Vergewaltigung anzusprechen.

Worauf die Polen im Preußischen Staate,
also diesseits so gut wie jenseits der heute
vorgeschlagenen Demarkationslinie, einen
wohlgegründeten Anspruch haben, ist eine
weitgehende kulturelle Autonomie und eine
weilherzige Berücksichtigung ihrer nationalen
Eigenart. Der loyalsten Berücksichtigung
dieser Ansprüche können sie im neuen demo¬
kratischen Preußen und Deutschland sicher
sein. Alles, was darüber hinausgeht, ist
ein schmählicher Versuch, die gegenwärtige
politische Ohnmacht Deutschlands zu gewalt¬
samen Gebiets-Neuregelungen auszunutzen,
die die Gewähr der Dauer nicht in sich
tragen, sondern mit Naturnotwendigkeit zu
dauernden politischen Verwicklungen und
damit zu einer schweren Gefährdung des
europäischen Friedens führen müssen. Weit
entfernt auch nur dem Wortlaute des
Wilsonsprograinms zu entsprechen, laufen
die allein durch das rachsüchtige Frankreich

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gestützten Ansprüche der preußischen Polen
auch dem Geiste dieses Programms auf das
tiefste zuwider.

Unter der Überschrift: „Ein Bündnis mit
Polen — das Gebot der Stunde" bringt
die „Germania" in Ur. 73 vom 14. Februar
aus Parlamentarischen Kreisen eine Zuschrift,
in der der Verfasser den Gedanken bekämpft,
daß Preußen und Polen grundsätzlich und
historisch Feinde seien, und in der er zu dem
Schluß kommt, daß nur ein Bündnis der
beiden Länder sie vor der gemeinsamen Ge¬
fahr retten könnte, in der sie in diesem Augen¬
blicke schweben.

Der Verfasser setzt auseinander, daß die
feindliche ' Stimmung, die Polen gegen
Deutschland beseele, aus der Hakatistischen
Politik, dem „Kulturkampf" und der Aus¬
rottungspolitik Preußens entstanden sei, und
daß die Militärverwaltung während des
Krieges in Polen nichts getan habe, um
diese Stimmung zu heben. Von einer Be¬
freiung Polens könne keine Rede sein, im
Gegenteil sei das alte System der Polenbe¬
kämpfung nur wieder aufgefrischt worden.
Der Schreiber der Zuschrift benutzt nun die
Gelegenheit derVerhandlungen des Preußischen
Ministeriums mit den Polenführern, um
beiden folgende Mahnung zuzurufen:

