Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
I. mittelhochdeutsche consonanten insgemein.
stattfinden. Merkwürdige spur des notkerischen ge-
brauchs zeigt sich jedoch in der schreibung enkelten,
enkalt (Parc. 88b 118a 135c und sicher öfter, da sie
auch Nib. hss. 3392. 3588, [8867 enckelden] gewähren
und das alte münchn. fr. Wilh. 2. 74b enkultet ir liest)
f. engelten, engalt, welches lediglich aus einem frü-
hern ent-kelten, ent-kalt aufzuklären ist (O. int-
geltan, N. aber in-gelten; nicht unanalog scheint
enpfahen, enpfliehen, enpfinden f. entfinden, entflie-
hen, entfahen; das nähere bei der schwankenden vor-
silbe int-, in-) eben so wenig verwundern darf lant-
crave (Nib. 8384. EM) oder burg-crave (Parc. 10c)
st. des gewöhnl. burc-grave; das leichtl. fr. der Nib.
liest 1042. 1074. 1079. 1088. und durchgehends hoch-
kezeit, während es übrigens immer ge setzt (auch
hochgemuot 1150. 1181.) -- Aus den belegen erhellt
a) daß nur vom umlaut der anlautenden med. in die
ten. die rede ist, die ten. selbst aber unverändert be-
steht. Da p bloß in fremden wörtern anlautet (pein,
palas, porte *), k aber, wie ich eben bemerkte, in
die asp. schwankt; wird dieser satz besonders für den
zungenlaut wichtig. Neben tohter, tump, tac etc.
kann nie ein dohter, dump, dac gelten, wenn schon
vocalische oder liq. auslaute vorhergehen; mit andern
worten, mittelh. t, das dem goth. d entspricht, lautet
nie in d um, wohl aber das dem goth. th entsprechende
d in t **). b) eingangs der sätze und zeilen gilt über-
all med., nicht wie bei N., ten.; selten verstößt der
s. gall. Parc. hiergegen und prat, pilleicher (52a 97b)
scheinen fehlerhaft. c) überhaupt mag den schreibern
das bewußtseyn der regel fehlen, da neben jenen
beispielen, wo die aussprache auf das richtige führte,
genug andere widerstrebende vorkommen, theils b
*) Wo ausnahmsweise b statt p anlautet vgl. bischof und
bilgerein (Barl. 18. 114.) aber M. S. 1, 23b pilgerein, poye
und boye, da gilt med. oder ten, fest, ohne wechsel. We-
nigstens stimmt a. Tit. 9. 16. ir breis, herre breis neben
anderm prise gerade nicht zur regel, und das gedicht folgt
ihr sonst nicht.
**) Bei N. anders, der alle anlaute b. p. d t. nach dem aus-
laut ordnet, also selbst in fremden wörtern bald beina bald
peina gebraucht. Ihm scheint ten, der wahre laut (oben
s. 130.) med. der umlaut; im mittelh. umgekehrt. Mein
zweifel s. 158 (note) war unnöthig, da wenigstens die
psalmen zwischen dag und tag etc. nach der regel wechseln.
I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein.
ſtattfinden. Merkwürdige ſpur des notkeriſchen ge-
brauchs zeigt ſich jedoch in der ſchreibung enkëlten,
enkalt (Parc. 88b 118a 135c und ſicher öfter, da ſie
auch Nib. hſſ. 3392. 3588, [8867 enckëlden] gewähren
und das alte münchn. fr. Wilh. 2. 74b enkultet ir lieſt)
f. engëlten, engalt, welches lediglich aus einem frü-
hern ent-këlten, ent-kalt aufzuklären iſt (O. int-
gëltan, N. aber in-gëlten; nicht unanalog ſcheint
enpfâhen, enpfliehen, enpfinden f. entfinden, entflie-
hen, entfâhen; das nähere bei der ſchwankenden vor-
ſilbe int-, in-) eben ſo wenig verwundern darf lant-
crâve (Nib. 8384. EM) oder burg-crâve (Parc. 10c)
ſt. des gewöhnl. burc-grâve; das leichtl. fr. der Nib.
lieſt 1042. 1074. 1079. 1088. und durchgehends hôch-
kezît, während es übrigens immer ge ſetzt (auch
hôchgemuot 1150. 1181.) — Aus den belegen erhellt
a) daß nur vom umlaut der anlautenden med. in die
ten. die rede iſt, die ten. ſelbſt aber unverändert be-
ſteht. Da p bloß in fremden wörtern anlautet (pîn,
palas, porte *), k aber, wie ich eben bemerkte, in
die aſp. ſchwankt; wird dieſer ſatz beſonders für den
zungenlaut wichtig. Neben tohter, tump, tac etc.
