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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Bücherschau

[Beginn Spaltensatz]

dem Kaiser in die Schuhe geschoben, obgleich
zugegeben wird, daß "der moderne Staat"
im allgemeinen sich nicht der Verantwortlichkeit
der Arbeiterschaft gegenüber bewußt geworden
sei. In seiner englisch orientierten Auffassung,
die in einem Bündnis mit England, wie es
z. B. Lord Salisbury 1895 mit dem Vor-
schlag einer Aufteilung der Türkei unter Eng¬
land, Deutschland und Österreich-Ungarn vor¬
schlug, das alleinige Heil für unser Land er¬
blickte, übersieht er ganz, daß England damit
uns sofort in einen Krieg mit Rußland und
Frankreich verwickelt hätte, dem es von seiner
Insel aus gelassen zugesehen hätte, froh, daß
seine beiden mächtigsten Gegner sich gegen¬
seitig zerfleischten. Der Verfasser weiß offen¬
bar nichts von dem Buche John Morels
"Nsroeco in OipIomÄL^", das die Politik

[Spaltenumbruch]

Deutschlands in dieser Periode, wo es nicht
der herausfordernde, sondern stets nur der
herausgeforderte Teil gewesen sei, als würdig
und loyal gegenüber den Signaturmächten
hinstellt, dagegen die Politik Englands und
Frankreichs als schamlos die öffentliche
Meinung irreführend verdammt. Es wäre
für die Demokraten und Pazifisten besser und
ehrenvoller, wenn sie sich weniger mit der
Beschmutzung des eigenen Volkes als mit den
soviel größeren verbrecherischen Absichten
unserer Feinde beschäftigten. Wenn Amend
die Knebelung der öffentlichen Meinung durch
die Zensur während des Krieges beklagt, s"
wird diese Zensur nachträglich geradezu gerecht¬
fertigt durch Bücher, denen in solchem Grade
jede nationale Würde und politische Selbst¬
zensur fehlt.

A. v. Hartmann [Ende Spaltensatz]


Verantwortlich: i, V, Hans von Sodenstern in Berlin.
Schristleiwng und Verlag: Berlin SV/ II, Tempelhofer User SS", Fernruf: Lützow Vblv.
Verlag: K, F. Koester, Abteilung Grenzboten, Berlin.
Druck W. Mo-her Buchdrucker", Berlin 8 14, Stallschreiberstr. S4/SS.

Rücksendung von Manuskripten erfolgt nur gegen beigefügtes Rückporto.
Nachdruck sämtlicher Aufsätze ist nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlages gestattet




Bücherschau

[Beginn Spaltensatz]

dem Kaiser in die Schuhe geschoben, obgleich
zugegeben wird, daß „der moderne Staat"
im allgemeinen sich nicht der Verantwortlichkeit
der Arbeiterschaft gegenüber bewußt geworden
sei. In seiner englisch orientierten Auffassung,
die in einem Bündnis mit England, wie es
z. B. Lord Salisbury 1895 mit dem Vor-
schlag einer Aufteilung der Türkei unter Eng¬
land, Deutschland und Österreich-Ungarn vor¬
schlug, das alleinige Heil für unser Land er¬
blickte, übersieht er ganz, daß England damit
uns sofort in einen Krieg mit Rußland und
Frankreich verwickelt hätte, dem es von seiner
Insel aus gelassen zugesehen hätte, froh, daß
seine beiden mächtigsten Gegner sich gegen¬
seitig zerfleischten. Der Verfasser weiß offen¬
bar nichts von dem Buche John Morels
„Nsroeco in OipIomÄL^", das die Politik

[Spaltenumbruch]

Deutschlands in dieser Periode, wo es nicht
der herausfordernde, sondern stets nur der
herausgeforderte Teil gewesen sei, als würdig
und loyal gegenüber den Signaturmächten
hinstellt, dagegen die Politik Englands und
Frankreichs als schamlos die öffentliche
Meinung irreführend verdammt. Es wäre
für die Demokraten und Pazifisten besser und
ehrenvoller, wenn sie sich weniger mit der
Beschmutzung des eigenen Volkes als mit den
soviel größeren verbrecherischen Absichten
unserer Feinde beschäftigten. Wenn Amend
die Knebelung der öffentlichen Meinung durch
die Zensur während des Krieges beklagt, s»
wird diese Zensur nachträglich geradezu gerecht¬
fertigt durch Bücher, denen in solchem Grade
jede nationale Würde und politische Selbst¬
zensur fehlt.

A. v. Hartmann [Ende Spaltensatz]


Verantwortlich: i, V, Hans von Sodenstern in Berlin.
Schristleiwng und Verlag: Berlin SV/ II, Tempelhofer User SS», Fernruf: Lützow Vblv.
Verlag: K, F. Koester, Abteilung Grenzboten, Berlin.
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[0378] Bücherschau dem Kaiser in die Schuhe geschoben, obgleich zugegeben wird, daß „der moderne Staat" im allgemeinen sich nicht der Verantwortlichkeit der Arbeiterschaft gegenüber bewußt geworden sei. In seiner englisch orientierten Auffassung, die in einem Bündnis mit England, wie es z. B. Lord Salisbury 1895 mit dem Vor- schlag einer Aufteilung der Türkei unter Eng¬ land, Deutschland und Österreich-Ungarn vor¬ schlug, das alleinige Heil für unser Land er¬ blickte, übersieht er ganz, daß England damit uns sofort in einen Krieg mit Rußland und Frankreich verwickelt hätte, dem es von seiner Insel aus gelassen zugesehen hätte, froh, daß seine beiden mächtigsten Gegner sich gegen¬ seitig zerfleischten. Der Verfasser weiß offen¬ bar nichts von dem Buche John Morels „Nsroeco in OipIomÄL^", das die Politik Deutschlands in dieser Periode, wo es nicht der herausfordernde, sondern stets nur der herausgeforderte Teil gewesen sei, als würdig und loyal gegenüber den Signaturmächten hinstellt, dagegen die Politik Englands und Frankreichs als schamlos die öffentliche Meinung irreführend verdammt. Es wäre für die Demokraten und Pazifisten besser und ehrenvoller, wenn sie sich weniger mit der Beschmutzung des eigenen Volkes als mit den soviel größeren verbrecherischen Absichten unserer Feinde beschäftigten. Wenn Amend die Knebelung der öffentlichen Meinung durch die Zensur während des Krieges beklagt, s» wird diese Zensur nachträglich geradezu gerecht¬ fertigt durch Bücher, denen in solchem Grade jede nationale Würde und politische Selbst¬ zensur fehlt. A. v. Hartmann Verantwortlich: i, V, Hans von Sodenstern in Berlin. Schristleiwng und Verlag: Berlin SV/ II, Tempelhofer User SS», Fernruf: Lützow Vblv. Verlag: K, F. Koester, Abteilung Grenzboten, Berlin. Druck W. Mo-her Buchdrucker«, Berlin 8 14, Stallschreiberstr. S4/SS. Rücksendung von Manuskripten erfolgt nur gegen beigefügtes Rückporto. Nachdruck sämtlicher Aufsätze ist nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlages gestattet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/378>, abgerufen am 19.05.2024.