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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Das Aaxpsche Abenteuer
auseinanderklaffenden Volksteile zu versöhnen, nicht von den Putschisten.
sondern von einer möglichst breit gebildeten Vermittlergruppe ausgehen.

Schon am Sonnabend mittag entwickelte ich dem Admiral von Trotha.
dem ich die Eigenschaften eines Vermittlers zuschrieb, dieses Programm und
fand bei ihm volle Zustimmung. Diesen Offizier, der das Herz der Marine
war und in einem seltenen Sinne als unersetzlich galt, traf ich aufs tiefste er¬
schüttert über die Vorgänge. Von der Nachtsitzung des Kabinetts ausgeschlossen,
stand er ohne Instruktionen einer beispiellosen Sachlage gegenüber. Er war
zu dieser Nachtsitzung in die Reichskanzlei geeilt. Aber die Kabinettsmitglieder,
die zwischen zwei Sitzungen im Bismarckzimmer zu einer zwanglosen Besprechung
beisammen waren, baten den Admiral, als er eintreten wollte, draußen zu
warten. Sie wünschten ihn nicht bei der Besprechung des Abreiseplanes usw.
Zugegen, weil sie ihn bereits im Verdacht hatten, auf der Gegenseite zu stehen.
Roste und Trotha kannten einander aus langer und harter Arbeit und wußten
daß sie sich über alle Gegensätzlichkeiten des politischen Glaubensbekenntnisses
hwweg als Männer aufeinander verlassen konnten, denen das Wohl des Staates
über allem stand. Jetzt aber hatte sich schon das vergiftende Mißtrauen er¬
hoben; man hielt sich gegenseitig für ungeschickt; rasch wurde daraus in der
Nervosität der Verdacht"der Illoyalität und schied Zusammengehöriges ausein¬
ander. Die Ausschließung Trothas erwies sich als verhängnisvoll, da er sich
von der Regierung, deren wortlose Abreise er als Flucht auffassen mußte, im
Stich gelassen und ohne Weisung auf sich selbst gestellt fühlte. Die Herren von
der Armeeleitung gingen am Sonnabend zum Teil nach Hause, weil sie zwar nicht
offen sich gegen die Berlin beherrschenden Teile der Wehrmacht erklären konnten,
aber auch ihr Amt nicht weiter führen brauchten, da der Lüttwitzstab wenigstens
notdürftig den behördlichen Organismus im Gange hielt. Der verabschiedete
General von Wrisberg übernahm am 13. früh, von Lüttwitz gebeten, die verwaiste
Heeresleitung, obwohl er von den Ereignissen überrascht und im Offizierskorps
'"folge seiner vieljährigen Tätigkeit im Kriegsministerium persönlich wenig bekannt,
schweren Herzens in diesen Abgrund sprang. Admiral von Trotha nun befand steh
w einer schwierigeren Lage als die Herren der alten Heeresleitung. Er mußte
unmittelbare Befehle geben an die ihm unterstellten Truppen in Kiel und
Wilhelmshaven. denen' kein anderer Befehle geben konnte. Trotha mußte also
entweder formell- abtreten oder alles ans seine Kappe nehmen, um die Marine
zusammenzuhalten. Nach tiefem inneren Kampf und in voller Klarheit über
die persönlichen Folgen einer scheinbaren Unterstützung des ihm aussichtslos er¬
scheinenden Putsches erklärte Admiral von Trotha seine Bereitwilligkeit im Amt
Zu bleiben, als Lüttwitz ihn darum ersuchte. Er hatte nicht, wie die Beamten
der bürgerlichen Ministerien, Stunden ja Tage Zeit, um einen Entschluß zu
fassen. Versagte er sich der Aufforderung, so brach die Marine in derselben
Stunde zusammen. Schon standen in Kiel Kämpfe mit bewaffneten Arbeitern
dicht bevor, schon beherrschte die Marinebrigade Ehrhardt eigenmächtig die Reichs-


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Das Aaxpsche Abenteuer
auseinanderklaffenden Volksteile zu versöhnen, nicht von den Putschisten.
sondern von einer möglichst breit gebildeten Vermittlergruppe ausgehen.

