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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Der Daseinskampf der Deutschen Bücherei im deutschen Bibliothekswesen

Z. B. in schlechten Zeiten ihre Arbeit einschränken und sogar beschließen
können, keine oder nur wenige Bücher anzuschaffen, ist der Deutschen
Bücherei eine solche Einschränkung überhaupt unmöglich, da der Gedanke der
Deutschen Bücherei eben auf dem Prinzip der absoluten Voll¬
ständigkeit des deutschen Schrifttums beruht. Würde dieses auf¬
gegeben werden/ so wäre die Idee der Deutschen Bücherei hinfällig und ihr
Weiterbestehen nicht mehr zu rechtfertigen. Je mehr die Deutsche Bücherei von
den skizzierten Aufgaben übernehmen wird, desto mehr wird sie sich in ihrem
Charakter von den anderen Bibliotheken unterscheiden müssen. Sie ist weit
davon entfernt, etwa eine Reichs-, National- oder Zentralbibliothek für Deutsch¬
land sein zu können und zu wollen, sondern sie wird eine Art Hilssanstalt für alle
anderen werden, aber doch ein Mittelpunkt für bibliothekswissenschaftliche Ar¬
beiten, die nur von ihr unternommen werden können, und sie wird weniger für
sich als für andere und die Gesamtheit Arbeit leisten. Daher wird sie nie den
Ehrgeiz fühlen dürfen, selbst die meisten Benutzer im eigenen Lesesaal bedienen
oder den größten Bücherumsatz als das Erstrebenswerteste ansehen zu wollen,
sondern ihre Hauptarbeit wird sich mehr innerhalb eines wohlgeschulten Beamten¬
körpers an den Katalogen, am Redaktionstisch oder von Bibliothek zu Bibliothek,
nicht aber im direkten Verkehr mit dem Publikum abspielen.

Die Deutsche Bücherei wird im Kreise der deutschen Bibliotheken eine
bedeutende Rolle spielen und hervorragende Leistungen bieten, wenn sie sich
erst einmal frei von allen Finanzsorgen ganz der bibliothekswissenschaftlichen
Arbeit zu widmen vermag, und eine Entlastung für alle anderen Bibliotheken
bedeuten, wenn sie erst dem allgemeinen Leihverkehr ihre Schätze wird zur Ver¬
fügung stellen können. Jeder, der in den letzten Jahren den stolzen Bau an der
Straße des 18. Oktober betreten und einen Blick in den Organismus der Bücherei
geworfen hat, ist erstaunt gewesen über dieses deutsche Kulturwerk, das dort
Mitten in schwerster Kriegszeit emporgewachsen ist. Möge die Hilfe, die der
Deutschen Bücherei immer wieder von den maßgebenden Vertretern des Reiches
und der Einzelstaaten zugesichert worden ist, bald und ausreichend eintreffen
Sum Ruhme der deutschen Wissenschaft und zur Hebung des Ansehens unseres
Vaterlandes; denn nach dem unglücklich verlaufenen Kriege brauchen wir mehr
denn je ein verstärktes Eintreten für deutsche Kulturförderung, eine erhöhte
Anstrengung, unser Geistesleben zu pflegen, unsere ideellen Güter zu wahren
und unsern geistigen Ruf in der Welt zu erhalten und zu vermehren!




Der Daseinskampf der Deutschen Bücherei im deutschen Bibliothekswesen

Z. B. in schlechten Zeiten ihre Arbeit einschränken und sogar beschließen
können, keine oder nur wenige Bücher anzuschaffen, ist der Deutschen
Bücherei eine solche Einschränkung überhaupt unmöglich, da der Gedanke der
Deutschen Bücherei eben auf dem Prinzip der absoluten Voll¬
ständigkeit des deutschen Schrifttums beruht. Würde dieses auf¬
gegeben werden/ so wäre die Idee der Deutschen Bücherei hinfällig und ihr
Weiterbestehen nicht mehr zu rechtfertigen. Je mehr die Deutsche Bücherei von
den skizzierten Aufgaben übernehmen wird, desto mehr wird sie sich in ihrem
Charakter von den anderen Bibliotheken unterscheiden müssen. Sie ist weit
davon entfernt, etwa eine Reichs-, National- oder Zentralbibliothek für Deutsch¬
land sein zu können und zu wollen, sondern sie wird eine Art Hilssanstalt für alle
anderen werden, aber doch ein Mittelpunkt für bibliothekswissenschaftliche Ar¬
beiten, die nur von ihr unternommen werden können, und sie wird weniger für
sich als für andere und die Gesamtheit Arbeit leisten. Daher wird sie nie den
Ehrgeiz fühlen dürfen, selbst die meisten Benutzer im eigenen Lesesaal bedienen
oder den größten Bücherumsatz als das Erstrebenswerteste ansehen zu wollen,
sondern ihre Hauptarbeit wird sich mehr innerhalb eines wohlgeschulten Beamten¬
körpers an den Katalogen, am Redaktionstisch oder von Bibliothek zu Bibliothek,
nicht aber im direkten Verkehr mit dem Publikum abspielen.

Die Deutsche Bücherei wird im Kreise der deutschen Bibliotheken eine
bedeutende Rolle spielen und hervorragende Leistungen bieten, wenn sie sich
erst einmal frei von allen Finanzsorgen ganz der bibliothekswissenschaftlichen
Arbeit zu widmen vermag, und eine Entlastung für alle anderen Bibliotheken
bedeuten, wenn sie erst dem allgemeinen Leihverkehr ihre Schätze wird zur Ver¬
fügung stellen können. Jeder, der in den letzten Jahren den stolzen Bau an der
Straße des 18. Oktober betreten und einen Blick in den Organismus der Bücherei
geworfen hat, ist erstaunt gewesen über dieses deutsche Kulturwerk, das dort
Mitten in schwerster Kriegszeit emporgewachsen ist. Möge die Hilfe, die der
Deutschen Bücherei immer wieder von den maßgebenden Vertretern des Reiches
und der Einzelstaaten zugesichert worden ist, bald und ausreichend eintreffen
Sum Ruhme der deutschen Wissenschaft und zur Hebung des Ansehens unseres
Vaterlandes; denn nach dem unglücklich verlaufenen Kriege brauchen wir mehr
denn je ein verstärktes Eintreten für deutsche Kulturförderung, eine erhöhte
Anstrengung, unser Geistesleben zu pflegen, unsere ideellen Güter zu wahren
und unsern geistigen Ruf in der Welt zu erhalten und zu vermehren!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/133>, abgerufen am 15.05.2024.