kann nie ein dohter, dump, dac gelten, wenn ſchon
vocaliſche oder liq. auslaute vorhergehen; mit andern
worten, mittelh. t, das dem goth. d entſpricht, lautet
nie in d um, wohl aber das dem goth. þ entſprechende
d in t **). b) eingangs der ſätze und zeilen gilt über-
all med., nicht wie bei N., ten.; ſelten verſtößt der
ſ. gall. Parc. hiergegen und prât, pillîcher (52a 97b)
ſcheinen fehlerhaft. c) überhaupt mag den ſchreibern
das bewußtſeyn der regel fehlen, da neben jenen
beiſpielen, wo die ausſprache auf das richtige führte,
genug andere widerſtrebende vorkommen, theils b
*) Wo ausnahmsweiſe b ſtatt p anlautet vgl. biſchof und
bilgerîn (Barl. 18. 114.) aber M. S. 1, 23b pilgerîn, poye
und boye, da gilt med. oder ten, feſt, ohne wechſel. We-
nigſtens ſtimmt a. Tit. 9. 16. ir brîs, hërre brîs neben
anderm prìſe gerade nicht zur regel, und das gedicht folgt
ihr ſonſt nicht.
**) Bei N. anders, der alle anlaute b. p. d t. nach dem aus-
laut ordnet, alſo ſelbſt in fremden wörtern bald bîna bald
pîna gebraucht. Ihm ſcheint ten, der wahre laut (oben
ſ. 130.) med. der umlaut; im mittelh. umgekehrt. Mein
zweifel ſ. 158 (note) war unnöthig, da wenigſtens die
pſalmen zwiſchen dag und tag etc. nach der regel wechſeln.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item><pb facs="#f0408" n="382"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">mittelhochdeut&#x017F;che con&#x017F;onanten insgemein.</hi></fw><lb/>
&#x017F;tattfinden. Merkwürdige &#x017F;pur des notkeri&#x017F;chen ge-<lb/>
brauchs zeigt &#x017F;ich jedoch in der &#x017F;chreibung enkëlten,<lb/>
enkalt (Parc. 88<hi rendition="#sup">b</hi> 118<hi rendition="#sup">a</hi> 135<hi rendition="#sup">c</hi> und &#x017F;icher öfter, da &#x017F;ie<lb/>
auch Nib. h&#x017F;&#x017F;. 3392. 3588, [8867 enckëlden] gewähren<lb/>
und das alte münchn. fr. Wilh. 2. 74<hi rendition="#sup">b</hi> enkultet ir lie&#x017F;t)<lb/>
f. engëlten, engalt, welches lediglich aus einem frü-<lb/>
hern ent-këlten, ent-kalt aufzuklären i&#x017F;t (O. int-<lb/>
gëltan, N. aber in-gëlten; nicht unanalog &#x017F;cheint<lb/>
enpfâhen, enpfliehen, enpfinden f. entfinden, entflie-<lb/>
hen, entfâhen; das nähere bei der &#x017F;chwankenden vor-<lb/>
&#x017F;ilbe int-, in-) eben &#x017F;o wenig verwundern darf lant-<lb/>
crâve (Nib. 8384. EM) oder burg-crâve (Parc. 10<hi rendition="#sup">c</hi>)<lb/>
&#x017F;t. des gewöhnl. burc-grâve; das leichtl. fr. der Nib.<lb/>
lie&#x017F;t 1042. 1074. 1079. 1088. und durchgehends hôch-<lb/>
kezît, während es übrigens immer ge &#x017F;etzt (auch<lb/>
hôchgemuot 1150. 1181.) &#x2014; Aus den belegen erhellt<lb/>
a) daß nur vom umlaut der anlautenden med. in die<lb/>
ten. die rede i&#x017F;t, die ten. &#x017F;elb&#x017F;t aber unverändert be-<lb/>
&#x017F;teht. Da p bloß in fremden wörtern anlautet (pîn,<lb/>
palas, porte <note place="foot" n="*)">Wo ausnahmswei&#x017F;e b &#x017F;tatt p anlautet vgl. bi&#x017F;chof und<lb/>
bilgerîn (Barl. 18. 114.) aber M. S. 1, 23<hi rendition="#sup">b</hi> pilgerîn, poye<lb/>
und boye, da gilt med. oder ten, fe&#x017F;t, ohne wech&#x017F;el. We-<lb/>
nig&#x017F;tens &#x017F;timmt a. Tit. 9. 16. ir brîs, hërre brîs neben<lb/>
anderm prì&#x017F;e gerade nicht zur regel, und das gedicht folgt<lb/>
ihr &#x017F;on&#x017F;t nicht.</note>, k aber, wie ich eben bemerkte, in<lb/>
die a&#x017F;p. &#x017F;chwankt; wird die&#x017F;er &#x017F;atz be&#x017F;onders für den<lb/>
zungenlaut wichtig. Neben tohter, tump, tac etc.<lb/>
kann nie ein dohter, dump, dac gelten, wenn &#x017F;chon<lb/>
vocali&#x017F;che oder liq. auslaute vorhergehen; mit andern<lb/>
worten, mittelh. t, das dem goth. d ent&#x017F;pricht, lautet<lb/>
