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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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geworden sind. Deutschland hat im 16. Jahr¬
hundert den Freiheitskampf seiner holländischen
Söhne nicht unterstützt. Es hat die südlichen
katholischen Niederlande im Joch der Spanier
gelassen. So entstand Holland als Staat
und Belgien als partikuläres Gebilde. An
den Mündungen großer Ströme und an den
günstigsten Meeresküsten der deutschen Nation
gelegen, blühten sie auf Kosten des ab¬
gedrängten Hinterlandes auf. Vor dem Welt¬
krieg haben lange Fricdensjährzehnte Holland
und Belgien wirtschaftlich wieder an den
weiteren Kreis der deutschen Nation heran¬
geführt. Während des Krieges haben wir
bei den tapferen Führern der flämischen Be¬
wegung "und die Möglichkeit einer Wieder¬
vereinigung der deutschen Nation kennen
gelernt, obwohl die Gesamtheit des deutschen
Volkes für einen solchen großdeutschen Ge¬
danken noch gar nicht reif war. Nun ist das
alles verschüttet. Nicht Flamen, auch nicht
die Wallonen, sondern das französierte
Brüssel, der Franskillon, d. h. der nieder¬
deutsche, der seine Seele an das Franzosentum
verkauft hat und nun als Renegat ein
wütender Französling geworden ist, beherrscht
die belgische Politik. Er ist der treueste
Gehilfe der französischen Revanche geworden.
Er, nicht der Wallone oder der Flame, hat
Eupen und Malmedh vom deutschen Körper
abgerissen, ein zwar kleiner, aber doch der
schamloseste aller Gebietsverluste, die uns zu¬
gefügt worden sind. Der erst 1330 ver-
selbständigte"belgischeTeil"Altdeutschlands, der
zwischen Niederdeutschtum und Wallonentum
die nur beim Kapitalisten und politischen
Streber vorhandene "belgische Seele" bis
1914 so mühsam mit der Laterne suchen
mußte, will, von der Entente verhätschelt,
reicher und mächtiger werden als die
60 Millionen Hungerleider im deutschen
Binnenlande.

In Spaa hat kein Staat die französische
Politik so bedingungslos gestützt wie Belgien.
Eupen und Malmedh sind hauptsächlich des¬
halb annektiert worden, um Machtpolitik zu
treiben, die Forts von Lüttich vorzutreiben
und Köln von belgischen Boden aus beschießen
zu können. Am 6. Juli hat vor dem Schwur¬
gericht der Prozeß gegen die Universitäts¬
professoren begonnen, die sich der flämischen

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Universität in Gent zur Verfügung gestellt
hatten. Diese Universität wird heute nur
"l'Universite von Bissing" genannt. Der
Deutschenhaß steht in Brüssel in vollster Blüte.
Unser überstürzter Abzug aus dem Lande im
November 1918 ließ eine große Anzahl von
Schriftstücken zurück, die, wie z. B. die
List der belgischen Zeichner unserer Kriegs¬
anleihen, nun die Grundlage zu Strafprozessen
bilden. Träger der antideutschen Stimmung
sind besonders die Kreise, die während der
deutschen Okkupation materielle Verluste hatten,
z. B. die durch Einrichtung deutscher Gerichte
beschäftigungslos gewordenen Advokaten. Sie
werden heute mit der Verwaltung sequestrierten
deutschen Eigentums entschädigt. Auch in
Antwerpen nähren die Fransquillons den
Deutschenhaß; selbst durch Plakate und Um¬
züge, so verblendet das auch ist. Nie wieder
soll sich die deutsche Wirtschaft an ihrem na¬
türlichen Fußpunkt Antwerpen neu erheben
dürfen. Aber wie denkt man sich eigentlich
eine dauernde Blüte Belgiens, wenn in
Deutschland graues Elend und Armut herrschen?
Noch schlägt das Herz Flanderns kräftiger
als die "belgische Seele" der Fransquillons.
MitderHartnäckigkeit, die den flämischen Stamm
auszeichnet, wird an dem Lebensrecht der nieder¬
deutschen Rasse festgehalten und Flandern
rüstete sich, das Goldene Sporenfest, das Ge¬
denkfest niederdeutscher Unbeugsamkeit gegen
das Franzosentum, am 11. Juli besonders
demonstrativ zu feiern. Die Fransquillons
verboten dies Jahr das Fest und befahlen
dafür Teilnahme am -- französischen National¬
fest vom 14. Juli. Dabei sollte das für
Belgien heute so unsinnige und gefährliche
Militärbündnis mit Frankreich gefeiert wer¬
den. Aber die Manier folgten der Losung
Kamill Huysmans: "Und dennoch werden wir
das Sporenfest feiern." 20 000 Vlamen
durchzogen unter dem lange vergeblichen
Widerstand der Polizei Antwerpen, und ein
paar Stunden lang wehte die flandrische
Löwenfahne vom höchsten Turm. Da ließ
Belgien auf Flandern schießen. Hermann
van den Neeck, ein zwanzigjähriger Student,
fiel als Blutzeuge für Flandern. Er wird
nicht der letzte sein. Nehmen wir seinen
Namen als Wahrzeichen: Hermann vom
Reiche! Denn Flandern lebt, und von Ypern

