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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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aus den beiden Bezirken des Großherzogtums
Warschau, Posen und Bromberg gebildet,"
heißt es in der Denkschrift:

"Das Großhorzogtum Posen umfaßt
27 Kreise; von diesen haben 18 polnische
Bevölkerung in Höhe von 75 Prozent,
während in den übrigen 6 Kreisen die polni¬
sche Bevölkerung mehr als 60 Prozent der
Gosamtbevölkerung ausmacht und in den drei
letzten Kreisen weniger als 80 Prozent
beträgt. Das Großherzogtum Posen kann
demnach mit vollem Recht als ein über¬
wiegend polnisches Gebiet angesehen und
in seiner Gesamtheit Großpolen zugeteilt
werden."

Die in dieser Darstellung liegende Irre¬
führung des unbefangenen Lesers übersteigt
denn doch das Erlaubte. Der nicht die
Einzelheiten beherrschende Leser muß natür¬
lich glauben, daß die Anführungen über die
27 Kreise und deren Nationalität die ganze
Provinz Posen umfassen/ und er muß zu der
Ausfassung kommen, daß das über den
nationalen Charakter der Provinz Posen
ausgesprochene Urteil, rein zahlenmäßig be¬
trachtet, eine gewisse Berechtigung habe.
Ju^ Wirklichkeit sind aber nur diejenigen
Kreise, die zum Regierungsbezirk Posen ge¬
hören, berücksichtigt, die den Polen ungünsti¬
gen Nationnlitätsverhältnisse des Bezirks
Bromberg werden einfach verschwiegen, weil
deren Miteinbeziehung den schönen Schluß
"daß das Großherzogtum Posen mit vollem
Recht als überwiegend polnisches Gebiet an¬
gesehen und in seiner Gesamtheit Großpolen
zugeteilt werden müsse," sehr unangenehm
stört.

Der Netzedistrikt war schon während des
Bestehens des polnischen Reiches dank der
ganz besonders intensiven Besiedelung seiner
Städte und Dorffluren durch deutsche Kolo¬
nisten der deutschen Kultur gewonnen. Es
war daher auch innerlich begründet, daß,
als Preußen 1772 bei der ersten Teilung
Polens Westpreußen erwarb, auch der Nstze-
distrikt gleichzeitig mit Westpreußen zu
Preußen kam, während der Posener Bezirk
zu "Südpreußen" erst bei der zweiten Teilung
Polens, 1793, also erst 21 Jahre später, von
Preußen hinzuerworben wurde. Und diesen

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deutschen Charakter hat der Netzedistrikt auch
weiter immer behalten. Das deutsche Bürger¬
tum und Bauerntum im Netzedistrikt durfte
sich dabei von den ersten Jahren seiner Zu¬
gehörigkeit zu Preußen an, wo Friedrich der
Große mit der ungeheuren Tatkraft feiner
Staatskunst binnen weniger als 2 Jahren
durch den Bromberger Kanal die Wasser¬
verbindung zwischen Oder und Weichsel schuf,
bis in die Gegenwart hinein der besonderen
Unterstützung des Preußischen Staates er¬
freuen. Der Bromberger Bezirk war und-
blieb so bis in die Gegenwart stets der Hort
des Deutschtums in der Provinz Posen.
Vor allem war die schöne Stadt Bromberg
mit ihren 86 Prozent Deutschen stets ein be¬
sonderes Kleinod des Deutschtums.

Aber auch der ganze übrige Netzedistcikt
ist ganz und gar deutsch geblieben, und zwar
selbst nach den reinen Einwohnerzahlen, in
denen sich natürlich das kulturelle Übergewicht
der deutschen Kultur gegenüber den die
unterste Bevölkerungsschicht bildenden Polen
nicht ausdrückt.

Man muß dabei zur richtigen Beurteilung
zurückgehen auf die alten Grenzen des Netze¬
distrikts, die sich mit dem Regierungsbezirk
Bromberg nicht ganz decken- Die einzelnen
Kreise des Netzedistrikts -- die nur mit
einem kleineren Teile ihres Gebietes zum
alten Netzedistrikt gehörenden Kreise sind da¬
bei nicht berücksichtigt -- enthielten 1910:

Bromberg Stadt . 82,3 Proz. Deutsche
Bromberg Land . 62,2 " "
Wirsitz .... 61,3 "
Charnikau . . . 71,2 " "
Filehne . . . , 70,2 "
Kolmar .... 8t,3 " "
Hohensalza . . . 36,9 " "
Strelno .... 19,9 " "
Schubin .... 44,6 " "
Deutsch-Krone . . 93,6 " "
Flntow .... 72,8 " "

und der Gesamtbezirk 63,4 Proz. Deutsche.

