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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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seiner .aufreizenden Sprache verboten
wurde, gab die in Oppeln erscheinende
polnische Zeitung dafür einfach eine Auf¬
lage in deutscher Uebersetzung heraus.

Ist die polnische Presse dergestalt für
die Werbung^ zum nationalen Gedanken
tatkräftiger als die deutsche, ihr überlege¬
ner, fo ist sie damit auch um so gefähr¬
licher für die Stellung des Deutschtums.
Der deutsche Gedanke, das deutsche Zu¬
sammengehörigkeitsgefühl, wird nicht an
einzelnen Stellen mit einzelnen Angrif¬
fen bedroht, sondern überall mit plan¬
mäßig geleiteter, unermüdlicher Klein¬
arbeit der an einer unsichtbaren Schnur
gelenkten polnischen mittleren, kleineren
und kleinsten Blätter zermürbt. Auf der
anderen Seite wird ebenso planmäßig der
Polnische Staatsgedanke, das Rachegefühl
gegen die deutschen Bedrücker in die
Köpfe der preußischen Staatsbürger pol¬
nischer Zunge eingehämmert, bis sie
schließlich der Massensuggestion der ein¬
heitlich redigierten polnischen Presse er¬
legen sind.

Mit Staatsanwaltschaft und Straf¬
gesetzbuch war dagegen schon in der Frie-
denszoit nicht viel auszurichten gewesen.
Gegen die langsame, in einzelnen und
unmerklichen Dosen erfolgende Brunnen-
Vergiftung waren die Mittel der staat¬
lichen Beaufsichtigung machtlos. An die
Wahl des wirksamsten Mittels, Schaffung
eines Gegengewichts durch eine leistungs¬
fähige deutsche Durchschnittspresse, wurde
Wohl nicht gedacht. Nun sind nach der
Revolution die letzten Schranken für eine
hemmlungslose Polnische Pressetätigkeit
gefallen, und die polnische Presse benutzt
diese Spanne Uebergangszeit bis zum
endgültigen Frieden, um in ihren Spal¬
ten wahre Orgien des Hasses gegen alles,
was deutsch ist, zu feiern, um Triumph¬
gesänge für den polnischen Nationalismus
und den feindlichen Imperialismus an¬
zustimmen. Die deutschen Behörden sind
müde und unsicher: das Gefühl dafür,
wo die Grenze des Erlaubten (der soge¬
nannten Freiheit) mit der Pflicht zur

[Spaltenumbruch]

Selbsterhaltung kollidiert, ist ins Wanken
Beraten. Ein fester Maßstab, der an die
einzelnen Dinge des Staats interesseS
heranzulegen wäre, fehlt bei der Unsicher¬
heit in den allgemeinsten Fracieu des
Staatswohles. Die Gehördenkompetenz
ist strittig, die Machtbefugnisse der Ar¬
beiter- und Soldatenräte sind nicht gesetz¬
lich festgelegt, und die Begriffe über das
Recht des notwendigen und Erforderlichen
schwanken.

Den Vorteil aus diesen Zuständen
zieht der schadenfrohe Dritte: die pol¬
nische Presse. Ihr früher in weiter
Fe>'ne liegendes Ziel: Schaffung eines
unabhängigen NationalstaateZ, ist in
greifbare Nähe gerückt, die verschwomme¬
nen Umrisse haben sich verdichtet, me
Wirklichkeit scheint mehr zu versprechen,
a'.s man zu hoffen gewagt hatt,., Die
Mittel zur Erreichung dieses Zieles haben
sich durch die völlige Bewegungsfreiheit
der Presse vervielfacht. Andererseits ist
es jetzt nicht damit getan, allgemeine
nationalistische Arbeit zu leiste-t sondern
e? heißt, bestimmte Wege zu we'her, wie
das Ziel am vollkommensten und am
schnellsten zu erreichen ist. Dem polnischen
Leserstande muß auf der einen Seite "in
ungeheures Maß von Haß und Ver¬
achtung gegen das Deutschtum und den
preußischen Staat, auf der anderen Seite
unermeßliche Liebe zu einem ihm nur
vom Hörensagen bekannten Großpoleu
und Verehrung und Dankbarkeit für "den
moralischen Nachbar" Frankreich einge¬
impft werden. Dies bedingt, daß die
freiheitlichen Bestrebungen im neueren
Deutschland ins Lächerliche und Verächt¬
liche gezogen und die Aeußerungen des
brutalen Machtegoismus Frankreichs als
gerechte Strafe für Deutschland und not¬
wendige Sicherung für Polen hingestellt
werden. Gleichzeitig wird dem polnische"
Leser ständig vor die Augen gehalten,
daß Deutschland auch nach seiner Nieder¬
lage noch immer nicht von seinem offen¬
baren Unrecht überzeugt sei und finsteren
Haß und Nacheplcine gegen Polen brüte-

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seiner .aufreizenden Sprache verboten
wurde, gab die in Oppeln erscheinende
polnische Zeitung dafür einfach eine Auf¬
lage in deutscher Uebersetzung heraus.

