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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Materialien zur ostdeutschen Frage

zumal in das Netzetal und in die Kreise Bromberg und Hohensalza. Nawitsch,
Schwersenz, Grätz, Schlichtingsheim, Unruhstadt und andere Städte, an vier¬
hundert Dörfer wurden gegründet. Aber diese neue Welle deutscher Einwanderung
war keine Lebensäußerung der Gesamtnation. Sie kam aus den angrenzenden
Provinzen Schlesien und Brandenburg und aus Holland. Sie wurde in das
Land getragen, fast ohne daß die deutsche Nation in ihrer Gesamtheit davon Notiz
nahm. So ist es im großen und ganzen bis heute geblieben. Wohl zog die
Netzckolonisierung des großen Königs in ihrer Genialität die Aufmerksamkeit des
zeugenöisischen Europas ans sich, aber das innere Verhältnis Deutschlands zu
seinem Osten wurde dadurch nicht geändert, auch nicht durch das Werk der An¬
siedelungskommission, die bis zum Jahre 1909 zehntausend neue Bauernstelleu
schuf, dazu aber nur ein starkes Drittel aus dem Westen des Reiches herbei¬
zuziehen vermochte.

Erst der Weltkrieg mit seinen wirtschaftlichen Erfahrungen hat hier Wandel
geschaffen. Er, hat gezeigt, welch wichtige Rolle der Osten im Haushalt der
Nation spielt. Posen ist mit den übrigen östlichen Provinzen vorwiegend ein
Agrarland. 54,1 Prozent seiner Bevölkerung nähren sich von der Landwirtschaft
und den ihr verwandten Berufen. Während aber von der Bevölkerung Deutsch¬
lands in Posen nur 3.23 Prozent auf 5,36 Prozent der Flüche des Deutschen
Reiches leben, erzeugt die Provinz von der Gesamtproduktion des Reiches an
Weizen 4 Prozent, an Roggen 11,3 Prozent, an Gerste 8,4 Prozent, an Hafer
3,8 Prozent, an Kartoffeln 10,4 Prozent, an Zucker 13.6 Prozent. Aus dem
Vergleich dieser Ziffern ergibt sich die große Bedeutung Posens als Überschußgebiet
für das Deutsche Reich. Dieser Überschuß steigert sich in einzelnen Kreisen bis
zu zwei Dritteln ihrer gesamten Vrotkornernte. Bei den Kartoffeln und Zucker¬
rüben ist er noch größer. Dieser ganze Überschuß kommt bisher ausschließlich
dem industriellen und stark bevölkerten Mittel-und Westdeutschland zugute, dessen
agrarische Ergänzung die wie eine Spitze sich an ihr Gebiet heranschiebende und
durch westwärts laufende Wasserwege mit der, Oder in Verbindung stehende
Provinz Posen bildet. 1913 gingen aus der Provinz Posen auf der Eisenbahn
etwa 870000 Tonnen, daneben bereits 1908 auf den Binnenwasserstraßen
150000 Tonnen Agrarprodukte nach den übrigen Teilen Deutschlands. Auch nach
den westpreußischen Häfen werden viele tausend Tonnen Posenscher Agrarprodukte
jährlich zur Verschiffung nach Deutschland gebracht. Von der Ernte 1917 wurden
nicht weniger als 331521 Tonnen Brodgetreide, 45719 Tonnen Gerste und Hafer
und 18l41528 Zentner Kartoffeln 15 Prozent der Gesamtlieferung an das
Deutsche Reich abgegeben. Ebenso bedeutend ist die Ausfuhr von Saatgut. Allein
an Saatkartoffeln sind von der Ernte 1918 bisher 3,3--3,4 Millionen Zentner
nach West- und Süddeutschland befördert worden. Auch an Schlachtvieh hat die
Provinz in der Zeit vom 1. September 1917 bis 31. August 1918 335340 Stück
7,6 Prozent der gesamten in Preußen abgelieferten Menge aufgebracht. Diese
Zahlen sprechen für sich selbst. Sie zeigen aber auch deutlich, welch ungeheure
Wichtigkeit der Provinz Posen beim Wiederaufbau der deutschen Volkswirtschaft
zukommt. Um seine Hauptindustrie wieder in Gang und auf die Höhe zu
bringen, bedarf Deutschland Baumwolle, Erze, Fette und andere Rohmaterialien
in ungeheurer Menge, die es in der Hauptsache nur von Übersee beziehen kann.