Dadurch, daß aus Gründen der Ver¬
waltung der Regierungsbezirk Bromberg
anders abgegrenzt wurde, indem im Norden
die jetzt westpreußischen Kreise Deutsch-Krone
und Flatow, die fast ganz deutsch sind, ab¬
gezweigt und im Süden eine ganze Reihe

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aus den beiden Bezirken des Großherzogtums
Warschau, Posen und Bromberg gebildet,"
heißt es in der Denkschrift:

„Das Großhorzogtum Posen umfaßt
27 Kreise; von diesen haben 18 polnische
Bevölkerung in Höhe von 75 Prozent,
während in den übrigen 6 Kreisen die polni¬
sche Bevölkerung mehr als 60 Prozent der
Gosamtbevölkerung ausmacht und in den drei
letzten Kreisen weniger als 80 Prozent
beträgt. Das Großherzogtum Posen kann
demnach mit vollem Recht als ein über¬
wiegend polnisches Gebiet angesehen und
in seiner Gesamtheit Großpolen zugeteilt
werden."

Die in dieser Darstellung liegende Irre¬
führung des unbefangenen Lesers übersteigt
denn doch das Erlaubte. Der nicht die
Einzelheiten beherrschende Leser muß natür¬
lich glauben, daß die Anführungen über die
27 Kreise und deren Nationalität die ganze
Provinz Posen umfassen/ und er muß zu der
Ausfassung kommen, daß das über den
nationalen Charakter der Provinz Posen
ausgesprochene Urteil, rein zahlenmäßig be¬
trachtet, eine gewisse Berechtigung habe.
Ju^ Wirklichkeit sind aber nur diejenigen
Kreise, die zum Regierungsbezirk Posen ge¬
hören, berücksichtigt, die den Polen ungünsti¬
gen Nationnlitätsverhältnisse des Bezirks
Bromberg werden einfach verschwiegen, weil
deren Miteinbeziehung den schönen Schluß
„daß das Großherzogtum Posen mit vollem
Recht als überwiegend polnisches Gebiet an¬
gesehen und in seiner Gesamtheit Großpolen
zugeteilt werden müsse," sehr unangenehm
stört.

Der Netzedistrikt war schon während des
Bestehens des polnischen Reiches dank der
ganz besonders intensiven Besiedelung seiner
Städte und Dorffluren durch deutsche Kolo¬
nisten der deutschen Kultur gewonnen. Es
war daher auch innerlich begründet, daß,
als Preußen 1772 bei der ersten Teilung
Polens Westpreußen erwarb, auch der Nstze-
distrikt gleichzeitig mit Westpreußen zu
Preußen kam, während der Posener Bezirk
zu „Südpreußen" erst bei der zweiten Teilung
Polens, 1793, also erst 21 Jahre später, von
Preußen hinzuerworben wurde. Und diesen

[Spaltenumbruch]

deutschen Charakter hat der Netzedistrikt auch
weiter immer behalten. Das deutsche Bürger¬
tum und Bauerntum im Netzedistrikt durfte
sich dabei von den ersten Jahren seiner Zu¬
gehörigkeit zu Preußen an, wo Friedrich der
Große mit der ungeheuren Tatkraft feiner
Staatskunst binnen weniger als 2 Jahren
durch den Bromberger Kanal die Wasser¬
verbindung zwischen Oder und Weichsel schuf,
bis in die Gegenwart hinein der besonderen
Unterstützung des Preußischen Staates er¬
freuen. Der Bromberger Bezirk war und-
blieb so bis in die Gegenwart stets der Hort
des Deutschtums in der Provinz Posen.
Vor allem war die schöne Stadt Bromberg
mit ihren 86 Prozent Deutschen stets ein be¬
sonderes Kleinod des Deutschtums.

Aber auch der ganze übrige Netzedistcikt
ist ganz und gar deutsch geblieben, und zwar
selbst nach den reinen Einwohnerzahlen, in
denen sich natürlich das kulturelle Übergewicht
der deutschen Kultur gegenüber den die
unterste Bevölkerungsschicht bildenden Polen
nicht ausdrückt.

Man muß dabei zur richtigen Beurteilung
zurückgehen auf die alten Grenzen des Netze¬
distrikts, die sich mit dem Regierungsbezirk
Bromberg nicht ganz decken- Die einzelnen
Kreise des Netzedistrikts — die nur mit
einem kleineren Teile ihres Gebietes zum
alten Netzedistrikt gehörenden Kreise sind da¬
bei nicht berücksichtigt — enthielten 1910:

Bromberg Stadt . 82,3 Proz. Deutsche
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Schubin .... 44,6 „ „
Deutsch-Krone . . 93,6 „ „
Flntow .... 72,8 „ „

und der Gesamtbezirk 63,4 Proz. Deutsche.