Ist die polnische Presse dergestalt für
die Werbung^ zum nationalen Gedanken
tatkräftiger als die deutsche, ihr überlege¬
ner, fo ist sie damit auch um so gefähr¬
licher für die Stellung des Deutschtums.
Der deutsche Gedanke, das deutsche Zu¬
sammengehörigkeitsgefühl, wird nicht an
einzelnen Stellen mit einzelnen Angrif¬
fen bedroht, sondern überall mit plan¬
mäßig geleiteter, unermüdlicher Klein¬
arbeit der an einer unsichtbaren Schnur
gelenkten polnischen mittleren, kleineren
und kleinsten Blätter zermürbt. Auf der
anderen Seite wird ebenso planmäßig der
Polnische Staatsgedanke, das Rachegefühl
gegen die deutschen Bedrücker in die
Köpfe der preußischen Staatsbürger pol¬
nischer Zunge eingehämmert, bis sie
schließlich der Massensuggestion der ein¬
heitlich redigierten polnischen Presse er¬
legen sind.

Mit Staatsanwaltschaft und Straf¬
gesetzbuch war dagegen schon in der Frie-
denszoit nicht viel auszurichten gewesen.
Gegen die langsame, in einzelnen und
unmerklichen Dosen erfolgende Brunnen-
Vergiftung waren die Mittel der staat¬
lichen Beaufsichtigung machtlos. An die
Wahl des wirksamsten Mittels, Schaffung
eines Gegengewichts durch eine leistungs¬
fähige deutsche Durchschnittspresse, wurde
Wohl nicht gedacht. Nun sind nach der
Revolution die letzten Schranken für eine
hemmlungslose Polnische Pressetätigkeit
gefallen, und die polnische Presse benutzt
diese Spanne Uebergangszeit bis zum
endgültigen Frieden, um in ihren Spal¬
ten wahre Orgien des Hasses gegen alles,
was deutsch ist, zu feiern, um Triumph¬
gesänge für den polnischen Nationalismus
und den feindlichen Imperialismus an¬
zustimmen. Die deutschen Behörden sind
müde und unsicher: das Gefühl dafür,
wo die Grenze des Erlaubten (der soge¬
nannten Freiheit) mit der Pflicht zur

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Selbsterhaltung kollidiert, ist ins Wanken
Beraten. Ein fester Maßstab, der an die
einzelnen Dinge des Staats interesseS
heranzulegen wäre, fehlt bei der Unsicher¬
heit in den allgemeinsten Fracieu des
Staatswohles. Die Gehördenkompetenz
ist strittig, die Machtbefugnisse der Ar¬
beiter- und Soldatenräte sind nicht gesetz¬
lich festgelegt, und die Begriffe über das
Recht des notwendigen und Erforderlichen
schwanken.

Den Vorteil aus diesen Zuständen
zieht der schadenfrohe Dritte: die pol¬
nische Presse. Ihr früher in weiter
Fe>'ne liegendes Ziel: Schaffung eines
unabhängigen NationalstaateZ, ist in
greifbare Nähe gerückt, die verschwomme¬
nen Umrisse haben sich verdichtet, me
Wirklichkeit scheint mehr zu versprechen,
a'.s man zu hoffen gewagt hatt,., Die
Mittel zur Erreichung dieses Zieles haben
sich durch die völlige Bewegungsfreiheit
der Presse vervielfacht. Andererseits ist
es jetzt nicht damit getan, allgemeine
nationalistische Arbeit zu leiste-t sondern
e? heißt, bestimmte Wege zu we'her, wie
das Ziel am vollkommensten und am
schnellsten zu erreichen ist. Dem polnischen
Leserstande muß auf der einen Seite «in
ungeheures Maß von Haß und Ver¬
achtung gegen das Deutschtum und den
preußischen Staat, auf der anderen Seite
unermeßliche Liebe zu einem ihm nur
vom Hörensagen bekannten Großpoleu
und Verehrung und Dankbarkeit für „den
moralischen Nachbar" Frankreich einge¬
impft werden. Dies bedingt, daß die
freiheitlichen Bestrebungen im neueren
Deutschland ins Lächerliche und Verächt¬
liche gezogen und die Aeußerungen des
brutalen Machtegoismus Frankreichs als
gerechte Strafe für Deutschland und not¬
wendige Sicherung für Polen hingestellt
werden. Gleichzeitig wird dem polnische»
Leser ständig vor die Augen gehalten,
daß Deutschland auch nach seiner Nieder¬
lage noch immer nicht von seinem offen¬
baren Unrecht überzeugt sei und finsteren
Haß und Nacheplcine gegen Polen brüte-