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geworden sind. Deutschland hat im 16. Jahr¬
hundert den Freiheitskampf seiner holländischen
Söhne nicht unterstützt. Es hat die südlichen
katholischen Niederlande im Joch der Spanier
gelassen. So entstand Holland als Staat
und Belgien als partikuläres Gebilde. An
den Mündungen großer Ströme und an den
günstigsten Meeresküsten der deutschen Nation
gelegen, blühten sie auf Kosten des ab¬
gedrängten Hinterlandes auf. Vor dem Welt¬
krieg haben lange Fricdensjährzehnte Holland
und Belgien wirtschaftlich wieder an den
weiteren Kreis der deutschen Nation heran¬
geführt. Während des Krieges haben wir
bei den tapferen Führern der flämischen Be¬
wegung «und die Möglichkeit einer Wieder¬
vereinigung der deutschen Nation kennen
gelernt, obwohl die Gesamtheit des deutschen
Volkes für einen solchen großdeutschen Ge¬
danken noch gar nicht reif war. Nun ist das
alles verschüttet. Nicht Flamen, auch nicht
die Wallonen, sondern das französierte
Brüssel, der Franskillon, d. h. der nieder¬
deutsche, der seine Seele an das Franzosentum
verkauft hat und nun als Renegat ein
wütender Französling geworden ist, beherrscht
die belgische Politik. Er ist der treueste
Gehilfe der französischen Revanche geworden.
Er, nicht der Wallone oder der Flame, hat
Eupen und Malmedh vom deutschen Körper
abgerissen, ein zwar kleiner, aber doch der
schamloseste aller Gebietsverluste, die uns zu¬
gefügt worden sind. Der erst 1330 ver-
selbständigte„belgischeTeil"Altdeutschlands, der
zwischen Niederdeutschtum und Wallonentum
die nur beim Kapitalisten und politischen
Streber vorhandene „belgische Seele" bis
1914 so mühsam mit der Laterne suchen
mußte, will, von der Entente verhätschelt,
reicher und mächtiger werden als die
60 Millionen Hungerleider im deutschen
Binnenlande.

