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Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.

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Vermischte Gedichte.
Es ändert sich die Welt/ und diese setzt die Kleider/
Die wir ihr Eigenthum zu unsern Schmuck anziehn:
Wir brauchen dich nicht mehr zu einen Mode-Schneider
Die Wollust will sich nur anjetzt damit bemühn.
Wir mögen nun nicht mehr/ so wie die Alten gehen/
Da uns die junge Welt stets frische Moden giebt
Uns würde ja kein Mensch in solcher Tracht ansehen/
Nun alles sich verneut/ und neue Moden liebt.
Wir sind ein freyes Volck/ und leben nicht gebunden/
Wir haben deine Macht schon längsten abgethan.
Wie/ daß du den so keck dich wieder eingefunden?
Wie/ daß dein scharffer Mund greifft unser Mittel an?
Wer achtet dein Gesetz/ dein Gifft der frohen Zeiten
Jetzt kahle Ehrbarkeit von deinen Kleidern mehr?
Die Wollust lässet uns den Kleider-Schmuck bereiten
Jhr klug-verschlagnes Haupt ist nie von Moden leer.
Hingegen muß man stets nach einer Pfeiffen tantzen/
Wenn man die Kleider noch dir zu Gefallen macht/
Da muß die freye Brust sich lassen vest verschantzen/
So daß kein Auge sieht der Liebes-Ballen-Pracht.
Nun aber legen wir der Wollust reiche Waare/
Als ein galantes Werck zu ihren Diensten an
Sie braucht die blosse Brust zu einen Lust-Altare
Wer ist der ihrer Macht wol wiederstehen kan.
So macht die Blösse uns im minsten nicht verachtet/
Wie deine Albernheit aus grosser Einfalt spricht/
Nein/ sondern unser Schatz/ wird als ein Schatz betrachtet
Worauf ein jedes Hertz den heissen Wunsch gericht.
Daß aber du uns gar den Barbarn nach wilt setzen/
Das sehn wir als ein Werck von grosser Dummheit an.
Es mag die Ehrbarkeit an denen sich ergetzen/
Da man das Heiligthum des Schoosses schauen kan. (a)
Wir machen nur die Brust/ und nicht des Schoosses Hallen/
Einfältge Ehrbarkeit/ du tummes Weibgen/ bloß
Und doch will dir die Art der Wilden mehr gefallen
Da man den Augen zeigt durch seinen Gang den Schooß.
Des aber lachen wir/ als groß' Absurditeten/
Ob würde unsre Brust durch ihre Blöß verletzt/
Ver-
C c 5
Vermiſchte Gedichte.
Es aͤndert ſich die Welt/ und dieſe ſetzt die Kleider/
Die wir ihr Eigenthum zu unſern Schmuck anziehn:
Wir brauchen dich nicht mehr zu einen Mode-Schneider
Die Wolluſt will ſich nur anjetzt damit bemuͤhn.
Wir moͤgen nun nicht mehr/ ſo wie die Alten gehen/
Da uns die junge Welt ſtets friſche Moden giebt
Uns wuͤrde ja kein Menſch in ſolcher Tracht anſehen/
Nun alles ſich verneut/ und neue Moden liebt.
Wir ſind ein freyes Volck/ und leben nicht gebunden/
Wir haben deine Macht ſchon laͤngſten abgethan.
Wie/ daß du den ſo keck dich wieder eingefunden?
Wie/ daß dein ſcharffer Mund greifft unſer Mittel an?
Wer achtet dein Geſetz/ dein Gifft der frohen Zeiten
Jetzt kahle Ehrbarkeit von deinen Kleidern mehr?
Die Wolluſt laͤſſet uns den Kleider-Schmuck bereiten
Jhr klug-verſchlagnes Haupt iſt nie von Moden leer.
Hingegen muß man ſtets nach einer Pfeiffen tantzen/
Wenn man die Kleider noch dir zu Gefallen macht/
Da muß die freye Bruſt ſich laſſen veſt verſchantzen/
So daß kein Auge ſieht der Liebes-Ballen-Pracht.