nie in d um, wohl aber das dem goth. þ ent&#x017F;prechende<lb/>
d in t <note place="foot" n="**)">Bei N. anders, der alle anlaute b. p. d t. nach dem aus-<lb/>
laut ordnet, al&#x017F;o &#x017F;elb&#x017F;t in fremden wörtern bald bîna bald<lb/>
pîna gebraucht. Ihm &#x017F;cheint ten, der wahre laut (oben<lb/>
&#x017F;. 130.) med. der umlaut; im mittelh. umgekehrt. Mein<lb/>
zweifel &#x017F;. 158 (note) war unnöthig, da wenig&#x017F;tens die<lb/>
p&#x017F;almen zwi&#x017F;chen dag und tag etc. nach der regel wech&#x017F;eln.</note>. b) eingangs der &#x017F;ätze und zeilen gilt über-<lb/>
all med., nicht wie bei N., ten.; &#x017F;elten ver&#x017F;tößt der<lb/>
&#x017F;. gall. Parc. hiergegen und prât, pillîcher (52<hi rendition="#sup">a</hi> 97<hi rendition="#sup">b</hi>)<lb/>
&#x017F;cheinen fehlerhaft. c) überhaupt mag den &#x017F;chreibern<lb/>
das bewußt&#x017F;eyn der regel fehlen, da neben jenen<lb/>
bei&#x017F;pielen, wo die aus&#x017F;prache auf das richtige führte,<lb/>
genug andere wider&#x017F;trebende vorkommen, theils b<lb/></item>
            </list>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0408] I. mittelhochdeutſche conſonanten insgemein. ſtattfinden. Merkwürdige ſpur des notkeriſchen ge- brauchs zeigt ſich jedoch in der ſchreibung enkëlten, enkalt (Parc. 88b 118a 135c und ſicher öfter, da ſie auch Nib. hſſ. 3392. 3588, [8867 enckëlden] gewähren und das alte münchn. fr. Wilh. 2. 74b enkultet ir lieſt) f. engëlten, engalt, welches lediglich aus einem frü- hern ent-këlten, ent-kalt aufzuklären iſt (O. int- gëltan, N. aber in-gëlten; nicht unanalog ſcheint enpfâhen, enpfliehen, enpfinden f. entfinden, entflie- hen, entfâhen; das nähere bei der ſchwankenden vor- ſilbe int-, in-) eben ſo wenig verwundern darf lant- crâve (Nib. 8384. EM) oder burg-crâve (Parc. 10c) ſt. des gewöhnl. burc-grâve; das leichtl. fr. der Nib. lieſt 1042. 1074. 1079. 1088. und durchgehends hôch- kezît, während es übrigens immer ge ſetzt (auch hôchgemuot 1150. 1181.) — Aus den belegen erhellt a) daß nur vom umlaut der anlautenden med. in die ten. die rede iſt, die ten. ſelbſt aber unverändert be- ſteht. Da p bloß in fremden wörtern anlautet (pîn, palas, porte *), k aber, wie ich eben bemerkte, in die aſp. ſchwankt; wird dieſer ſatz beſonders für den zungenlaut wichtig. Neben tohter, tump, tac etc. kann nie ein dohter, dump, dac gelten, wenn ſchon vocaliſche oder liq. auslaute vorhergehen; mit andern worten, mittelh. t, das dem goth. d entſpricht, lautet nie in d um, wohl aber das dem goth. þ entſprechende d in t **). b) eingangs der ſätze und zeilen gilt über- all med., nicht wie bei N., ten.; ſelten verſtößt der ſ. gall. Parc. hiergegen und prât, pillîcher (52a 97b) ſcheinen fehlerhaft. c) überhaupt mag den ſchreibern das bewußtſeyn der regel fehlen, da neben jenen beiſpielen, wo die ausſprache auf das richtige führte, genug andere widerſtrebende vorkommen, theils b *) Wo ausnahmsweiſe b ſtatt p anlautet vgl. biſchof und bilgerîn (Barl. 18. 114.) aber M. S. 1, 23b pilgerîn, poye und boye, da gilt med. oder ten, feſt, ohne wechſel. We- nigſtens ſtimmt a. Tit. 9. 16. ir brîs, hërre brîs neben anderm prìſe gerade nicht zur regel, und das gedicht folgt ihr ſonſt nicht. **) Bei N. anders, der alle anlaute b. p. d t. nach dem aus- laut ordnet, alſo ſelbſt in fremden wörtern bald bîna bald pîna gebraucht. Ihm ſcheint ten, der wahre laut (oben ſ. 130.) med. der umlaut; im mittelh. umgekehrt. Mein zweifel ſ. 158 (note) war unnöthig, da wenigſtens die pſalmen zwiſchen dag und tag etc. nach der regel wechſeln.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/408
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/408>, abgerufen am 27.05.2024.