In Spaa hat kein Staat die französische
Politik so bedingungslos gestützt wie Belgien.
Eupen und Malmedh sind hauptsächlich des¬
halb annektiert worden, um Machtpolitik zu
treiben, die Forts von Lüttich vorzutreiben
und Köln von belgischen Boden aus beschießen
zu können. Am 6. Juli hat vor dem Schwur¬
gericht der Prozeß gegen die Universitäts¬
professoren begonnen, die sich der flämischen

[Spaltenumbruch]

Universität in Gent zur Verfügung gestellt
hatten. Diese Universität wird heute nur
„l'Universite von Bissing" genannt. Der
Deutschenhaß steht in Brüssel in vollster Blüte.
Unser überstürzter Abzug aus dem Lande im
November 1918 ließ eine große Anzahl von
Schriftstücken zurück, die, wie z. B. die
List der belgischen Zeichner unserer Kriegs¬
anleihen, nun die Grundlage zu Strafprozessen
bilden. Träger der antideutschen Stimmung
sind besonders die Kreise, die während der
deutschen Okkupation materielle Verluste hatten,
z. B. die durch Einrichtung deutscher Gerichte
beschäftigungslos gewordenen Advokaten. Sie
werden heute mit der Verwaltung sequestrierten
deutschen Eigentums entschädigt. Auch in
Antwerpen nähren die Fransquillons den
Deutschenhaß; selbst durch Plakate und Um¬
züge, so verblendet das auch ist. Nie wieder
soll sich die deutsche Wirtschaft an ihrem na¬
türlichen Fußpunkt Antwerpen neu erheben
dürfen. Aber wie denkt man sich eigentlich
eine dauernde Blüte Belgiens, wenn in
Deutschland graues Elend und Armut herrschen?
Noch schlägt das Herz Flanderns kräftiger
als die „belgische Seele" der Fransquillons.
MitderHartnäckigkeit, die den flämischen Stamm
auszeichnet, wird an dem Lebensrecht der nieder¬
deutschen Rasse festgehalten und Flandern
rüstete sich, das Goldene Sporenfest, das Ge¬
denkfest niederdeutscher Unbeugsamkeit gegen
das Franzosentum, am 11. Juli besonders
demonstrativ zu feiern. Die Fransquillons
verboten dies Jahr das Fest und befahlen
dafür Teilnahme am — französischen National¬
fest vom 14. Juli. Dabei sollte das für
Belgien heute so unsinnige und gefährliche
Militärbündnis mit Frankreich gefeiert wer¬
den. Aber die Manier folgten der Losung
Kamill Huysmans: „Und dennoch werden wir
das Sporenfest feiern." 20 000 Vlamen
durchzogen unter dem lange vergeblichen
Widerstand der Polizei Antwerpen, und ein
paar Stunden lang wehte die flandrische
Löwenfahne vom höchsten Turm. Da ließ
Belgien auf Flandern schießen. Hermann
van den Neeck, ein zwanzigjähriger Student,
fiel als Blutzeuge für Flandern. Er wird
nicht der letzte sein. Nehmen wir seinen
Namen als Wahrzeichen: Hermann vom
Reiche! Denn Flandern lebt, und von Ypern