Nun aber legen wir der Wolluſt reiche Waare/
Als ein galantes Werck zu ihren Dienſten an
Sie braucht die bloſſe Bruſt zu einen Luſt-Altare
Wer iſt der ihrer Macht wol wiederſtehen kan.
So macht die Bloͤſſe uns im minſten nicht verachtet/
Wie deine Albernheit aus groſſer Einfalt ſpricht/
Nein/ ſondern unſer Schatz/ wird als ein Schatz betrachtet
Worauf ein jedes Hertz den heiſſen Wunſch gericht.
Daß aber du uns gar den Barbarn nach wilt ſetzen/
Das ſehn wir als ein Werck von groſſer Dummheit an.
Es mag die Ehrbarkeit an denen ſich ergetzen/
Da man das Heiligthum des Schooſſes ſchauen kan. (a)
Wir machen nur die Bruſt/ und nicht des Schooſſes Hallen/
Einfaͤltge Ehrbarkeit/ du tummes Weibgen/ bloß
Und doch will dir die Art der Wilden mehr gefallen
Da man den Augen zeigt durch ſeinen Gang den Schooß.
Des aber lachen wir/ als groß’ Abſurditeten/
Ob wuͤrde unſre Bruſt durch ihre Bloͤß verletzt/
Ver-
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[409/0427] Vermiſchte Gedichte. Es aͤndert ſich die Welt/ und dieſe ſetzt die Kleider/ Die wir ihr Eigenthum zu unſern Schmuck anziehn: Wir brauchen dich nicht mehr zu einen Mode-Schneider Die Wolluſt will ſich nur anjetzt damit bemuͤhn. Wir moͤgen nun nicht mehr/ ſo wie die Alten gehen/ Da uns die junge Welt ſtets friſche Moden giebt Uns wuͤrde ja kein Menſch in ſolcher Tracht anſehen/ Nun alles ſich verneut/ und neue Moden liebt. Wir ſind ein freyes Volck/ und leben nicht gebunden/ Wir haben deine Macht ſchon laͤngſten abgethan. Wie/ daß du den ſo keck dich wieder eingefunden? Wie/ daß dein ſcharffer Mund greifft unſer Mittel an? Wer achtet dein Geſetz/ dein Gifft der frohen Zeiten Jetzt kahle Ehrbarkeit von deinen Kleidern mehr? Die Wolluſt laͤſſet uns den Kleider-Schmuck bereiten Jhr klug-verſchlagnes Haupt iſt nie von Moden leer. Hingegen muß man ſtets nach einer Pfeiffen tantzen/ Wenn man die Kleider noch dir zu Gefallen macht/ Da muß die freye Bruſt ſich laſſen veſt verſchantzen/ So daß kein Auge ſieht der Liebes-Ballen-Pracht. Nun aber legen wir der Wolluſt reiche Waare/ Als ein galantes Werck zu ihren Dienſten an Sie braucht die bloſſe Bruſt zu einen Luſt-Altare Wer iſt der ihrer Macht wol wiederſtehen kan. So macht die Bloͤſſe uns im minſten nicht verachtet/ Wie deine Albernheit aus groſſer Einfalt ſpricht/ Nein/ ſondern unſer Schatz/ wird als ein Schatz betrachtet Worauf ein jedes Hertz den heiſſen Wunſch gericht. Daß aber du uns gar den Barbarn nach wilt ſetzen/ Das ſehn wir als ein Werck von groſſer Dummheit an. Es mag die Ehrbarkeit an denen ſich ergetzen/ Da man das Heiligthum des Schooſſes ſchauen kan. ⁽a⁾ Wir machen nur die Bruſt/ und nicht des Schooſſes Hallen/ Einfaͤltge Ehrbarkeit/ du tummes Weibgen/ bloß Und doch will dir die Art der Wilden mehr gefallen Da man den Augen zeigt durch ſeinen Gang den Schooß. Des aber lachen wir/ als groß’ Abſurditeten/ Ob wuͤrde unſre Bruſt durch ihre Bloͤß verletzt/ Ver- C c 5

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Zitationshilfe: Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/427>, abgerufen am 29.04.2024.