Grillparzer, Franz: Der arme Spielmann. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–344. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.am meisten. Eigentlich verdienen Sie kein Mitleid -- hier wurde sie immer heftiger -- wenn man so schwach ist, seine eigenen Sachen nicht in Ordnung halten zu können; so leichtgläubig, daß man Jedem traut, gleichviel ob es ein Spitzbube ist oder ein ehrlicher Mann. -- Und doch thut's mir leid um Sie. Ich bin gekommen, um Abschied zu nehmen. Ja, erschrecken Sie nur. Ist's doch Ihr Werk. Ich muß nun hinaus unter die groben Leute, wogegen ich mich so lange gesträubt habe. Aber da ist kein Mittel. Die Hand habe ich Ihnen schon gegeben; und so leben Sie wohl -- für immer. Ich sah, daß ihr die Thränen wieder ins Auge traten, aber sie schüttelte unwillig mit dem Kopfe und ging. Mir war, als hätte ich Blei in den Gliedern. Gegen die Thüre gekommen, wendete sie sich noch einmal um und sagte: Die Wäsche ist jetzt in Ordnung. Sehen Sie zu, daß nichts abgeht. Es werden harte Zeiten kommen. Und nun hob sie die Hand auf, machte wie ein Kreuzeszeichen in die Luft und rief: Gott mit dir, Jakob! -- In alle Ewigkeit, Amen! setzte sie leiser hinzu und ging. Nun erst kam mir der Gebrauch meiner Glieder zurück. Ich eilte ihr nach, und auf dem Treppenabsätze stehend rief ich ihr nach: Barbara! Ich hörte, daß sie auf der Stiege stehen blieb. Wie ich aber die erste Stufe hinabstieg, sprach sie von unten herauf: Bleiben Sie! und ging die Treppe vollends hinab und zum Thore hinaus. am meisten. Eigentlich verdienen Sie kein Mitleid — hier wurde sie immer heftiger — wenn man so schwach ist, seine eigenen Sachen nicht in Ordnung halten zu können; so leichtgläubig, daß man Jedem traut, gleichviel ob es ein Spitzbube ist oder ein ehrlicher Mann. — Und doch thut's mir leid um Sie. Ich bin gekommen, um Abschied zu nehmen. Ja, erschrecken Sie nur. Ist's doch Ihr Werk. Ich muß nun hinaus unter die groben Leute, wogegen ich mich so lange gesträubt habe. Aber da ist kein Mittel. Die Hand habe ich Ihnen schon gegeben; und so leben Sie wohl — für immer. Ich sah, daß ihr die Thränen wieder ins Auge traten, aber sie schüttelte unwillig mit dem Kopfe und ging. Mir war, als hätte ich Blei in den Gliedern. Gegen die Thüre gekommen, wendete sie sich noch einmal um und sagte: Die Wäsche ist jetzt in Ordnung. Sehen Sie zu, daß nichts abgeht. Es werden harte Zeiten kommen. Und nun hob sie die Hand auf, machte wie ein Kreuzeszeichen in die Luft und rief: Gott mit dir, Jakob! — In alle Ewigkeit, Amen! setzte sie leiser hinzu und ging. Nun erst kam mir der Gebrauch meiner Glieder zurück. Ich eilte ihr nach, und auf dem Treppenabsätze stehend rief ich ihr nach: Barbara! Ich hörte, daß sie auf der Stiege stehen blieb. Wie ich aber die erste Stufe hinabstieg, sprach sie von unten herauf: Bleiben Sie! und ging die Treppe vollends hinab und zum Thore hinaus. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <p><pb facs="#f0063"/> am meisten. Eigentlich verdienen Sie kein Mitleid — hier wurde sie immer heftiger — wenn man so schwach ist, seine eigenen Sachen nicht in Ordnung halten zu können; so leichtgläubig, daß man Jedem traut, gleichviel ob es ein Spitzbube ist oder ein ehrlicher Mann. — Und doch thut's mir leid um Sie. Ich bin gekommen, um Abschied zu nehmen. Ja, erschrecken Sie nur. Ist's doch Ihr Werk. Ich muß nun hinaus unter die groben Leute, wogegen ich mich so lange gesträubt habe. Aber da ist kein Mittel. Die Hand habe ich Ihnen schon gegeben; und so leben Sie wohl — für immer. Ich sah, daß ihr die Thränen wieder ins Auge traten, aber sie schüttelte unwillig mit dem Kopfe und ging. Mir war, als hätte ich Blei in den Gliedern. Gegen die Thüre gekommen, wendete sie sich noch einmal um und sagte: Die Wäsche ist jetzt in Ordnung. Sehen Sie zu, daß nichts abgeht. Es werden harte Zeiten kommen. Und nun hob sie die Hand auf, machte wie ein Kreuzeszeichen in die Luft und rief: Gott mit dir, Jakob! — In alle Ewigkeit, Amen! setzte sie leiser hinzu und ging.</p><lb/> <p>Nun erst kam mir der Gebrauch meiner Glieder zurück. Ich eilte ihr nach, und auf dem Treppenabsätze stehend rief ich ihr nach: Barbara! Ich hörte, daß sie auf der Stiege stehen blieb. Wie ich aber die erste Stufe hinabstieg, sprach sie von unten herauf: Bleiben Sie! und ging die Treppe vollends hinab und zum Thore hinaus.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0063]
am meisten. Eigentlich verdienen Sie kein Mitleid — hier wurde sie immer heftiger — wenn man so schwach ist, seine eigenen Sachen nicht in Ordnung halten zu können; so leichtgläubig, daß man Jedem traut, gleichviel ob es ein Spitzbube ist oder ein ehrlicher Mann. — Und doch thut's mir leid um Sie. Ich bin gekommen, um Abschied zu nehmen. Ja, erschrecken Sie nur. Ist's doch Ihr Werk. Ich muß nun hinaus unter die groben Leute, wogegen ich mich so lange gesträubt habe. Aber da ist kein Mittel. Die Hand habe ich Ihnen schon gegeben; und so leben Sie wohl — für immer. Ich sah, daß ihr die Thränen wieder ins Auge traten, aber sie schüttelte unwillig mit dem Kopfe und ging. Mir war, als hätte ich Blei in den Gliedern. Gegen die Thüre gekommen, wendete sie sich noch einmal um und sagte: Die Wäsche ist jetzt in Ordnung. Sehen Sie zu, daß nichts abgeht. Es werden harte Zeiten kommen. Und nun hob sie die Hand auf, machte wie ein Kreuzeszeichen in die Luft und rief: Gott mit dir, Jakob! — In alle Ewigkeit, Amen! setzte sie leiser hinzu und ging.
Nun erst kam mir der Gebrauch meiner Glieder zurück. Ich eilte ihr nach, und auf dem Treppenabsätze stehend rief ich ihr nach: Barbara! Ich hörte, daß sie auf der Stiege stehen blieb. Wie ich aber die erste Stufe hinabstieg, sprach sie von unten herauf: Bleiben Sie! und ging die Treppe vollends hinab und zum Thore hinaus.
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Zitationshilfe: | Grillparzer, Franz: Der arme Spielmann. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–344. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_spielmann_1910/63>, abgerufen am 17.06.2024. |