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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Die Koalition vor dem Forum der Deutschen Volkspartei

auf sozialdemokratische Minister. Im Grund ist heute der Arbeiter selbst über¬
zeugt, daß sich die Wirtschaft nicht auf marxistische Utopien umstellen ließe, ohne
den Arbeiterstand mit zu gefährden. Was ihm theoretisierende Akademiker er¬
zählen, widerspricht seinen wachsenden eigenen Einsichten. Wir verlangen aber
keine Bußbekenntnisse der Sozialdemokraten; uns ist das Zusammenwachsen der
Stände zu einem Volk die Hauptsache.'.......^......'^

Angesichts der Nachgiebigkeit der weiter linksstehenden bürgerlichen Parteien
kann die Volkspartei nicht einfach eine Verdoppelung der deutschnationalen Oppo-
sition bleiben, sondern muß ihren praktischen Einfluß im Staat selbst geltend
machen. Da ein Rechtsblock bei uns nicht den Anfang eines Zweiparteiensystems
-- das wir in Deutschland nicht schaffen können -- sondern die Wiederaufreißung
klaffenden inneren Zwistes bedeuten würde, so ist dies Schlagwort unzeitgemäß.
Da eine rein bürgerliche Regierung am Widerspruch der linksstehenden bürger¬
lichen Parteien scheitert, so ist sie nicht möglich.

Betrachtet man die nationalen Wählerschichten als eine Einheit, so stellen
sie eine Macht dar, die nicht dadurch vollständig ausgenutzt wird, daß beide
Rechtsparteien nur Opposition außerhalb der Regierung machen, sondern, da die
Mittelparteien des Zentrums und der Demokraten in Wahrheit zu sehr nach
links hängen, kann die für das heutige Deutschland praktisch allein mögliche
Mittelpolitik nur dadurch geschaffen werden, daß die "mittlere Rechtspartei" inner-
halb der Regierung selbst die Linkspolitik nach rechts hin beeinflußt, in inner¬
politischen Fragen vermittelnd, aber unnachgiebig in der Forderung der Abwehr¬
front nach außen, in der Ablehnung jeglicher unehrlicher Erfüllungs- oder un¬
würdiger Unterwerfungspolitik. Das ist das praktische Programm der Volks¬
gemeinschaft. Unschönheiten, wie bei der preußischen Regierungsbildung, oder
Verdächtigungen durch Fernerstehende sind in Kauf zu nehmen, wenn sie die
Linie dieser Politik nicht verwischen. Wäre Politik ein Bühnenvorgang, es gäbe
Haltungen, welche den Applaus von Zuschauern gefühlsmäßig mehr herausfordern.
Aber Politik ist ein Handgemenge, in dem man nicht fragt, wie es aussieht,
sondern was man durch Kämpfen herausholt. --

Diese Leitmotive beherrschten die Stimmung, die sich dreimal zu einmütigem
Schwung erhob, als österreichische und deutschböhmische Männer und Frauen vom
gemeinsamen Leid und der gemeinsamen Hoffnung sprachen, als der Sieger vom
Skagerrak an deutsche Größe erinnert und als Stresemanns Rede die Verant¬
wortlichkeit des Führers unterstrich, nicht hinter der Mehrheit herzutrotten, sondern
sich in entscheidenden Augenblicken mit der ganzen Persönlichkeit auch für eine
unpopuläre Politik einzusetzen, wenn er sie für staatsnotwendig hält.




Die Koalition vor dem Forum der Deutschen Volkspartei

auf sozialdemokratische Minister. Im Grund ist heute der Arbeiter selbst über¬
zeugt, daß sich die Wirtschaft nicht auf marxistische Utopien umstellen ließe, ohne
den Arbeiterstand mit zu gefährden. Was ihm theoretisierende Akademiker er¬
zählen, widerspricht seinen wachsenden eigenen Einsichten. Wir verlangen aber
keine Bußbekenntnisse der Sozialdemokraten; uns ist das Zusammenwachsen der
Stände zu einem Volk die Hauptsache.'.......^......'^

Angesichts der Nachgiebigkeit der weiter linksstehenden bürgerlichen Parteien
kann die Volkspartei nicht einfach eine Verdoppelung der deutschnationalen Oppo-
sition bleiben, sondern muß ihren praktischen Einfluß im Staat selbst geltend
machen. Da ein Rechtsblock bei uns nicht den Anfang eines Zweiparteiensystems
— das wir in Deutschland nicht schaffen können — sondern die Wiederaufreißung
klaffenden inneren Zwistes bedeuten würde, so ist dies Schlagwort unzeitgemäß.
Da eine rein bürgerliche Regierung am Widerspruch der linksstehenden bürger¬
lichen Parteien scheitert, so ist sie nicht möglich.

