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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Als oberstes Axiom kann gelten: Amerika will, vorderhand wenigstens, keinen
Krieg. Natürlich gibt es drüben wie überall Heißsporne, Fanatiker und Kriegs¬
hetzer, so gut wie es auch ehrliche und durchaus nicht ganz ohnmächtige Pazifisten
gibt. Man wird mit diesen Faktoren rechnen müssen, ohne jedoch ihre Aktions-
traft zu überschätzen. Im Durchschnitt ist man drüben über die reißenden Fort¬
schritte, die infolge des Krieges der Sozialismus gemacht hat, furchtbar erschrocken
gewesen. Der Sozialismus in den Vereinigten Staaten ist zwar noch immer
keine Macht, aber man muß doch fürchten, daß er, verbunden etwa mit der durch
den Krieg gleichfalls verschärft hervorgetretenen Negerfrage, und eines schönen
Tages vielleicht durch ehrgeizige politische Führer benutzt, einmal Macht erlangen
kann, und man hat am Beispiel Europas lernen können, daß nichts die soziale Frage
so akut hervortreten läßt, den Massen selbst ihre Massenkraft so eindringlich vor
Augen führt, wie gerade ein alle Kräfte der Nation in Anspruch nehmender Krieg,
ganz gleich ob er glücklich oder unglücklich endet. Aber es ist doch ein großer Unter¬
schied für die politische Aktionskraft eines Staates, ob er einen Krieg nicht will, weil er
ihn nicht führen kann, oder ob er ihn vermeiden will, weil er die erhofften Ergebnisse
auf anderem Wege sicherer und reibungsloser zu erreichen glaubt. Amerika braucht
den Krieg nicht. Das englisch-japanische Bündnis bricht entzwei, weil England
nicht das Risiito übernehmen kann und will, sich um Japans willen in einen
neuen Krieg mit Amerika einzulassen, den es augenblicklich nicht führen kann,
der alle im Kriege mit Deutschland errungenen Vorteile aufs Spiel setzen und
der von Kanada, Australien und Neuseeland, wenn überhaupt, nur widerwillig
mitgemacht werden würde. In welchem Maße es England peinlichst vermeidet,
bei Amerika anzustoßen, erhellt aus der Tatsache, daß die unlängst durch den
amerikanischen Senat erfolgte Aufhebung des 1902 abgeschlossenen Hay-Pauncefote-
Vertrages. der die Gleichberechtigung englischer und amerikanischer Schiffe ini
Panamakanal festsetzte, in England trotz beträchtlicher Schädigung überhaupt nicht
kommentiert worden ist.

Japan aber ist einem wenn vielleicht nicht der Rüstung so doch den
Machtmitteln nach weit überlegenen Gegner gegenüber isoliert. Man kann nicht
sagen, daß es von dieser Entwicklung überrascht worden ist. Schon während des
Krieges hat es, die spätere Haltung Englands klug voraus berechnend, mit Ru߬
land Defensivverträge geschlossen, die ihrem Inhalt nach nur gegen Amerika ge¬
richtet sein konnten. Es hat das Unglück gehabt, daß sein Vertragsgegner, die
Zarenregierung, mit Tod abging, und hat sich, wie alle europäischen Völker durch
innere Gärung erschreckt und durch die falsch berechneten Möglichkeiten riesiger
wirtschaftlicher Eroberungen verführt, nicht entschließen können, mit der erbeuten
Sowjetregierung abzuschließen. Andererseits hat es in begreiflicher Bedenklichkeit
und zunächst wohl weil es die Vorgänge der amerikanischen Innenpolitik unrichtig
eingeschätzt hatte, alles vermeiden wollen, was die Auflösung des Bündnisses durch
den englischen Verbündeten direkt hätte provozieren können und daher in China
alle Feindschaft gegen sich gezogen, die, vielfach auf amerikanischen Antrieb, sonst
allein gegen England sich gerichtet hätte. Diese Mißerfolge sind zurückzuführen
einmal auf die an sich nur beschränkte Kraft eines rasch wachsenden aber doch
immer noch relativ kleinen Landes, dann aber auf die lebhaft an das Deutsch¬
land vor dem Kriege'erinnernde Vielfältigkeit und daraus entstehende Zersplitterung
seiner politischen Bestrebungen und den Mangel einheitlicher durchschlagender
Kraft. Es ist immer dasselbe Bild. Alles will man erobern oder sich wirtschaftlich
dienstbar machen: Sibirien. Mandschurei. China, die Philippinen, Südamerika,
Mexiko, Kalifornien und dazu die notwendig gewordene Rüstung aufrecht erhalten
und ausbauen. Sowie aber die Regierung Miene macht auf eines dieser Teile,
wenn auch nur zeitweilig, zu verzichten, regen sich sofort die gerade daran
interessierten Kräfte, um die Regierung unverzeihlicher Schwäche anzuklagen.
Das an dem Ministerpräsidenten Hara verübte Attentat Hütte nicht so großes
Aufsehen erregen können, wenn es nicht blitzartig die Unsicherheit des Bodens,
auf den Japans Macht sich gründet, erhellte.