„Die Entscheidung mit den Waffen zu
suchen, liegt weder im Interesse Deutschlands,
noch Polens. Beide Länder haden unendlich
durch den Krieg gelitten und müssen an ihren
inneren Aufbau denken. In beiden Ländern
herrschen zurzeit wüste Parteikämpfe und
beide Länder sind von den russischen Bol-
schewiki bedroht. Eine möglichst baldige
Verständigung zwischen Preußen und Polen
ist deshalb dringend geboten. Und sie ist
nicht aussichtslos. Die Polen sollten doch
bedenken, daß die von unseren damaligen
Machthabern betriebene Gewaltpolitik der
H katisien nicht dem Willen des weitaus
größten Teiles des deutschen Volkes ent¬
sprochen hat. Wenn diese Erkenntnis sich
vollzieht und dann der wohlverstündige Haß
gegen die Deutschen ruhigen und vernünftigen
Erwägungen Platz machen kann, dann wage
ich im Nevolulionsjahr 1919 mit einem
ähnlichen Vorschlag hervorzutreten, wie der
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[0355] Pressestimmen kationsproblem bereits im Jahre 1348 ge¬ macht hat und fährt dann fort: Daß wir aus militärischen Gründen auf die Festung Posen ohne schwerste Bedrohung der Reichshauptstadt nicht verzichten können, ist selbst von linksstehender Seite offen zu¬ gegeben worden, die 1843 sowohl wie jetzt sür die nationalen Interessen des ostmärkischen Deutschtums ein verblüff nid geringes Ver¬ ständnis gezeigt hat. Daß der Netzedistrikt und die Westposener Kreise trotz ihres Pol¬ nischen Einschlages nach Kultur und Wirt¬ schaft, mit dem Präsidenten Wilson zu reden, unzweifelhaft deutschen Charakter tragen, kann kein Kenner der Verhältnisse leugnen. Da wir aber überhaupt in der Provinz Posen von Polen nicht viel mehr als das nackte Land überkommen haben, da mit den führenden Schichten zugleich alles, was auf diesem Boden gebaut, was in ihn gesenkt und gepflanzt ist, unermüdlichem deutschem Erfindungsgeist, zähem deutschem Fleiße, nicht zum geringen Teile auch der Initiative der preußischen Krone Dasein, Blüte und Ge¬ deihen verdankt, ist jeder polnische Versuch, Teile der Provinz Posen in ihrem heutigen konkreten Bestände als „geraubten Teil" des verlotterten alten Polenstaates von ehedem zu reklamieren, als Versuch grober Täuschung und brutaler Vergewaltigung anzusprechen. Worauf die Polen im Preußischen Staate, also diesseits so gut wie jenseits der heute vorgeschlagenen Demarkationslinie, einen wohlgegründeten Anspruch haben, ist eine weitgehende kulturelle Autonomie und eine weilherzige Berücksichtigung ihrer nationalen Eigenart. Der loyalsten Berücksichtigung dieser Ansprüche können sie im neuen demo¬ kratischen Preußen und Deutschland sicher sein. Alles, was darüber hinausgeht, ist ein schmählicher Versuch, die gegenwärtige politische Ohnmacht Deutschlands zu gewalt¬ samen Gebiets-Neuregelungen auszunutzen, die die Gewähr der Dauer nicht in sich tragen, sondern mit Naturnotwendigkeit zu dauernden politischen Verwicklungen und damit zu einer schweren Gefährdung des europäischen Friedens führen müssen. Weit entfernt auch nur dem Wortlaute des Wilsonsprograinms zu entsprechen, laufen die allein durch das rachsüchtige Frankreich gestützten Ansprüche der preußischen Polen auch dem Geiste dieses Programms auf das tiefste zuwider. Unter der Überschrift: „Ein Bündnis mit Polen — das Gebot der Stunde" bringt die „Germania" in Ur. 73 vom 14. Februar aus Parlamentarischen Kreisen eine Zuschrift, in der der Verfasser den Gedanken bekämpft, daß Preußen und Polen grundsätzlich und historisch Feinde seien, und in der er zu dem Schluß kommt, daß nur ein Bündnis der beiden Länder sie vor der gemeinsamen Ge¬ fahr retten könnte, in der sie in diesem Augen¬ blicke schweben. Der Verfasser setzt auseinander, daß die feindliche ' Stimmung, die Polen gegen Deutschland beseele, aus der Hakatistischen Politik, dem „Kulturkampf" und der Aus¬ rottungspolitik Preußens entstanden sei, und daß die Militärverwaltung während des Krieges in Polen nichts getan habe, um diese Stimmung zu heben. Von einer Be¬ freiung Polens könne keine Rede sein, im Gegenteil sei das alte System der Polenbe¬ kämpfung nur wieder aufgefrischt worden. Der Schreiber der Zuschrift benutzt nun die Gelegenheit derVerhandlungen des Preußischen Ministeriums mit den Polenführern, um beiden folgende Mahnung zuzurufen: „Die Entscheidung mit den Waffen zu suchen, liegt weder im Interesse Deutschlands, noch Polens. Beide Länder haden unendlich durch den Krieg gelitten und müssen an ihren inneren Aufbau denken. In beiden Ländern herrschen zurzeit wüste Parteikämpfe und beide Länder sind von den russischen Bol- schewiki bedroht. Eine möglichst baldige Verständigung zwischen Preußen und Polen ist deshalb dringend geboten. Und sie ist nicht aussichtslos. Die Polen sollten doch bedenken, daß die von unseren damaligen Machthabern betriebene Gewaltpolitik der H katisien nicht dem Willen des weitaus größten Teiles des deutschen Volkes ent¬ sprochen hat. Wenn diese Erkenntnis sich vollzieht und dann der wohlverstündige Haß gegen die Deutschen ruhigen und vernünftigen Erwägungen Platz machen kann, dann wage ich im Nevolulionsjahr 1919 mit einem ähnlichen Vorschlag hervorzutreten, wie der Von mir am Anfang dieses Aufsatzes er- 2»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/355>, abgerufen am 15.05.2024.