Betrachtet man die nationalen Wählerschichten als eine Einheit, so stellen
sie eine Macht dar, die nicht dadurch vollständig ausgenutzt wird, daß beide
Rechtsparteien nur Opposition außerhalb der Regierung machen, sondern, da die
Mittelparteien des Zentrums und der Demokraten in Wahrheit zu sehr nach
links hängen, kann die für das heutige Deutschland praktisch allein mögliche
Mittelpolitik nur dadurch geschaffen werden, daß die „mittlere Rechtspartei" inner-
halb der Regierung selbst die Linkspolitik nach rechts hin beeinflußt, in inner¬
politischen Fragen vermittelnd, aber unnachgiebig in der Forderung der Abwehr¬
front nach außen, in der Ablehnung jeglicher unehrlicher Erfüllungs- oder un¬
würdiger Unterwerfungspolitik. Das ist das praktische Programm der Volks¬
gemeinschaft. Unschönheiten, wie bei der preußischen Regierungsbildung, oder
Verdächtigungen durch Fernerstehende sind in Kauf zu nehmen, wenn sie die
Linie dieser Politik nicht verwischen. Wäre Politik ein Bühnenvorgang, es gäbe
Haltungen, welche den Applaus von Zuschauern gefühlsmäßig mehr herausfordern.
Aber Politik ist ein Handgemenge, in dem man nicht fragt, wie es aussieht,
sondern was man durch Kämpfen herausholt. —

Diese Leitmotive beherrschten die Stimmung, die sich dreimal zu einmütigem
Schwung erhob, als österreichische und deutschböhmische Männer und Frauen vom
gemeinsamen Leid und der gemeinsamen Hoffnung sprachen, als der Sieger vom
Skagerrak an deutsche Größe erinnert und als Stresemanns Rede die Verant¬
wortlichkeit des Führers unterstrich, nicht hinter der Mehrheit herzutrotten, sondern
sich in entscheidenden Augenblicken mit der ganzen Persönlichkeit auch für eine
unpopuläre Politik einzusetzen, wenn er sie für staatsnotwendig hält.




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[0336] Die Koalition vor dem Forum der Deutschen Volkspartei auf sozialdemokratische Minister. Im Grund ist heute der Arbeiter selbst über¬ zeugt, daß sich die Wirtschaft nicht auf marxistische Utopien umstellen ließe, ohne den Arbeiterstand mit zu gefährden. Was ihm theoretisierende Akademiker er¬ zählen, widerspricht seinen wachsenden eigenen Einsichten. Wir verlangen aber keine Bußbekenntnisse der Sozialdemokraten; uns ist das Zusammenwachsen der Stände zu einem Volk die Hauptsache.'.......^......'^ Angesichts der Nachgiebigkeit der weiter linksstehenden bürgerlichen Parteien kann die Volkspartei nicht einfach eine Verdoppelung der deutschnationalen Oppo- sition bleiben, sondern muß ihren praktischen Einfluß im Staat selbst geltend machen. Da ein Rechtsblock bei uns nicht den Anfang eines Zweiparteiensystems — das wir in Deutschland nicht schaffen können — sondern die Wiederaufreißung klaffenden inneren Zwistes bedeuten würde, so ist dies Schlagwort unzeitgemäß. Da eine rein bürgerliche Regierung am Widerspruch der linksstehenden bürger¬ lichen Parteien scheitert, so ist sie nicht möglich. Betrachtet man die nationalen Wählerschichten als eine Einheit, so stellen sie eine Macht dar, die nicht dadurch vollständig ausgenutzt wird, daß beide Rechtsparteien nur Opposition außerhalb der Regierung machen, sondern, da die Mittelparteien des Zentrums und der Demokraten in Wahrheit zu sehr nach links hängen, kann die für das heutige Deutschland praktisch allein mögliche Mittelpolitik nur dadurch geschaffen werden, daß die „mittlere Rechtspartei" inner- halb der Regierung selbst die Linkspolitik nach rechts hin beeinflußt, in inner¬ politischen Fragen vermittelnd, aber unnachgiebig in der Forderung der Abwehr¬ front nach außen, in der Ablehnung jeglicher unehrlicher Erfüllungs- oder un¬ würdiger Unterwerfungspolitik. Das ist das praktische Programm der Volks¬ gemeinschaft. Unschönheiten, wie bei der preußischen Regierungsbildung, oder Verdächtigungen durch Fernerstehende sind in Kauf zu nehmen, wenn sie die Linie dieser Politik nicht verwischen. Wäre Politik ein Bühnenvorgang, es gäbe Haltungen, welche den Applaus von Zuschauern gefühlsmäßig mehr herausfordern. Aber Politik ist ein Handgemenge, in dem man nicht fragt, wie es aussieht, sondern was man durch Kämpfen herausholt. — Diese Leitmotive beherrschten die Stimmung, die sich dreimal zu einmütigem Schwung erhob, als österreichische und deutschböhmische Männer und Frauen vom gemeinsamen Leid und der gemeinsamen Hoffnung sprachen, als der Sieger vom Skagerrak an deutsche Größe erinnert und als Stresemanns Rede die Verant¬ wortlichkeit des Führers unterstrich, nicht hinter der Mehrheit herzutrotten, sondern sich in entscheidenden Augenblicken mit der ganzen Persönlichkeit auch für eine unpopuläre Politik einzusetzen, wenn er sie für staatsnotwendig hält.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/336>, abgerufen am 14.05.2024.