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[0468] Materialien zur ostdeutschen Frage seiner .aufreizenden Sprache verboten wurde, gab die in Oppeln erscheinende polnische Zeitung dafür einfach eine Auf¬ lage in deutscher Uebersetzung heraus. Ist die polnische Presse dergestalt für die Werbung^ zum nationalen Gedanken tatkräftiger als die deutsche, ihr überlege¬ ner, fo ist sie damit auch um so gefähr¬ licher für die Stellung des Deutschtums. Der deutsche Gedanke, das deutsche Zu¬ sammengehörigkeitsgefühl, wird nicht an einzelnen Stellen mit einzelnen Angrif¬ fen bedroht, sondern überall mit plan¬ mäßig geleiteter, unermüdlicher Klein¬ arbeit der an einer unsichtbaren Schnur gelenkten polnischen mittleren, kleineren und kleinsten Blätter zermürbt. Auf der anderen Seite wird ebenso planmäßig der Polnische Staatsgedanke, das Rachegefühl gegen die deutschen Bedrücker in die Köpfe der preußischen Staatsbürger pol¬ nischer Zunge eingehämmert, bis sie schließlich der Massensuggestion der ein¬ heitlich redigierten polnischen Presse er¬ legen sind. Mit Staatsanwaltschaft und Straf¬ gesetzbuch war dagegen schon in der Frie- denszoit nicht viel auszurichten gewesen. Gegen die langsame, in einzelnen und unmerklichen Dosen erfolgende Brunnen- Vergiftung waren die Mittel der staat¬ lichen Beaufsichtigung machtlos. An die Wahl des wirksamsten Mittels, Schaffung eines Gegengewichts durch eine leistungs¬ fähige deutsche Durchschnittspresse, wurde Wohl nicht gedacht. Nun sind nach der Revolution die letzten Schranken für eine hemmlungslose Polnische Pressetätigkeit gefallen, und die polnische Presse benutzt diese Spanne Uebergangszeit bis zum endgültigen Frieden, um in ihren Spal¬ ten wahre Orgien des Hasses gegen alles, was deutsch ist, zu feiern, um Triumph¬ gesänge für den polnischen Nationalismus und den feindlichen Imperialismus an¬ zustimmen. Die deutschen Behörden sind müde und unsicher: das Gefühl dafür, wo die Grenze des Erlaubten (der soge¬ nannten Freiheit) mit der Pflicht zur Selbsterhaltung kollidiert, ist ins Wanken Beraten. Ein fester Maßstab, der an die einzelnen Dinge des Staats interesseS heranzulegen wäre, fehlt bei der Unsicher¬ heit in den allgemeinsten Fracieu des Staatswohles. Die Gehördenkompetenz ist strittig, die Machtbefugnisse der Ar¬ beiter- und Soldatenräte sind nicht gesetz¬ lich festgelegt, und die Begriffe über das Recht des notwendigen und Erforderlichen schwanken. Den Vorteil aus diesen Zuständen zieht der schadenfrohe Dritte: die pol¬ nische Presse. Ihr früher in weiter Fe>'ne liegendes Ziel: Schaffung eines unabhängigen NationalstaateZ, ist in greifbare Nähe gerückt, die verschwomme¬ nen Umrisse haben sich verdichtet, me Wirklichkeit scheint mehr zu versprechen, a'.s man zu hoffen gewagt hatt,., Die Mittel zur Erreichung dieses Zieles haben sich durch die völlige Bewegungsfreiheit der Presse vervielfacht. Andererseits ist es jetzt nicht damit getan, allgemeine nationalistische Arbeit zu leiste-t sondern e? heißt, bestimmte Wege zu we'her, wie das Ziel am vollkommensten und am schnellsten zu erreichen ist. Dem polnischen Leserstande muß auf der einen Seite «in ungeheures Maß von Haß und Ver¬ achtung gegen das Deutschtum und den preußischen Staat, auf der anderen Seite unermeßliche Liebe zu einem ihm nur vom Hörensagen bekannten Großpoleu und Verehrung und Dankbarkeit für „den moralischen Nachbar" Frankreich einge¬ impft werden. Dies bedingt, daß die freiheitlichen Bestrebungen im neueren Deutschland ins Lächerliche und Verächt¬ liche gezogen und die Aeußerungen des brutalen Machtegoismus Frankreichs als gerechte Strafe für Deutschland und not¬ wendige Sicherung für Polen hingestellt werden. Gleichzeitig wird dem polnische» Leser ständig vor die Augen gehalten, daß Deutschland auch nach seiner Nieder¬ lage noch immer nicht von seinem offen¬ baren Unrecht überzeugt sei und finsteren Haß und Nacheplcine gegen Polen brüte-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/468>, abgerufen am 05.06.2024.