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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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günstigen Entscheidung zu rechnen haben würden, folgte man, durch die Er¬
fahrungen der Londoner Konferenz unbelehrt, wieder englischen Einflüsterungen,
begab sich aller Möglichkeit, rechtzeitig eine regierungsfähige Opposition zu orga¬
nisieren, damit mutzte auch dem Ausländer klar werden, daß wegen der ver¬
schwommenen inneren Lage ein Rücktritt des Kabinetts oder auch nur seine
wesentliche Umbildung nicht möglich war, und ihm in Erinnerung früherer Vor¬
gänge die Vermutung geradezu nahelegen, daß Deutschland nach anfänglichem
ungeheurem Geschrei auch die Oberschlesien-Entscheidung annehmen würde, wie
es den Friedensvertrag und das Londoner Ultimatum angenommen hatte. An¬
genommen aber, eine solche Opposition mit zugkräftigem und realisierbarem Pro¬
gramm war wirklich unmöglich, dann war es nichts als ein gewissenloses und
bei der schwierigen außenpolitischen Lage der Regierung doppelt verwerfliches
Parteimanöver, eine Agitation zu entfalten, die außenpolitisch wirkungslos ver¬
puffen mutzte und nur geeignet war, die Regierung aus innenpolitischen Rück¬
sichten zu unüberlegten Erklärungen hinzudrängen.

Auch hier also hat man wieder, statt sich über das außenpolitische Kräfte¬
verhältnis klar zu werden, Stimmungspoütik ohne jeden realen Untergrund ge¬
trieben. Es ist ja sehr schön, wenn in England oder in Amerika immer mehr
Geschäftsleute den Unsinn des Versailler Friedensvertrages einzusehen beginnen
und erwägen, wie man dem auch für die angelsächsischen Länder verhängnisvollen
Sturz der Mark Einhalt tun könnte. Von da aber bis zu politischen Ent¬
schließungen und entscheidenden politischen Wendungen ist doch noch ein ungeheuer
weiter Schritt.

Vor allen Dingen nutz jedoch bei dieser Orientierung gefragt werden, was
bietet denn die Anlehnung an diesen Block Deutschland für reale Vorteile? Was
berechtigt uns denn, auf englischen Beistand zu rechnen? Bis jetzt sind die Eng¬
länder bei allen französisch - englischen Auseinandersetzungen über Deutschland
ständig umgefallen und bei jeder Gelegenheit bereit gewesen, eine Opposition zu¬
gunsten Deutschlands für Vorteile im Orient fallen zu lassen. Lloyd George hat
nachgegeben in der Frage der Besetzung des Rheinlandes, Amerika hat nachge¬
geben in bezug auf Okkupation des Saargebietes, Lloyd George hat nachgegeben
in San Remo, immer auf Kosten Deutschlands, Lloyd George hat nachgegeben
in Paris und London, und Lloyd George hat nachgegeben in der oberschlesischen
Frage. Lord d'Abernon hat sich wiederholt als unzureichend informiert, um es
milde auszudrücken, erwiesen. Und wenn man immer wieder behauptet, daß das
Abkommen mit Loucheur den Franzosen vorteilhaft wäre (als ob die Sieger es
überhaupt abgeschlossen hätten, wenn es ihnen keinen Vorteil verspräche!), so darf
man bei den Koalitionsbestrebungen wohl fragen, weshalb denn die Engländer
sie angeblich so eifrig fördern? Gewiß doch nicht, um der schönen Augen
Deutschlands halber.

Man sieht, mit dergleichen Argumenten läßt sich zwar trefflich streiten, eine
reale Politik jedoch nicht begründen. Ist es den Engländern ernst mit einer
englisch-deutschen Anlehnungspolitik, so müssen sie uns zunächst davon überzeugen,
datz wir von ihnen größere Vorteile zu erwarten haben als von einem Zusammen¬
arbeiten mit Frankreich, das auf die Dauer vielleicht nicht haltbar, für den Augen¬
blick jedoch unstreitig eine gewisse Beruhigung drüben wie hüben zu schaffen ge¬
eignet ist. Gänzlich verkehrt nutz es jedoch erscheinen und genannt werden, wenn
Man schon jetzt die Geschäfte Englands dadurch besorgt, daß man in Wieder-
holung älterer mit Hohn zurückgewiesener Anregungen erneut den Feldzug gegen
die Bolschewisten predigt. Ganz abgesehen von den politischen, finanziellen und
militärischen Schwierigkeiten, die die Ausführung eines solchen Planes als geradezu
unmöglich erscheinen lassen, darf man nach den Erfahrungen mit Denikins und
Koltschaks nicht vergessen, daß eine solche Intervention auch von den Antibolsche-
wisten bekämpft worden ist, und datz sie selbst für den sehr fraglichen Fall eines
durchgreifenden und endgültigen Erfolges Deutschland auf Jahrzehnte hinaus
stärker mit Rußland verfeinden würde, als es bereits durch die unglückselige Pro-