Dadurch, daß aus Gründen der Ver¬
waltung der Regierungsbezirk Bromberg
anders abgegrenzt wurde, indem im Norden
die jetzt westpreußischen Kreise Deutsch-Krone
und Flatow, die fast ganz deutsch sind, ab¬
gezweigt und im Süden eine ganze Reihe

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[0412] Materialien zur ostdeutschen F^ge aus den beiden Bezirken des Großherzogtums Warschau, Posen und Bromberg gebildet," heißt es in der Denkschrift: „Das Großhorzogtum Posen umfaßt 27 Kreise; von diesen haben 18 polnische Bevölkerung in Höhe von 75 Prozent, während in den übrigen 6 Kreisen die polni¬ sche Bevölkerung mehr als 60 Prozent der Gosamtbevölkerung ausmacht und in den drei letzten Kreisen weniger als 80 Prozent beträgt. Das Großherzogtum Posen kann demnach mit vollem Recht als ein über¬ wiegend polnisches Gebiet angesehen und in seiner Gesamtheit Großpolen zugeteilt werden." Die in dieser Darstellung liegende Irre¬ führung des unbefangenen Lesers übersteigt denn doch das Erlaubte. Der nicht die Einzelheiten beherrschende Leser muß natür¬ lich glauben, daß die Anführungen über die 27 Kreise und deren Nationalität die ganze Provinz Posen umfassen/ und er muß zu der Ausfassung kommen, daß das über den nationalen Charakter der Provinz Posen ausgesprochene Urteil, rein zahlenmäßig be¬ trachtet, eine gewisse Berechtigung habe. Ju^ Wirklichkeit sind aber nur diejenigen Kreise, die zum Regierungsbezirk Posen ge¬ hören, berücksichtigt, die den Polen ungünsti¬ gen Nationnlitätsverhältnisse des Bezirks Bromberg werden einfach verschwiegen, weil deren Miteinbeziehung den schönen Schluß „daß das Großherzogtum Posen mit vollem Recht als überwiegend polnisches Gebiet an¬ gesehen und in seiner Gesamtheit Großpolen zugeteilt werden müsse," sehr unangenehm stört. Der Netzedistrikt war schon während des Bestehens des polnischen Reiches dank der ganz besonders intensiven Besiedelung seiner Städte und Dorffluren durch deutsche Kolo¬ nisten der deutschen Kultur gewonnen. Es war daher auch innerlich begründet, daß, als Preußen 1772 bei der ersten Teilung Polens Westpreußen erwarb, auch der Nstze- distrikt gleichzeitig mit Westpreußen zu Preußen kam, während der Posener Bezirk zu „Südpreußen" erst bei der zweiten Teilung Polens, 1793, also erst 21 Jahre später, von Preußen hinzuerworben wurde. Und diesen deutschen Charakter hat der Netzedistrikt auch weiter immer behalten. Das deutsche Bürger¬ tum und Bauerntum im Netzedistrikt durfte sich dabei von den ersten Jahren seiner Zu¬ gehörigkeit zu Preußen an, wo Friedrich der Große mit der ungeheuren Tatkraft feiner Staatskunst binnen weniger als 2 Jahren durch den Bromberger Kanal die Wasser¬ verbindung zwischen Oder und Weichsel schuf, bis in die Gegenwart hinein der besonderen Unterstützung des Preußischen Staates er¬ freuen. Der Bromberger Bezirk war und- blieb so bis in die Gegenwart stets der Hort des Deutschtums in der Provinz Posen. Vor allem war die schöne Stadt Bromberg mit ihren 86 Prozent Deutschen stets ein be¬ sonderes Kleinod des Deutschtums. Aber auch der ganze übrige Netzedistcikt ist ganz und gar deutsch geblieben, und zwar selbst nach den reinen Einwohnerzahlen, in denen sich natürlich das kulturelle Übergewicht der deutschen Kultur gegenüber den die unterste Bevölkerungsschicht bildenden Polen nicht ausdrückt. Man muß dabei zur richtigen Beurteilung zurückgehen auf die alten Grenzen des Netze¬ distrikts, die sich mit dem Regierungsbezirk Bromberg nicht ganz decken- Die einzelnen Kreise des Netzedistrikts — die nur mit einem kleineren Teile ihres Gebietes zum alten Netzedistrikt gehörenden Kreise sind da¬ bei nicht berücksichtigt — enthielten 1910: Bromberg Stadt . 82,3 Proz. Deutsche Bromberg Land . 62,2 „ „ Wirsitz .... 61,3 „ Charnikau . . . 71,2 „ „ Filehne . . . , 70,2 „ Kolmar .... 8t,3 „ „ Hohensalza . . . 36,9 „ „ Strelno .... 19,9 „ „ Schubin .... 44,6 „ „ Deutsch-Krone . . 93,6 „ „ Flntow .... 72,8 „ „ und der Gesamtbezirk 63,4 Proz. Deutsche. Dadurch, daß aus Gründen der Ver¬ waltung der Regierungsbezirk Bromberg anders abgegrenzt wurde, indem im Norden die jetzt westpreußischen Kreise Deutsch-Krone und Flatow, die fast ganz deutsch sind, ab¬ gezweigt und im Süden eine ganze Reihe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/412>, abgerufen am 16.05.2024.