Je weniger es auf die Einfuhr von Brodgetreide und Futtermitteln angewiesen
ist, desto mehr Schiffsraum wird ihm zur Verfügung stehen. Daß es die erforder¬
lichen Rohmaterialien gleich im Beginn des Wiederaufbaues in ausreichender
Menge erhält, ist entscheidend dafür, ob Deutschland jemals wieder seine alte
Selbständigkeit im Wirtschaftsverkehr der Völker erringen wird. Es muß schon
um seiner Zukunft willen darauf bedacht sein, seinen Bedarf an Nahrungsmitteln,
soweit als irgend angängig, aus dem eigenen Lande zu befriedigen. Posen ist
die Provinz, die vor allem diese Aufgabe im Reich zu erfüllen hat. Ihr Verlust
müßte die dauernde Verkümmerung des deutschen Wirtschaftslebens zur Folge haben.




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zumal in das Netzetal und in die Kreise Bromberg und Hohensalza. Nawitsch,
Schwersenz, Grätz, Schlichtingsheim, Unruhstadt und andere Städte, an vier¬
hundert Dörfer wurden gegründet. Aber diese neue Welle deutscher Einwanderung
war keine Lebensäußerung der Gesamtnation. Sie kam aus den angrenzenden
Provinzen Schlesien und Brandenburg und aus Holland. Sie wurde in das
Land getragen, fast ohne daß die deutsche Nation in ihrer Gesamtheit davon Notiz
nahm. So ist es im großen und ganzen bis heute geblieben. Wohl zog die
Netzckolonisierung des großen Königs in ihrer Genialität die Aufmerksamkeit des
zeugenöisischen Europas ans sich, aber das innere Verhältnis Deutschlands zu
seinem Osten wurde dadurch nicht geändert, auch nicht durch das Werk der An¬
siedelungskommission, die bis zum Jahre 1909 zehntausend neue Bauernstelleu
schuf, dazu aber nur ein starkes Drittel aus dem Westen des Reiches herbei¬
zuziehen vermochte.

Erst der Weltkrieg mit seinen wirtschaftlichen Erfahrungen hat hier Wandel
geschaffen. Er, hat gezeigt, welch wichtige Rolle der Osten im Haushalt der
Nation spielt. Posen ist mit den übrigen östlichen Provinzen vorwiegend ein
Agrarland. 54,1 Prozent seiner Bevölkerung nähren sich von der Landwirtschaft
und den ihr verwandten Berufen. Während aber von der Bevölkerung Deutsch¬
lands in Posen nur 3.23 Prozent auf 5,36 Prozent der Flüche des Deutschen
Reiches leben, erzeugt die Provinz von der Gesamtproduktion des Reiches an
Weizen 4 Prozent, an Roggen 11,3 Prozent, an Gerste 8,4 Prozent, an Hafer
3,8 Prozent, an Kartoffeln 10,4 Prozent, an Zucker 13.6 Prozent. Aus dem
Vergleich dieser Ziffern ergibt sich die große Bedeutung Posens als Überschußgebiet
für das Deutsche Reich. Dieser Überschuß steigert sich in einzelnen Kreisen bis
zu zwei Dritteln ihrer gesamten Vrotkornernte. Bei den Kartoffeln und Zucker¬
rüben ist er noch größer. Dieser ganze Überschuß kommt bisher ausschließlich
dem industriellen und stark bevölkerten Mittel-und Westdeutschland zugute, dessen
agrarische Ergänzung die wie eine Spitze sich an ihr Gebiet heranschiebende und
durch westwärts laufende Wasserwege mit der, Oder in Verbindung stehende
Provinz Posen bildet. 1913 gingen aus der Provinz Posen auf der Eisenbahn
etwa 870000 Tonnen, daneben bereits 1908 auf den Binnenwasserstraßen