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günstigen Entscheidung zu rechnen haben würden, folgte man, durch die Er¬
fahrungen der Londoner Konferenz unbelehrt, wieder englischen Einflüsterungen,
begab sich aller Möglichkeit, rechtzeitig eine regierungsfähige Opposition zu orga¬
nisieren, damit mutzte auch dem Ausländer klar werden, daß wegen der ver¬
schwommenen inneren Lage ein Rücktritt des Kabinetts oder auch nur seine
wesentliche Umbildung nicht möglich war, und ihm in Erinnerung früherer Vor¬
gänge die Vermutung geradezu nahelegen, daß Deutschland nach anfänglichem
ungeheurem Geschrei auch die Oberschlesien-Entscheidung annehmen würde, wie
es den Friedensvertrag und das Londoner Ultimatum angenommen hatte. An¬
genommen aber, eine solche Opposition mit zugkräftigem und realisierbarem Pro¬
gramm war wirklich unmöglich, dann war es nichts als ein gewissenloses und
bei der schwierigen außenpolitischen Lage der Regierung doppelt verwerfliches
Parteimanöver, eine Agitation zu entfalten, die außenpolitisch wirkungslos ver¬
puffen mutzte und nur geeignet war, die Regierung aus innenpolitischen Rück¬
sichten zu unüberlegten Erklärungen hinzudrängen.

Auch hier also hat man wieder, statt sich über das außenpolitische Kräfte¬
verhältnis klar zu werden, Stimmungspoütik ohne jeden realen Untergrund ge¬
trieben. Es ist ja sehr schön, wenn in England oder in Amerika immer mehr
Geschäftsleute den Unsinn des Versailler Friedensvertrages einzusehen beginnen
und erwägen, wie man dem auch für die angelsächsischen Länder verhängnisvollen
Sturz der Mark Einhalt tun könnte. Von da aber bis zu politischen Ent¬
schließungen und entscheidenden politischen Wendungen ist doch noch ein ungeheuer
weiter Schritt.

Vor allen Dingen nutz jedoch bei dieser Orientierung gefragt werden, was
bietet denn die Anlehnung an diesen Block Deutschland für reale Vorteile? Was
berechtigt uns denn, auf englischen Beistand zu rechnen? Bis jetzt sind die Eng¬
länder bei allen französisch - englischen Auseinandersetzungen über Deutschland
ständig umgefallen und bei jeder Gelegenheit bereit gewesen, eine Opposition zu¬
gunsten Deutschlands für Vorteile im Orient fallen zu lassen. Lloyd George hat
nachgegeben in der Frage der Besetzung des Rheinlandes, Amerika hat nachge¬
geben in bezug auf Okkupation des Saargebietes, Lloyd George hat nachgegeben
in San Remo, immer auf Kosten Deutschlands, Lloyd George hat nachgegeben
in Paris und London, und Lloyd George hat nachgegeben in der oberschlesischen
Frage. Lord d'Abernon hat sich wiederholt als unzureichend informiert, um es
milde auszudrücken, erwiesen. Und wenn man immer wieder behauptet, daß das
Abkommen mit Loucheur den Franzosen vorteilhaft wäre (als ob die Sieger es
überhaupt abgeschlossen hätten, wenn es ihnen keinen Vorteil verspräche!), so darf
man bei den Koalitionsbestrebungen wohl fragen, weshalb denn die Engländer
sie angeblich so eifrig fördern? Gewiß doch nicht, um der schönen Augen
Deutschlands halber.

Man sieht, mit dergleichen Argumenten läßt sich zwar trefflich streiten, eine
reale Politik jedoch nicht begründen. Ist es den Engländern ernst mit einer
englisch-deutschen Anlehnungspolitik, so müssen sie uns zunächst davon überzeugen,
datz wir von ihnen größere Vorteile zu erwarten haben als von einem Zusammen¬
arbeiten mit Frankreich, das auf die Dauer vielleicht nicht haltbar, für den Augen¬
blick jedoch unstreitig eine gewisse Beruhigung drüben wie hüben zu schaffen ge¬
eignet ist. Gänzlich verkehrt nutz es jedoch erscheinen und genannt werden, wenn
Man schon jetzt die Geschäfte Englands dadurch besorgt, daß man in Wieder-
holung älterer mit Hohn zurückgewiesener Anregungen erneut den Feldzug gegen
die Bolschewisten predigt. Ganz abgesehen von den politischen, finanziellen und
militärischen Schwierigkeiten, die die Ausführung eines solchen Planes als geradezu
unmöglich erscheinen lassen, darf man nach den Erfahrungen mit Denikins und
Koltschaks nicht vergessen, daß eine solche Intervention auch von den Antibolsche-
wisten bekämpft worden ist, und datz sie selbst für den sehr fraglichen Fall eines
durchgreifenden und endgültigen Erfolges Deutschland auf Jahrzehnte hinaus
stärker mit Rußland verfeinden würde, als es bereits durch die unglückselige Pro-


