Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Dantes Weltanschauung und das zwanzigste Jahrhundert

und die darum das Schöne zu ihm gesellt hat, als pädagogische Umschalung,
wenn man so will, oder auch als natürliche Harmonie, die aus der Seligkeit des
reinen Geistes quillt. Freude des Schönen und Seligkeit des Guten verbündet
gegen die unselige und unschöne materielle Lust, das ist Dantes Grund¬
stimmung, weshalb er nicht nur Denker, sondern auch Dichter ist. Ein Gedicht
von ihm lautet:

Die ganze Schönheit des Mittelalters steht im Dienste des Guten. Das
Ästhetische wird nicht um seiner selbst willen gesucht. Aber gerade darum sprießt
aus dem Streben nach dem Guten die Freude des Schönen, wie dei Dante das
jenseitige Gottesreich den fteudeglänzenden Garten Eden auf dem höchsten Gipfel
der Erde erwachsen läßt, den der Fuß der geläuterten Pilger betritt. Das ewige
Mittelalter, nach dem wir uns im Rückschlag gegen ein materialistisches Zeitalter
sehnen, liegt nicht da hinten irgendwo im historischen Mittelalter; es liegt aber
auch nicht in mürrischer, an der Welt verzweifelnder Askese. Es liegt vor uns
in unserem Durst nach dem Schönen und in unserem Willen zum Guten, den
beiden Schöpferkräften, die in ihrer Vereinigung den Mann, dessen wir heute
gedenken, dazu ermächtigt haben, für die Menschheit einen geistigen Erdteil zu
entdecken und zu erobern.

Er ist in der Menschheitsgeschichte eines der herrlichsten und ermutigendsten
Beispiele jenes Strebens, das zum Höchsten vordringt, weil es weiß, daß solchem
Streben ein seliges Ziel gesetzt ist gemäß den Versen der Commedia, mit denen,
ich schließen möchte:




Dantes Weltanschauung und das zwanzigste Jahrhundert

und die darum das Schöne zu ihm gesellt hat, als pädagogische Umschalung,
wenn man so will, oder auch als natürliche Harmonie, die aus der Seligkeit des
reinen Geistes quillt. Freude des Schönen und Seligkeit des Guten verbündet
gegen die unselige und unschöne materielle Lust, das ist Dantes Grund¬
stimmung, weshalb er nicht nur Denker, sondern auch Dichter ist. Ein Gedicht
von ihm lautet:

Die ganze Schönheit des Mittelalters steht im Dienste des Guten. Das
Ästhetische wird nicht um seiner selbst willen gesucht. Aber gerade darum sprießt
aus dem Streben nach dem Guten die Freude des Schönen, wie dei Dante das
jenseitige Gottesreich den fteudeglänzenden Garten Eden auf dem höchsten Gipfel
der Erde erwachsen läßt, den der Fuß der geläuterten Pilger betritt. Das ewige
Mittelalter, nach dem wir uns im Rückschlag gegen ein materialistisches Zeitalter
sehnen, liegt nicht da hinten irgendwo im historischen Mittelalter; es liegt aber
auch nicht in mürrischer, an der Welt verzweifelnder Askese. Es liegt vor uns
in unserem Durst nach dem Schönen und in unserem Willen zum Guten, den
beiden Schöpferkräften, die in ihrer Vereinigung den Mann, dessen wir heute
gedenken, dazu ermächtigt haben, für die Menschheit einen geistigen Erdteil zu
entdecken und zu erobern.

