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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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diesen Staaten wird es ohne Frage Deutschland fallen, sich zu diesem Standpunkt
durchzuringen. Wir gedenken der vielen Glieder unseres Volistums, die durch
grausame und politisch wie wirtschaftlich gleich widersinnige Verträge trotz aller
schönen Reden vom Selbstbestimmungsrecht der Völker vom Ganzen abgeschnürt
worden sind. Wir gedenken insbesondere jener Hunderttausende, die neuerdings
wieder durch die Oberschlesien-Entscheidung in ihrer nationalen Existenz, in ihrer
Gesinnung und ihrem materiellen Dasein trotz aller papierener Regelungen, die
nicht einmal endgültig, sondern nur ein Provisorium sein sollen, auf das
Schwerste bedroht sind und denen nun keine noch so glühenden Deklamationen
und begeisterten Protestkundgebungen, sondern nur durch tatkräftige Unter¬
stützung geholfen werden kann. Die hartnäckige Weigerung der Franzosen,
die militärischen Sanktionen aufzuheben, die Schwierigkeiten, mit denen jene
Regierung zu kämpfen hat, wenn es sich darum handelt, einmal getane
Schritte zurückMun, läßt für die Zeit der endgültigen Räumung der Rhein¬
lande, der Abstimmung über das Saargebiet, der nochmaligen Änderung des
Status in Oberschlesien das allerschlimmste befürchten. Aber es geht doch nun
nicht an, daß die Völker, angstgebannt auf diesen Moment starrend, während
dieser Frist von 13 Jahren, die vielleicht über das Schicksal Europas endgültig
entscheiden, die Hände in den Schoß legen. Wir haben keinen Grund zu der An¬
nahme, daß Frankreich, wenn die Zeit kommt, weniger auf dem Buchstaben des
Friedensvertrages bestehen wird als heute. Aber dennoch bleibt die Tatsache be¬
stehen, daß in 15 Jahren sich viel ändern kann. Eine Politik auf lange Sicht
erfordert, nicht sich im Hinblick auf den Ablauf dieser 15 Jahre in starrer
Feindschaft gegen Frankreich festzulegen, sondern, die Möglichkeit der Un¬
Versöhnlichkeit freilich stets im Auge behaltend, alle Mittel zu versuchen,
entweder zu einem Einvernehmen mit Frankreich zu gelangen (was dritten
gegenüber die Bündnisfröhlichkeit Deutschlands beträchtlich verstärken würde)
oder auch weiterhin Frankreich moralisch im Unrecht zu sehen, wie es sich
bereits durch seine Farbigen im Rheinland, durch die eigenmächtige Besetzung
Frankfurts, durch das Bestehen auf den Wirtschaftssanktionen, durch seinen Mili-
Zarismus und sein Bündnis mit Polen ins Unrecht gesetzt hat. Solche Aktionen
aber erfordern Ruhe, Umsicht, Klarheit und -- Geduld. Es heißt noch lange
nicht Deutschland verraten, wenn man nicht überall mittut, wo geschrien oder
getrommelt wird. Es ist gerade die Kunst der politischen Leitung, alle Kräfte,
alle Richtungen zu nutzen, jede kann einmal brauchbar werden, auch eine Oppo¬
sition, von welcher Seite sie kommt und sofern sie sich nur nicht gegen den Be¬
stand des Ganzen richtet, kann bei der Durchführung einer Politik gute Dienste
tun. Das große Problem in Deutschland ist nur, Männer zu finden, die sich
energisch genug von innerpolitischen Rücksichten freizumachen vermögen, um eine
solche Politik durchführen zu können. Es hängt wohl mit der eigentümlichen
unreifen Kleinstädterorganisation des Deutschen zusammen, daß er politische Gegen¬
sätze wohl dem Angehörigen einer fremden Nation, nicht aber dem eigenen Lands-
Mann gegenüber zurückstellen kann. Mit einem Kleinstädtervolk aber kann man
keine große Politik treiben.