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[0133] Weltspiegel günstigen Entscheidung zu rechnen haben würden, folgte man, durch die Er¬ fahrungen der Londoner Konferenz unbelehrt, wieder englischen Einflüsterungen, begab sich aller Möglichkeit, rechtzeitig eine regierungsfähige Opposition zu orga¬ nisieren, damit mutzte auch dem Ausländer klar werden, daß wegen der ver¬ schwommenen inneren Lage ein Rücktritt des Kabinetts oder auch nur seine wesentliche Umbildung nicht möglich war, und ihm in Erinnerung früherer Vor¬ gänge die Vermutung geradezu nahelegen, daß Deutschland nach anfänglichem ungeheurem Geschrei auch die Oberschlesien-Entscheidung annehmen würde, wie es den Friedensvertrag und das Londoner Ultimatum angenommen hatte. An¬ genommen aber, eine solche Opposition mit zugkräftigem und realisierbarem Pro¬ gramm war wirklich unmöglich, dann war es nichts als ein gewissenloses und bei der schwierigen außenpolitischen Lage der Regierung doppelt verwerfliches Parteimanöver, eine Agitation zu entfalten, die außenpolitisch wirkungslos ver¬ puffen mutzte und nur geeignet war, die Regierung aus innenpolitischen Rück¬ sichten zu unüberlegten Erklärungen hinzudrängen. Auch hier also hat man wieder, statt sich über das außenpolitische Kräfte¬ verhältnis klar zu werden, Stimmungspoütik ohne jeden realen Untergrund ge¬ trieben. Es ist ja sehr schön, wenn in England oder in Amerika immer mehr Geschäftsleute den Unsinn des Versailler Friedensvertrages einzusehen beginnen und erwägen, wie man dem auch für die angelsächsischen Länder verhängnisvollen Sturz der Mark Einhalt tun könnte. Von da aber bis zu politischen Ent¬ schließungen und entscheidenden politischen Wendungen ist doch noch ein ungeheuer weiter Schritt. Vor allen Dingen nutz jedoch bei dieser Orientierung gefragt werden, was bietet denn die Anlehnung an diesen Block Deutschland für reale Vorteile? Was berechtigt uns denn, auf englischen Beistand zu rechnen? Bis jetzt sind die Eng¬ länder bei allen französisch - englischen Auseinandersetzungen über Deutschland ständig umgefallen und bei jeder Gelegenheit bereit gewesen, eine Opposition zu¬ gunsten Deutschlands für Vorteile im Orient fallen zu lassen. Lloyd George hat nachgegeben in der Frage der Besetzung des Rheinlandes, Amerika hat nachge¬ geben in bezug auf Okkupation des Saargebietes, Lloyd George hat nachgegeben in San Remo, immer auf Kosten Deutschlands, Lloyd George hat nachgegeben in Paris und London, und Lloyd George hat nachgegeben in der oberschlesischen Frage. Lord d'Abernon hat sich wiederholt als unzureichend informiert, um es milde auszudrücken, erwiesen. Und wenn man immer wieder behauptet, daß das Abkommen mit Loucheur den Franzosen vorteilhaft wäre (als ob die Sieger es überhaupt abgeschlossen hätten, wenn es ihnen keinen Vorteil verspräche!), so darf man bei den Koalitionsbestrebungen wohl fragen, weshalb denn die Engländer sie angeblich so eifrig fördern? Gewiß doch nicht, um der schönen Augen Deutschlands halber. Man sieht, mit dergleichen Argumenten läßt sich zwar trefflich streiten, eine reale Politik jedoch nicht begründen. Ist es den Engländern ernst mit einer englisch-deutschen Anlehnungspolitik, so müssen sie uns zunächst davon überzeugen, datz wir von ihnen größere Vorteile zu erwarten haben als von einem Zusammen¬ arbeiten mit Frankreich, das auf die Dauer vielleicht nicht haltbar, für den Augen¬ blick jedoch unstreitig eine gewisse Beruhigung drüben wie hüben zu schaffen ge¬ eignet ist. Gänzlich verkehrt nutz es jedoch erscheinen und genannt werden, wenn Man schon jetzt die Geschäfte Englands dadurch besorgt, daß man in Wieder- holung älterer mit Hohn zurückgewiesener Anregungen erneut den Feldzug gegen die Bolschewisten predigt. Ganz abgesehen von den politischen, finanziellen und militärischen Schwierigkeiten, die die Ausführung eines solchen Planes als geradezu unmöglich erscheinen lassen, darf man nach den Erfahrungen mit Denikins und Koltschaks nicht vergessen, daß eine solche Intervention auch von den Antibolsche- wisten bekämpft worden ist, und datz sie selbst für den sehr fraglichen Fall eines durchgreifenden und endgültigen Erfolges Deutschland auf Jahrzehnte hinaus stärker mit Rußland verfeinden würde, als es bereits durch die unglückselige Pro-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/133>, abgerufen am 14.05.2024.