Er ist in der Menschheitsgeschichte eines der herrlichsten und ermutigendsten
Beispiele jenes Strebens, das zum Höchsten vordringt, weil es weiß, daß solchem
Streben ein seliges Ziel gesetzt ist gemäß den Versen der Commedia, mit denen,
ich schließen möchte:




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0320" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339469"/>
            <fw type="header" place="top"> Dantes Weltanschauung und das zwanzigste Jahrhundert</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1305" prev="#ID_1304"> und die darum das Schöne zu ihm gesellt hat, als pädagogische Umschalung,<lb/>
wenn man so will, oder auch als natürliche Harmonie, die aus der Seligkeit des<lb/>
reinen Geistes quillt. Freude des Schönen und Seligkeit des Guten verbündet<lb/>
gegen die unselige und unschöne materielle Lust, das ist Dantes Grund¬<lb/>
stimmung, weshalb er nicht nur Denker, sondern auch Dichter ist. Ein Gedicht<lb/>
von ihm lautet:</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_27" type="poem">
              <l/>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_1306"> Die ganze Schönheit des Mittelalters steht im Dienste des Guten. Das<lb/>
Ästhetische wird nicht um seiner selbst willen gesucht. Aber gerade darum sprießt<lb/>
aus dem Streben nach dem Guten die Freude des Schönen, wie dei Dante das<lb/>
jenseitige Gottesreich den fteudeglänzenden Garten Eden auf dem höchsten Gipfel<lb/>
der Erde erwachsen läßt, den der Fuß der geläuterten Pilger betritt. Das ewige<lb/>
Mittelalter, nach dem wir uns im Rückschlag gegen ein materialistisches Zeitalter<lb/>
sehnen, liegt nicht da hinten irgendwo im historischen Mittelalter; es liegt aber<lb/>
auch nicht in mürrischer, an der Welt verzweifelnder Askese. Es liegt vor uns<lb/>
in unserem Durst nach dem Schönen und in unserem Willen zum Guten, den<lb/>
beiden Schöpferkräften, die in ihrer Vereinigung den Mann, dessen wir heute<lb/>
gedenken, dazu ermächtigt haben, für die Menschheit einen geistigen Erdteil zu<lb/>
entdecken und zu erobern.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1307"> Er ist in der Menschheitsgeschichte eines der herrlichsten und ermutigendsten<lb/>
Beispiele jenes Strebens, das zum Höchsten vordringt, weil es weiß, daß solchem<lb/>
Streben ein seliges Ziel gesetzt ist gemäß den Versen der Commedia, mit denen,<lb/>
ich schließen möchte:</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_28" type="poem">
              <l/>
            </lg><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0320] Dantes Weltanschauung und das zwanzigste Jahrhundert und die darum das Schöne zu ihm gesellt hat, als pädagogische Umschalung, wenn man so will, oder auch als natürliche Harmonie, die aus der Seligkeit des reinen Geistes quillt. Freude des Schönen und Seligkeit des Guten verbündet gegen die unselige und unschöne materielle Lust, das ist Dantes Grund¬ stimmung, weshalb er nicht nur Denker, sondern auch Dichter ist. Ein Gedicht von ihm lautet: Die ganze Schönheit des Mittelalters steht im Dienste des Guten. Das Ästhetische wird nicht um seiner selbst willen gesucht. Aber gerade darum sprießt aus dem Streben nach dem Guten die Freude des Schönen, wie dei Dante das jenseitige Gottesreich den fteudeglänzenden Garten Eden auf dem höchsten Gipfel der Erde erwachsen läßt, den der Fuß der geläuterten Pilger betritt. Das ewige Mittelalter, nach dem wir uns im Rückschlag gegen ein materialistisches Zeitalter sehnen, liegt nicht da hinten irgendwo im historischen Mittelalter; es liegt aber auch nicht in mürrischer, an der Welt verzweifelnder Askese. Es liegt vor uns in unserem Durst nach dem Schönen und in unserem Willen zum Guten, den beiden Schöpferkräften, die in ihrer Vereinigung den Mann, dessen wir heute gedenken, dazu ermächtigt haben, für die Menschheit einen geistigen Erdteil zu entdecken und zu erobern. Er ist in der Menschheitsgeschichte eines der herrlichsten und ermutigendsten Beispiele jenes Strebens, das zum Höchsten vordringt, weil es weiß, daß solchem Streben ein seliges Ziel gesetzt ist gemäß den Versen der Commedia, mit denen, ich schließen möchte:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/320
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/320>, abgerufen am 22.05.2024.