In wie gefährlicher Weise aber eine solche Kirchturm- und Kleinstädter-
Politik von den weitblickenden Völkern ausgenutzt wird, lehrt das Beispiel
Griechenlands. Heute ist Griechenland nicht einmal in der Lage, seine Schuld-
öwsen zu bezahlen. Für die Verwaltung, für die Durchführung des Felb-
SUges ist kein Geld da, nicht einmal für das Festhalten der Erfolge des Feld-
suges. Während des Feldzuges war es die Entente, die, den persönlichen Ehrgeiz
des Venizelos, den durch die Erfolge des Balkankrieges verstärkten Schrei nach
Großgriechenland ausnutzte. Nach dem Kriege ist es England gewesen, das
unter Benutzung der Restaurationsbewegung die Griechen wieder mit der Parole
Großgriechenland gegen die widerspenstige Regierung von Angora hetzte. Heute
Me sich Lloyd George vor Gunaris verleugnen, der vor französischen Türen
betteln muß, und Unterstützung, wenn überhaupt, nur gegen den Preis einer


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diesen Staaten wird es ohne Frage Deutschland fallen, sich zu diesem Standpunkt
durchzuringen. Wir gedenken der vielen Glieder unseres Volistums, die durch
grausame und politisch wie wirtschaftlich gleich widersinnige Verträge trotz aller
schönen Reden vom Selbstbestimmungsrecht der Völker vom Ganzen abgeschnürt
worden sind. Wir gedenken insbesondere jener Hunderttausende, die neuerdings
wieder durch die Oberschlesien-Entscheidung in ihrer nationalen Existenz, in ihrer
Gesinnung und ihrem materiellen Dasein trotz aller papierener Regelungen, die
nicht einmal endgültig, sondern nur ein Provisorium sein sollen, auf das
Schwerste bedroht sind und denen nun keine noch so glühenden Deklamationen
und begeisterten Protestkundgebungen, sondern nur durch tatkräftige Unter¬
stützung geholfen werden kann. Die hartnäckige Weigerung der Franzosen,
die militärischen Sanktionen aufzuheben, die Schwierigkeiten, mit denen jene
Regierung zu kämpfen hat, wenn es sich darum handelt, einmal getane
Schritte zurückMun, läßt für die Zeit der endgültigen Räumung der Rhein¬
lande, der Abstimmung über das Saargebiet, der nochmaligen Änderung des
Status in Oberschlesien das allerschlimmste befürchten. Aber es geht doch nun
nicht an, daß die Völker, angstgebannt auf diesen Moment starrend, während
dieser Frist von 13 Jahren, die vielleicht über das Schicksal Europas endgültig
entscheiden, die Hände in den Schoß legen. Wir haben keinen Grund zu der An¬
nahme, daß Frankreich, wenn die Zeit kommt, weniger auf dem Buchstaben des
Friedensvertrages bestehen wird als heute. Aber dennoch bleibt die Tatsache be¬
stehen, daß in 15 Jahren sich viel ändern kann. Eine Politik auf lange Sicht
erfordert, nicht sich im Hinblick auf den Ablauf dieser 15 Jahre in starrer
Feindschaft gegen Frankreich festzulegen, sondern, die Möglichkeit der Un¬
Versöhnlichkeit freilich stets im Auge behaltend, alle Mittel zu versuchen,
entweder zu einem Einvernehmen mit Frankreich zu gelangen (was dritten
gegenüber die Bündnisfröhlichkeit Deutschlands beträchtlich verstärken würde)
oder auch weiterhin Frankreich moralisch im Unrecht zu sehen, wie es sich
bereits durch seine Farbigen im Rheinland, durch die eigenmächtige Besetzung
Frankfurts, durch das Bestehen auf den Wirtschaftssanktionen, durch seinen Mili-
Zarismus und sein Bündnis mit Polen ins Unrecht gesetzt hat. Solche Aktionen
aber erfordern Ruhe, Umsicht, Klarheit und — Geduld. Es heißt noch lange
nicht Deutschland verraten, wenn man nicht überall mittut, wo geschrien oder
getrommelt wird. Es ist gerade die Kunst der politischen Leitung, alle Kräfte,
alle Richtungen zu nutzen, jede kann einmal brauchbar werden, auch eine Oppo¬
sition, von welcher Seite sie kommt und sofern sie sich nur nicht gegen den Be¬
stand des Ganzen richtet, kann bei der Durchführung einer Politik gute Dienste
tun. Das große Problem in Deutschland ist nur, Männer zu finden, die sich
energisch genug von innerpolitischen Rücksichten freizumachen vermögen, um eine
solche Politik durchführen zu können. Es hängt wohl mit der eigentümlichen
unreifen Kleinstädterorganisation des Deutschen zusammen, daß er politische Gegen¬
sätze wohl dem Angehörigen einer fremden Nation, nicht aber dem eigenen Lands-
Mann gegenüber zurückstellen kann. Mit einem Kleinstädtervolk aber kann man
keine große Politik treiben.