150000 Tonnen Agrarprodukte nach den übrigen Teilen Deutschlands. Auch nach
den westpreußischen Häfen werden viele tausend Tonnen Posenscher Agrarprodukte
jährlich zur Verschiffung nach Deutschland gebracht. Von der Ernte 1917 wurden
nicht weniger als 331521 Tonnen Brodgetreide, 45719 Tonnen Gerste und Hafer
und 18l41528 Zentner Kartoffeln 15 Prozent der Gesamtlieferung an das
Deutsche Reich abgegeben. Ebenso bedeutend ist die Ausfuhr von Saatgut. Allein
an Saatkartoffeln sind von der Ernte 1918 bisher 3,3—3,4 Millionen Zentner
nach West- und Süddeutschland befördert worden. Auch an Schlachtvieh hat die
Provinz in der Zeit vom 1. September 1917 bis 31. August 1918 335340 Stück
7,6 Prozent der gesamten in Preußen abgelieferten Menge aufgebracht. Diese
Zahlen sprechen für sich selbst. Sie zeigen aber auch deutlich, welch ungeheure
Wichtigkeit der Provinz Posen beim Wiederaufbau der deutschen Volkswirtschaft
zukommt. Um seine Hauptindustrie wieder in Gang und auf die Höhe zu
bringen, bedarf Deutschland Baumwolle, Erze, Fette und andere Rohmaterialien
in ungeheurer Menge, die es in der Hauptsache nur von Übersee beziehen kann.
Je weniger es auf die Einfuhr von Brodgetreide und Futtermitteln angewiesen
ist, desto mehr Schiffsraum wird ihm zur Verfügung stehen. Daß es die erforder¬
lichen Rohmaterialien gleich im Beginn des Wiederaufbaues in ausreichender
Menge erhält, ist entscheidend dafür, ob Deutschland jemals wieder seine alte
Selbständigkeit im Wirtschaftsverkehr der Völker erringen wird. Es muß schon
um seiner Zukunft willen darauf bedacht sein, seinen Bedarf an Nahrungsmitteln,
soweit als irgend angängig, aus dem eigenen Lande zu befriedigen. Posen ist
die Provinz, die vor allem diese Aufgabe im Reich zu erfüllen hat. Ihr Verlust
müßte die dauernde Verkümmerung des deutschen Wirtschaftslebens zur Folge haben.




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[0418] Materialien zur ostdeutschen Frage zumal in das Netzetal und in die Kreise Bromberg und Hohensalza. Nawitsch, Schwersenz, Grätz, Schlichtingsheim, Unruhstadt und andere Städte, an vier¬ hundert Dörfer wurden gegründet. Aber diese neue Welle deutscher Einwanderung war keine Lebensäußerung der Gesamtnation. Sie kam aus den angrenzenden Provinzen Schlesien und Brandenburg und aus Holland. Sie wurde in das Land getragen, fast ohne daß die deutsche Nation in ihrer Gesamtheit davon Notiz nahm. So ist es im großen und ganzen bis heute geblieben. Wohl zog die Netzckolonisierung des großen Königs in ihrer Genialität die Aufmerksamkeit des zeugenöisischen Europas ans sich, aber das innere Verhältnis Deutschlands zu seinem Osten wurde dadurch nicht geändert, auch nicht durch das Werk der An¬ siedelungskommission, die bis zum Jahre 1909 zehntausend neue Bauernstelleu schuf, dazu aber nur ein starkes Drittel aus dem Westen des Reiches herbei¬ zuziehen vermochte. Erst der Weltkrieg mit seinen wirtschaftlichen Erfahrungen hat hier Wandel geschaffen. Er, hat gezeigt, welch wichtige Rolle der Osten im Haushalt der Nation spielt. Posen ist mit den übrigen östlichen Provinzen vorwiegend ein Agrarland. 