Schon am Sonnabend mittag entwickelte ich dem Admiral von Trotha.
dem ich die Eigenschaften eines Vermittlers zuschrieb, dieses Programm und
fand bei ihm volle Zustimmung. Diesen Offizier, der das Herz der Marine
war und in einem seltenen Sinne als unersetzlich galt, traf ich aufs tiefste er¬
schüttert über die Vorgänge. Von der Nachtsitzung des Kabinetts ausgeschlossen,
stand er ohne Instruktionen einer beispiellosen Sachlage gegenüber. Er war
zu dieser Nachtsitzung in die Reichskanzlei geeilt. Aber die Kabinettsmitglieder,
die zwischen zwei Sitzungen im Bismarckzimmer zu einer zwanglosen Besprechung
beisammen waren, baten den Admiral, als er eintreten wollte, draußen zu
warten. Sie wünschten ihn nicht bei der Besprechung des Abreiseplanes usw.
Zugegen, weil sie ihn bereits im Verdacht hatten, auf der Gegenseite zu stehen.
Roste und Trotha kannten einander aus langer und harter Arbeit und wußten
daß sie sich über alle Gegensätzlichkeiten des politischen Glaubensbekenntnisses
hwweg als Männer aufeinander verlassen konnten, denen das Wohl des Staates
über allem stand. Jetzt aber hatte sich schon das vergiftende Mißtrauen er¬
hoben; man hielt sich gegenseitig für ungeschickt; rasch wurde daraus in der
Nervosität der Verdacht"der Illoyalität und schied Zusammengehöriges ausein¬
ander. Die Ausschließung Trothas erwies sich als verhängnisvoll, da er sich
von der Regierung, deren wortlose Abreise er als Flucht auffassen mußte, im
Stich gelassen und ohne Weisung auf sich selbst gestellt fühlte. Die Herren von
der Armeeleitung gingen am Sonnabend zum Teil nach Hause, weil sie zwar nicht
offen sich gegen die Berlin beherrschenden Teile der Wehrmacht erklären konnten,
aber auch ihr Amt nicht weiter führen brauchten, da der Lüttwitzstab wenigstens
notdürftig den behördlichen Organismus im Gange hielt. Der verabschiedete
General von Wrisberg übernahm am 13. früh, von Lüttwitz gebeten, die verwaiste
Heeresleitung, obwohl er von den Ereignissen überrascht und im Offizierskorps
'"folge seiner vieljährigen Tätigkeit im Kriegsministerium persönlich wenig bekannt,
schweren Herzens in diesen Abgrund sprang. Admiral von Trotha nun befand steh
w einer schwierigeren Lage als die Herren der alten Heeresleitung. Er mußte
unmittelbare Befehle geben an die ihm unterstellten Truppen in Kiel und
Wilhelmshaven. denen' kein anderer Befehle geben konnte. Trotha mußte also
entweder formell- abtreten oder alles ans seine Kappe nehmen, um die Marine
zusammenzuhalten. Nach tiefem inneren Kampf und in voller Klarheit über
die persönlichen Folgen einer scheinbaren Unterstützung des ihm aussichtslos er¬
scheinenden Putsches erklärte Admiral von Trotha seine Bereitwilligkeit im Amt
Zu bleiben, als Lüttwitz ihn darum ersuchte. Er hatte nicht, wie die Beamten
der bürgerlichen Ministerien, Stunden ja Tage Zeit, um einen Entschluß zu
fassen. Versagte er sich der Aufforderung, so brach die Marine in derselben
Stunde zusammen. Schon standen in Kiel Kämpfe mit bewaffneten Arbeitern
dicht bevor, schon beherrschte die Marinebrigade Ehrhardt eigenmächtig die Reichs-