In wie gefährlicher Weise aber eine solche Kirchturm- und Kleinstädter-
Politik von den weitblickenden Völkern ausgenutzt wird, lehrt das Beispiel
Griechenlands. Heute ist Griechenland nicht einmal in der Lage, seine Schuld-
öwsen zu bezahlen. Für die Verwaltung, für die Durchführung des Felb-
SUges ist kein Geld da, nicht einmal für das Festhalten der Erfolge des Feld-
suges. Während des Feldzuges war es die Entente, die, den persönlichen Ehrgeiz
des Venizelos, den durch die Erfolge des Balkankrieges verstärkten Schrei nach
Großgriechenland ausnutzte. Nach dem Kriege ist es England gewesen, das
unter Benutzung der Restaurationsbewegung die Griechen wieder mit der Parole
Großgriechenland gegen die widerspenstige Regierung von Angora hetzte. Heute
Me sich Lloyd George vor Gunaris verleugnen, der vor französischen Türen
betteln muß, und Unterstützung, wenn überhaupt, nur gegen den Preis einer


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[0165] Weltspiegel diesen Staaten wird es ohne Frage Deutschland fallen, sich zu diesem Standpunkt durchzuringen. Wir gedenken der vielen Glieder unseres Volistums, die durch grausame und politisch wie wirtschaftlich gleich widersinnige Verträge trotz aller schönen Reden vom Selbstbestimmungsrecht der Völker vom Ganzen abgeschnürt worden sind. Wir gedenken insbesondere jener Hunderttausende, die neuerdings wieder durch die Oberschlesien-Entscheidung in ihrer nationalen Existenz, in ihrer Gesinnung und ihrem materiellen Dasein trotz aller papierener Regelungen, die nicht einmal endgültig, sondern nur ein Provisorium sein sollen, auf das Schwerste bedroht sind und denen nun keine noch so glühenden Deklamationen und begeisterten Protestkundgebungen, sondern nur durch tatkräftige Unter¬ stützung geholfen werden kann. Die hartnäckige Weigerung der Franzosen, die militärischen Sanktionen aufzuheben, die Schwierigkeiten, mit denen jene Regierung zu kämpfen hat, wenn es sich darum handelt, einmal getane Schritte zurückMun, läßt für die Zeit der endgültigen Räumung der Rhein¬ lande, der Abstimmung über das Saargebiet, der nochmaligen Änderung des Status in Oberschlesien das allerschlimmste befürchten. Aber es geht doch nun nicht an, daß die Völker, angstgebannt auf diesen Moment starrend, während dieser Frist von 13 Jahren, die vielleicht über das Schicksal Europas endgültig entscheiden, die Hände in den Schoß legen. Wir haben keinen Grund zu der An¬ nahme, daß Frankreich, wenn die Zeit kommt, weniger auf dem Buchstaben des Friedensvertrages bestehen wird als heute. Aber dennoch bleibt die Tatsache be¬ stehen, daß in 15 Jahren sich viel ändern kann. Eine Politik auf lange Sicht erfordert, nicht sich im Hinblick auf den Ablauf dieser 15 Jahre in starrer Feindschaft gegen Frankreich festzulegen, sondern, die Möglichkeit der Un¬ Versöhnlichkeit freilich stets im Auge behaltend, alle Mittel zu versuchen, entweder zu einem Einvernehmen mit Frankreich zu gelangen (was dritten gegenüber die Bündnisfröhlichkeit Deutschlands beträchtlich verstärken würde) oder auch weiterhin Frankreich moralisch im Unrecht zu sehen, wie es sich bereits durch seine Farbigen im Rheinland, durch die eigenmächtige Besetzung Frankfurts, durch das Bestehen auf den Wirtschaftssanktionen, durch seinen Mili- Zarismus und sein Bündnis mit Polen ins Unrecht gesetzt hat. Solche Aktionen aber erfordern Ruhe, Umsicht, Klarheit und — Geduld. Es heißt noch lange nicht Deutschland verraten, wenn man nicht überall mittut, wo geschrien oder getrommelt wird. Es ist gerade die Kunst der politischen Leitung, alle Kräfte, alle Richtungen zu nutzen, jede kann einmal brauchbar werden, auch eine Oppo¬ sition, von welcher Seite sie kommt und sofern sie sich nur nicht gegen den Be¬ stand des Ganzen richtet, kann bei der Durchführung einer Politik gute Dienste tun. Das große Problem in Deutschland ist nur, Männer zu finden, die sich energisch genug von innerpolitischen Rücksichten freizumachen vermögen, um eine solche Politik durchführen zu können. Es hängt wohl mit der eigentümlichen unreifen Kleinstädterorganisation des Deutschen zusammen, daß er politische Gegen¬ sätze wohl dem Angehörigen einer fremden Nation, nicht aber dem eigenen Lands- Mann gegenüber zurückstellen kann. Mit einem Kleinstädtervolk aber kann man keine große Politik treiben. In wie gefährlicher Weise aber eine solche Kirchturm- und Kleinstädter- Politik von den weitblickenden Völkern ausgenutzt wird, lehrt das Beispiel Griechenlands. Heute ist Griechenland nicht einmal in der Lage, seine Schuld- öwsen zu bezahlen. Für die Verwaltung, für die Durchführung des Felb- SUges ist kein Geld da, nicht einmal für das Festhalten der Erfolge des Feld- suges. Während des Feldzuges war es die Entente, die, den persönlichen Ehrgeiz des Venizelos, den durch die Erfolge des Balkankrieges verstärkten Schrei nach Großgriechenland ausnutzte. Nach dem Kriege ist es England gewesen, das unter Benutzung der Restaurationsbewegung die Griechen wieder mit der Parole Großgriechenland gegen die widerspenstige Regierung von Angora hetzte. Heute Me sich Lloyd George vor Gunaris verleugnen, der vor französischen Türen betteln muß, und Unterstützung, wenn überhaupt, nur gegen den Preis einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/165>, abgerufen am 14.05.2024.