Als oberstes Axiom kann gelten: Amerika will, vorderhand wenigstens, keinen
Krieg. Natürlich gibt es drüben wie überall Heißsporne, Fanatiker und Kriegs¬
hetzer, so gut wie es auch ehrliche und durchaus nicht ganz ohnmächtige Pazifisten
gibt. Man wird mit diesen Faktoren rechnen müssen, ohne jedoch ihre Aktions-
traft zu überschätzen. Im Durchschnitt ist man drüben über die reißenden Fort¬
schritte, die infolge des Krieges der Sozialismus gemacht hat, furchtbar erschrocken
gewesen. Der Sozialismus in den Vereinigten Staaten ist zwar noch immer
keine Macht, aber man muß doch fürchten, daß er, verbunden etwa mit der durch
den Krieg gleichfalls verschärft hervorgetretenen Negerfrage, und eines schönen
Tages vielleicht durch ehrgeizige politische Führer benutzt, einmal Macht erlangen
kann, und man hat am Beispiel Europas lernen können, daß nichts die soziale Frage
so akut hervortreten läßt, den Massen selbst ihre Massenkraft so eindringlich vor
Augen führt, wie gerade ein alle Kräfte der Nation in Anspruch nehmender Krieg,
ganz gleich ob er glücklich oder unglücklich endet. Aber es ist doch ein großer Unter¬
schied für die politische Aktionskraft eines Staates, ob er einen Krieg nicht will, weil er
ihn nicht führen kann, oder ob er ihn vermeiden will, weil er die erhofften Ergebnisse
auf anderem Wege sicherer und reibungsloser zu erreichen glaubt. Amerika braucht
den Krieg nicht. Das englisch-japanische Bündnis bricht entzwei, weil England
nicht das Risiito übernehmen kann und will, sich um Japans willen in einen
neuen Krieg mit Amerika einzulassen, den es augenblicklich nicht führen kann,
der alle im Kriege mit Deutschland errungenen Vorteile aufs Spiel setzen und
der von Kanada, Australien und Neuseeland, wenn überhaupt, nur widerwillig
mitgemacht werden würde. In welchem Maße es England peinlichst vermeidet,
bei Amerika anzustoßen, erhellt aus der Tatsache, daß die unlängst durch den
amerikanischen Senat erfolgte Aufhebung des 1902 abgeschlossenen Hay-Pauncefote-
Vertrages. der die Gleichberechtigung englischer und amerikanischer Schiffe ini
Panamakanal festsetzte, in England trotz beträchtlicher Schädigung überhaupt nicht
kommentiert worden ist.

Japan aber ist einem wenn vielleicht nicht der Rüstung so doch den
Machtmitteln nach weit überlegenen Gegner gegenüber isoliert. Man kann nicht
sagen, daß es von dieser Entwicklung überrascht worden ist. Schon während des
Krieges hat es, die spätere Haltung Englands klug voraus berechnend, mit Ru߬
land Defensivverträge geschlossen, die ihrem Inhalt nach nur gegen Amerika ge¬
richtet sein konnten. Es hat das Unglück gehabt, daß sein Vertragsgegner, die
Zarenregierung, mit Tod abging, und hat sich, wie alle europäischen Völker durch
innere Gärung erschreckt und durch die falsch berechneten Möglichkeiten riesiger
wirtschaftlicher Eroberungen verführt, nicht entschließen können, mit der erbeuten
Sowjetregierung abzuschließen. Andererseits hat es in begreiflicher Bedenklichkeit
und zunächst wohl weil es die Vorgänge der amerikanischen Innenpolitik unrichtig
eingeschätzt hatte, alles vermeiden wollen, was die Auflösung des Bündnisses durch
den englischen Verbündeten direkt hätte provozieren können und daher in China
alle Feindschaft gegen sich gezogen, die, vielfach auf amerikanischen Antrieb, sonst
allein gegen England sich gerichtet hätte. Diese Mißerfolge sind zurückzuführen
einmal auf die an sich nur beschränkte Kraft eines rasch wachsenden aber doch
immer noch relativ kleinen Landes, dann aber auf die lebhaft an das Deutsch¬
land vor dem Kriege'erinnernde Vielfältigkeit und daraus entstehende Zersplitterung
seiner politischen Bestrebungen und den Mangel einheitlicher durchschlagender
Kraft. Es ist immer dasselbe Bild. Alles will man erobern oder sich wirtschaftlich
dienstbar machen: Sibirien. Mandschurei. China, die Philippinen, Südamerika,
Mexiko, Kalifornien und dazu die notwendig gewordene Rüstung aufrecht erhalten
und ausbauen. Sowie aber die Regierung Miene macht auf eines dieser Teile,
wenn auch nur zeitweilig, zu verzichten, regen sich sofort die gerade daran
interessierten Kräfte, um die Regierung unverzeihlicher Schwäche anzuklagen.
Das an dem Ministerpräsidenten Hara verübte Attentat Hütte nicht so großes
Aufsehen erregen können, wenn es nicht blitzartig die Unsicherheit des Bodens,
auf den Japans Macht sich gründet, erhellte.