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[0118] Drinnen und draußen geworden sind. Deutschland hat im 16. Jahr¬ hundert den Freiheitskampf seiner holländischen Söhne nicht unterstützt. Es hat die südlichen katholischen Niederlande im Joch der Spanier gelassen. So entstand Holland als Staat und Belgien als partikuläres Gebilde. An den Mündungen großer Ströme und an den günstigsten Meeresküsten der deutschen Nation gelegen, blühten sie auf Kosten des ab¬ gedrängten Hinterlandes auf. Vor dem Welt¬ krieg haben lange Fricdensjährzehnte Holland und Belgien wirtschaftlich wieder an den weiteren Kreis der deutschen Nation heran¬ geführt. Während des Krieges haben wir bei den tapferen Führern der flämischen Be¬ wegung «und die Möglichkeit einer Wieder¬ vereinigung der deutschen Nation kennen gelernt, obwohl die Gesamtheit des deutschen Volkes für einen solchen großdeutschen Ge¬ danken noch gar nicht reif war. Nun ist das alles verschüttet. Nicht Flamen, auch nicht die Wallonen, sondern das französierte Brüssel, der Franskillon, d. h. der nieder¬ deutsche, der seine Seele an das Franzosentum verkauft hat und nun als Renegat ein wütender Französling geworden ist, beherrscht die belgische Politik. Er ist der treueste Gehilfe der französischen Revanche geworden. Er, nicht der Wallone oder der Flame, hat Eupen und Malmedh vom deutschen Körper abgerissen, ein zwar kleiner, aber doch der schamloseste aller Gebietsverluste, die uns zu¬ gefügt worden sind. Der erst 1330 ver- selbständigte„belgischeTeil"Altdeutschlands, der zwischen Niederdeutschtum und Wallonentum die nur beim Kapitalisten und politischen Streber vorhandene „belgische Seele" bis 1914 so mühsam mit der Laterne suchen mußte, will, von der Entente verhätschelt, reicher und mächtiger werden als die 60 Millionen Hungerleider im deutschen Binnenlande. In Spaa hat kein Staat die französische Politik so bedingungslos gestützt wie Belgien. Eupen und Malmedh sind hauptsächlich des¬ halb annektiert worden, um Machtpolitik zu treiben, die Forts von Lüttich vorzutreiben und Köln von belgischen Boden aus beschießen zu können. Am 6. Juli hat vor dem Schwur¬ gericht der Prozeß gegen die Universitäts¬ professoren begonnen, die sich der flämischen Universität in Gent zur Verfügung gestellt hatten. Diese Universität wird heute nur „l'Universite von Bissing" genannt. Der Deutschenhaß steht in Brüssel in vollster Blüte. Unser überstürzter Abzug aus dem Lande im November 1918 ließ eine große Anzahl von Schriftstücken zurück, die, wie z. B. die List der belgischen Zeichner unserer Kriegs¬ anleihen, nun die Grundlage zu Strafprozessen bilden. Träger der antideutschen Stimmung sind besonders die Kreise, die während der deutschen Okkupation materielle Verluste hatten, z. B. die durch Einrichtung deutscher Gerichte beschäftigungslos gewordenen Advokaten. Sie werden heute mit der Verwaltung sequestrierten deutschen Eigentums entschädigt. Auch in Antwerpen nähren die Fransquillons den Deutschenhaß; selbst durch Plakate und Um¬ züge, so verblendet das auch ist. Nie wieder soll sich die deutsche Wirtschaft an ihrem na¬ türlichen Fußpunkt Antwerpen neu erheben dürfen. Aber wie denkt man sich eigentlich eine dauernde Blüte Belgiens, wenn in Deutschland graues Elend und Armut herrschen? Noch schlägt das Herz Flanderns kräftiger als die „belgische Seele" der Fransquillons. MitderHartnäckigkeit, die den flämischen Stamm auszeichnet, wird an dem Lebensrecht der nieder¬ deutschen Rasse festgehalten und Flandern rüstete sich, das Goldene Sporenfest, das Ge¬ denkfest niederdeutscher Unbeugsamkeit gegen das Franzosentum, am 11. Juli besonders demonstrativ zu feiern. Die Fransquillons verboten dies Jahr das Fest und befahlen dafür Teilnahme am — französischen National¬ fest vom 14. Juli. Dabei sollte das für Belgien heute so unsinnige und gefährliche Militärbündnis mit Frankreich gefeiert wer¬ den. Aber die Manier folgten der Losung Kamill Huysmans: „Und dennoch werden wir das Sporenfest feiern." 20 000 Vlamen durchzogen unter dem lange vergeblichen Widerstand der Polizei Antwerpen, und ein paar Stunden lang wehte die flandrische Löwenfahne vom höchsten Turm. Da ließ Belgien auf Flandern schießen. Hermann van den Neeck, ein zwanzigjähriger Student, fiel als Blutzeuge für Flandern. Er wird nicht der letzte sein. Nehmen wir seinen Namen als Wahrzeichen: Hermann vom Reiche! Denn Flandern lebt, und von Ypern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/118>, abgerufen am 25.05.2024.