54,1 Prozent seiner Bevölkerung nähren sich von der Landwirtschaft und den ihr verwandten Berufen. Während aber von der Bevölkerung Deutsch¬ lands in Posen nur 3.23 Prozent auf 5,36 Prozent der Flüche des Deutschen Reiches leben, erzeugt die Provinz von der Gesamtproduktion des Reiches an Weizen 4 Prozent, an Roggen 11,3 Prozent, an Gerste 8,4 Prozent, an Hafer 3,8 Prozent, an Kartoffeln 10,4 Prozent, an Zucker 13.6 Prozent. Aus dem Vergleich dieser Ziffern ergibt sich die große Bedeutung Posens als Überschußgebiet für das Deutsche Reich. Dieser Überschuß steigert sich in einzelnen Kreisen bis zu zwei Dritteln ihrer gesamten Vrotkornernte. Bei den Kartoffeln und Zucker¬ rüben ist er noch größer. Dieser ganze Überschuß kommt bisher ausschließlich dem industriellen und stark bevölkerten Mittel-und Westdeutschland zugute, dessen agrarische Ergänzung die wie eine Spitze sich an ihr Gebiet heranschiebende und durch westwärts laufende Wasserwege mit der, Oder in Verbindung stehende Provinz Posen bildet. 1913 gingen aus der Provinz Posen auf der Eisenbahn etwa 870000 Tonnen, daneben bereits 1908 auf den Binnenwasserstraßen 150000 Tonnen Agrarprodukte nach den übrigen Teilen Deutschlands. Auch nach den westpreußischen Häfen werden viele tausend Tonnen Posenscher Agrarprodukte jährlich zur Verschiffung nach Deutschland gebracht. Von der Ernte 1917 wurden nicht weniger als 331521 Tonnen Brodgetreide, 45719 Tonnen Gerste und Hafer und 18l41528 Zentner Kartoffeln 15 Prozent der Gesamtlieferung an das Deutsche Reich abgegeben. Ebenso bedeutend ist die Ausfuhr von Saatgut. Allein an Saatkartoffeln sind von der Ernte 1918 bisher 3,3—3,4 Millionen Zentner nach West- und Süddeutschland befördert worden. Auch an Schlachtvieh hat die Provinz in der Zeit vom 1. September 1917 bis 31. August 1918 335340 Stück 7,6 Prozent der gesamten in Preußen abgelieferten Menge aufgebracht. Diese Zahlen sprechen für sich selbst. Sie zeigen aber auch deutlich, welch ungeheure Wichtigkeit der Provinz Posen beim Wiederaufbau der deutschen Volkswirtschaft zukommt. Um seine Hauptindustrie wieder in Gang und auf die Höhe zu bringen, bedarf Deutschland Baumwolle, Erze, Fette und andere Rohmaterialien in ungeheurer Menge, die es in der Hauptsache nur von Übersee beziehen kann. Je weniger es auf die Einfuhr von Brodgetreide und Futtermitteln angewiesen ist, desto mehr Schiffsraum wird ihm zur Verfügung stehen. Daß es die erforder¬ lichen Rohmaterialien gleich im Beginn des Wiederaufbaues in ausreichender Menge erhält, ist entscheidend dafür, ob Deutschland jemals wieder seine alte Selbständigkeit im Wirtschaftsverkehr der Völker erringen wird. Es muß schon um seiner Zukunft willen darauf bedacht sein, seinen Bedarf an Nahrungsmitteln, soweit als irgend angängig, aus dem eigenen Lande zu befriedigen. Posen ist die Provinz, die vor allem diese Aufgabe im Reich zu erfüllen hat. Ihr Verlust müßte die dauernde Verkümmerung des deutschen Wirtschaftslebens zur Folge haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/418>, abgerufen am 15.05.2024.