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[0345] Das Aaxpsche Abenteuer auseinanderklaffenden Volksteile zu versöhnen, nicht von den Putschisten. sondern von einer möglichst breit gebildeten Vermittlergruppe ausgehen. Schon am Sonnabend mittag entwickelte ich dem Admiral von Trotha. dem ich die Eigenschaften eines Vermittlers zuschrieb, dieses Programm und fand bei ihm volle Zustimmung. Diesen Offizier, der das Herz der Marine war und in einem seltenen Sinne als unersetzlich galt, traf ich aufs tiefste er¬ schüttert über die Vorgänge. Von der Nachtsitzung des Kabinetts ausgeschlossen, stand er ohne Instruktionen einer beispiellosen Sachlage gegenüber. Er war zu dieser Nachtsitzung in die Reichskanzlei geeilt. Aber die Kabinettsmitglieder, die zwischen zwei Sitzungen im Bismarckzimmer zu einer zwanglosen Besprechung beisammen waren, baten den Admiral, als er eintreten wollte, draußen zu warten. Sie wünschten ihn nicht bei der Besprechung des Abreiseplanes usw. Zugegen, weil sie ihn bereits im Verdacht hatten, auf der Gegenseite zu stehen. Roste und Trotha kannten einander aus langer und harter Arbeit und wußten daß sie sich über alle Gegensätzlichkeiten des politischen Glaubensbekenntnisses hwweg als Männer aufeinander verlassen konnten, denen das Wohl des Staates über allem stand. Jetzt aber hatte sich schon das vergiftende Mißtrauen er¬ hoben; man hielt sich gegenseitig für ungeschickt; rasch wurde daraus in der Nervosität der Verdacht"der Illoyalität und schied Zusammengehöriges ausein¬ ander. Die Ausschließung Trothas erwies sich als verhängnisvoll, da er sich von der Regierung, deren wortlose Abreise er als Flucht auffassen mußte, im Stich gelassen und ohne Weisung auf sich selbst gestellt fühlte. Die Herren von der Armeeleitung gingen am Sonnabend zum Teil nach Hause, weil sie zwar nicht offen sich gegen die Berlin beherrschenden Teile der Wehrmacht erklären konnten, aber auch ihr Amt nicht weiter führen brauchten, da der Lüttwitzstab wenigstens notdürftig den behördlichen Organismus im Gange hielt. Der verabschiedete General von Wrisberg übernahm am 13. früh, von Lüttwitz gebeten, die verwaiste Heeresleitung, obwohl er von den Ereignissen überrascht und im Offizierskorps '"folge seiner vieljährigen Tätigkeit im Kriegsministerium persönlich wenig bekannt, schweren Herzens in diesen Abgrund sprang. Admiral von Trotha nun befand steh w einer schwierigeren Lage als die Herren der alten Heeresleitung. Er mußte unmittelbare Befehle geben an die ihm unterstellten Truppen in Kiel und Wilhelmshaven. denen' kein anderer Befehle geben konnte. Trotha mußte also entweder formell- abtreten oder alles ans seine Kappe nehmen, um die Marine zusammenzuhalten. Nach tiefem inneren Kampf und in voller Klarheit über die persönlichen Folgen einer scheinbaren Unterstützung des ihm aussichtslos er¬ scheinenden Putsches erklärte Admiral von Trotha seine Bereitwilligkeit im Amt Zu bleiben, als Lüttwitz ihn darum ersuchte. Er hatte nicht, wie die Beamten der bürgerlichen Ministerien, Stunden ja Tage Zeit, um einen Entschluß zu fassen. Versagte er sich der Aufforderung, so brach die Marine in derselben Stunde zusammen. Schon standen in Kiel Kämpfe mit bewaffneten Arbeitern dicht bevor, schon beherrschte die Marinebrigade Ehrhardt eigenmächtig die Reichs- 22»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/345>, abgerufen am 22.05.2024.