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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Der begossene Pudel

Erschütternd sind die Gedichte Hölderlins ans den lichten Tagen seiner
Umnachtung. In den Ausgaben ist folgendes meist das letzte:

"Fragment" ist es überschrieben, Hölderlins ganzes Leben war ein Frag¬
ment. Die Sehnsucht aber wandelt gern hinauf auf die Berge und träumt ni!
Ruinen, und oft zieht hier ein ganz besonders tiefer Klang dnrch das Herz wie
der Laut einer Aeolsharfe.




Ver begossene Pudel

[Beginn Spaltensatz] Er fühlte sich als weisen Barden
Und wiegte sich im Größenwahn;
Und Jsidorchen nannte Horden
Sich stolz und Maximilian Wie hat er grün und gelb bepinselt,
Was hier in Deutschland auch geschah,
Und wie umwedelt und umwinselt
Den Woodrow aus Amerika! Und, o, wie hoch saß er zu Rosse
Und sabberte und schwabbelte.
Daß selbst der röteste Genosse
Sich fragte, ob's ihm rappelle. Und nun in Deutschland nichts zu wollen,
Hand es der wackre Federbett
Für nützlich, sich hinwegzutrollen
In die geliebte neue Welt. [Spaltenumbruch] Schon sah er sich mit Lorbeerkränzen
Umwunden dort, wie nie zuvor,
Schon sah in neuem Ruhm sich glänzen
Der vielgeliebte Jsidor. Da tönt "Pfui Deubel!" es herüber
Mit ungeheurer Lungenkraft;
Man hält bereit schon Nasenstüber
Und Pferdeäppel massenhaft. Und langsam dämmert's Jsidoren:
Die Treu ist doch kein leerer Wahn.
Und trübe ist das Los des Mohren,
Der seine Schuldigkeit getan. So preist der kleine, bissige Köter
Die sanfte Schoßhundseligkeit,
Wie der gewaltige Tmtentöter
Des "ewigen Friedens" goldne Zeit. [Ende Spaltensatz]
Er pfiff umsonst den Jankeedoodle,
Denn dunkel ist der "Zukunft" Bahn;
Und dasteht als begossener Pudel
Der große -- Maximilian I Paul warnck"

Der begossene Pudel

Erschütternd sind die Gedichte Hölderlins ans den lichten Tagen seiner
Umnachtung. In den Ausgaben ist folgendes meist das letzte:

„Fragment" ist es überschrieben, Hölderlins ganzes Leben war ein Frag¬
ment. Die Sehnsucht aber wandelt gern hinauf auf die Berge und träumt ni!
Ruinen, und oft zieht hier ein ganz besonders tiefer Klang dnrch das Herz wie
der Laut einer Aeolsharfe.




Ver begossene Pudel

[Beginn Spaltensatz] Er fühlte sich als weisen Barden
Und wiegte sich im Größenwahn;
Und Jsidorchen nannte Horden
Sich stolz und Maximilian Wie hat er grün und gelb bepinselt,
Was hier in Deutschland auch geschah,
Und wie umwedelt und umwinselt
Den Woodrow aus Amerika! Und, o, wie hoch saß er zu Rosse
Und sabberte und schwabbelte.
Daß selbst der röteste Genosse
Sich fragte, ob's ihm rappelle. Und nun in Deutschland nichts zu wollen,
Hand es der wackre Federbett
Für nützlich, sich hinwegzutrollen
In die geliebte neue Welt. [Spaltenumbruch] Schon sah er sich mit Lorbeerkränzen
Umwunden dort, wie nie zuvor,
Schon sah in neuem Ruhm sich glänzen
Der vielgeliebte Jsidor. Da tönt „Pfui Deubel!" es herüber
Mit ungeheurer Lungenkraft;
Man hält bereit schon Nasenstüber
Und Pferdeäppel massenhaft. Und langsam dämmert's Jsidoren:
Die Treu ist doch kein leerer Wahn.
Und trübe ist das Los des Mohren,
Der seine Schuldigkeit getan. So preist der kleine, bissige Köter
Die sanfte Schoßhundseligkeit,
Wie der gewaltige Tmtentöter
Des „ewigen Friedens" goldne Zeit. [Ende Spaltensatz]
Er pfiff umsonst den Jankeedoodle,
Denn dunkel ist der „Zukunft" Bahn;
Und dasteht als begossener Pudel
Der große — Maximilian I Paul warnck«

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[0193] Der begossene Pudel Erschütternd sind die Gedichte Hölderlins ans den lichten Tagen seiner Umnachtung. In den Ausgaben ist folgendes meist das letzte: „Fragment" ist es überschrieben, Hölderlins ganzes Leben war ein Frag¬ ment. Die Sehnsucht aber wandelt gern hinauf auf die Berge und träumt ni! Ruinen, und oft zieht hier ein ganz besonders tiefer Klang dnrch das Herz wie der Laut einer Aeolsharfe. Ver begossene Pudel Er fühlte sich als weisen Barden Und wiegte sich im Größenwahn; Und Jsidorchen nannte Horden Sich stolz und Maximilian Wie hat er grün und gelb bepinselt, Was hier in Deutschland auch geschah, Und wie umwedelt und umwinselt Den Woodrow aus Amerika! Und, o, wie hoch saß er zu Rosse Und sabberte und schwabbelte. Daß selbst der röteste Genosse Sich fragte, ob's ihm rappelle. Und nun in Deutschland nichts zu wollen, Hand es der wackre Federbett Für nützlich, sich hinwegzutrollen In die geliebte neue Welt. Schon sah er sich mit Lorbeerkränzen Umwunden dort, wie nie zuvor, Schon sah in neuem Ruhm sich glänzen Der vielgeliebte Jsidor. Da tönt „Pfui Deubel!" es herüber Mit ungeheurer Lungenkraft; Man hält bereit schon Nasenstüber Und Pferdeäppel massenhaft. Und langsam dämmert's Jsidoren: Die Treu ist doch kein leerer Wahn. Und trübe ist das Los des Mohren, Der seine Schuldigkeit getan. So preist der kleine, bissige Köter Die sanfte Schoßhundseligkeit, Wie der gewaltige Tmtentöter Des „ewigen Friedens" goldne Zeit. Er pfiff umsonst den Jankeedoodle, Denn dunkel ist der „Zukunft" Bahn; Und dasteht als begossener Pudel Der große — Maximilian I Paul warnck«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/193>, abgerufen am 14.05.2024.