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[0262] Als oberstes Axiom kann gelten: Amerika will, vorderhand wenigstens, keinen Krieg. Natürlich gibt es drüben wie überall Heißsporne, Fanatiker und Kriegs¬ hetzer, so gut wie es auch ehrliche und durchaus nicht ganz ohnmächtige Pazifisten gibt. Man wird mit diesen Faktoren rechnen müssen, ohne jedoch ihre Aktions- traft zu überschätzen. Im Durchschnitt ist man drüben über die reißenden Fort¬ schritte, die infolge des Krieges der Sozialismus gemacht hat, furchtbar erschrocken gewesen. Der Sozialismus in den Vereinigten Staaten ist zwar noch immer keine Macht, aber man muß doch fürchten, daß er, verbunden etwa mit der durch den Krieg gleichfalls verschärft hervorgetretenen Negerfrage, und eines schönen Tages vielleicht durch ehrgeizige politische Führer benutzt, einmal Macht erlangen kann, und man hat am Beispiel Europas lernen können, daß nichts die soziale Frage so akut hervortreten läßt, den Massen selbst ihre Massenkraft so eindringlich vor Augen führt, wie gerade ein alle Kräfte der Nation in Anspruch nehmender Krieg, ganz gleich ob er glücklich oder unglücklich endet. Aber es ist doch ein großer Unter¬ schied für die politische Aktionskraft eines Staates, ob er einen Krieg nicht will, weil er ihn nicht führen kann, oder ob er ihn vermeiden will, weil er die erhofften Ergebnisse auf anderem Wege sicherer und reibungsloser zu erreichen glaubt. Amerika braucht den Krieg nicht. Das englisch-japanische Bündnis bricht entzwei, weil England nicht das Risiito übernehmen kann und will, sich um Japans willen in einen neuen Krieg mit Amerika einzulassen, den es augenblicklich nicht führen kann, der alle im Kriege mit Deutschland errungenen Vorteile aufs Spiel setzen und der von Kanada, Australien und Neuseeland, wenn überhaupt, nur widerwillig mitgemacht werden würde. In welchem Maße es England peinlichst vermeidet, bei Amerika anzustoßen, erhellt aus der Tatsache, daß die unlängst durch den amerikanischen Senat erfolgte Aufhebung des 1902 abgeschlossenen Hay-Pauncefote- Vertrages. der die Gleichberechtigung englischer und amerikanischer Schiffe ini Panamakanal festsetzte, in England trotz beträchtlicher Schädigung überhaupt nicht kommentiert worden ist. Japan aber ist einem wenn vielleicht nicht der Rüstung so doch den Machtmitteln nach weit überlegenen Gegner gegenüber isoliert. Man kann nicht sagen, daß es von dieser Entwicklung überrascht worden ist. Schon während des Krieges hat es, die spätere Haltung Englands klug voraus berechnend, mit Ru߬ land Defensivverträge geschlossen, die ihrem Inhalt nach nur gegen Amerika ge¬ richtet sein konnten. Es hat das Unglück gehabt, daß sein Vertragsgegner, die Zarenregierung, mit Tod abging, und hat sich, wie alle europäischen Völker durch innere Gärung erschreckt und durch die falsch berechneten Möglichkeiten riesiger wirtschaftlicher Eroberungen verführt, nicht entschließen können, mit der erbeuten Sowjetregierung abzuschließen. Andererseits hat es in begreiflicher Bedenklichkeit und zunächst wohl weil es die Vorgänge der amerikanischen Innenpolitik unrichtig eingeschätzt hatte, alles vermeiden wollen, was die Auflösung des Bündnisses durch den englischen Verbündeten direkt hätte provozieren können und daher in China alle Feindschaft gegen sich gezogen, die, vielfach auf amerikanischen Antrieb, sonst allein gegen England sich gerichtet hätte. Diese Mißerfolge sind zurückzuführen einmal auf die an sich nur beschränkte Kraft eines rasch wachsenden aber doch immer noch relativ kleinen Landes, dann aber auf die lebhaft an das Deutsch¬ land vor dem Kriege'erinnernde Vielfältigkeit und daraus entstehende Zersplitterung seiner politischen Bestrebungen und den Mangel einheitlicher durchschlagender Kraft. Es ist immer dasselbe Bild. Alles will man erobern oder sich wirtschaftlich dienstbar machen: Sibirien. Mandschurei. China, die Philippinen, Südamerika, Mexiko, Kalifornien und dazu die notwendig gewordene Rüstung aufrecht erhalten und ausbauen. Sowie aber die Regierung Miene macht auf eines dieser Teile, wenn auch nur zeitweilig, zu verzichten, regen sich sofort die gerade daran interessierten Kräfte, um die Regierung unverzeihlicher Schwäche anzuklagen. Das an dem Ministerpräsidenten Hara verübte Attentat Hütte nicht so großes Aufsehen erregen können, wenn es nicht blitzartig die Unsicherheit des Bodens, auf den Japans Macht sich gründet, erhellte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/262>, abgerufen am 26.05.2024.