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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelhochdeutsche consonanten. labiales.
247.) beinahe nur in ursprünglich fremden längst über-
gegangenen wörtern, als pfaffe (papa) pfalenze (pallan-
tia) pfawe (pavo) pfelle (pallium) pfeteraere (petraria)
pflanze (planta) pfeilaere (pilarius) pfingesten (pentecoste)
pfunt (pondus) u. a. m. Es gibt einige, deren fremd-
heit bezweifelt werden kann, wenigstens unansgemacht
scheint, immer aber erregt auch ihre deutschheit be-
denken, pfeite hieß freilich schon dem Gothen paida,
dem Sachsen peda, aber wo wäre die deutsche wur-
zel? bloß das schw. verbum enpfetten (st. enpfeiten)
exuere leitet sich daher; das wort ist finnisch, lusle-
nius pag. 254. hat paita subucula linea, paidotan sub.
prospicio etc. pfat, pfades (trames) bei O. pad. pa-
des, sächs. pädh scheint mir das gr. patos und nicht
von deutscher verwandter wurzel, weil diese der ana-
logie zufolge im sächs. mit f, im hochd mit v anlau-
ten würde (vgl. pous mit fot, vuoß); pfeil (telum)
mag das lat. pilum seyn, wiewohl es sagitta bedeutet,
entscheidend wird hier, daß es weder die alth. noch
sächs. sprache kennen, denen dafür strala, strael gilt;
sehr leicht verwechselten sich die begriffe wurfspieß
und pfeil. Merkwürdig wenn pflegen undeutsch wäre,
da dies wort starke conj. hat; ich werde unten dar-
thun, daß diese zwar fürs mittelh. unbedenklich, fürs
alth. höchst zweifelhaft sey und weder im nord. noch
sächs. gelte im goth. fehlt das ganze wort, so wie pfliht,
das vielleicht mit pflegen gar nicht verwandt ist. Auf
die fremdheit von pfluoc (aratrum) angels. plog, nord.
plogr führt, daß im goth. nicht dies wort, sondern hoha
steht. Über pfage (equus) beim mittelniederd. Ich
wüste kein mit pf anlautendes wort, an dem nicht
ähnliche verdachtsgründe hafteten oder das nicht of-
fenbar fremd wäre. In einigen fremden hat die
alte ten. fortgedauert (z. b. pein, dolor) in einigen
sich sogar in med gewandelt: bischof, bir (pirum)
bilgerein etc. Neu übergehende fremde wörter behal-
ten die fremde ten. bei, z. b. palas, permint, plan,
prueven, pauneiß, porte und viel ähnliche; erst später
gewinnen noch einige darunter aspiration, vgl. das
neuh. pforte, ein beweis, daß sie der sprache immer
vertrauter werden. -- b) in- und auslautend steht pf
nur in gewissen fällen, nämlich a) durchaus nach m,
belege vorhin s. 395. aber auch außer der eigentlichen
labialverbindung, z. b. im fremden schumpfentiure
(sconfittura) schampfanzaun, ampfleise. b) nach n bloß
I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales.
247.) beinahe nur in urſprünglich fremden längſt über-
gegangenen wörtern, als pfaffe (papa) pfalenze (pallan-
tia) pfàwe (pavo) pfelle (pallium) pfëterære (petraria)
pflanze (planta) pfîlære (pilarius) pfingeſten (pentecoſte)
pfunt (pondus) u. a. m. Es gibt einige, deren fremd-
heit bezweifelt werden kann, wenigſtens unansgemacht
ſcheint, immer aber erregt auch ihre deutſchheit be-
denken, pfeite hieß freilich ſchon dem Gothen páida,
dem Sachſen pêda, aber wo wäre die deutſche wur-
zel? bloß das ſchw. verbum enpfëtten (ſt. enpfeiten)
exuere leitet ſich daher; das wort iſt finniſch, luſle-
nius pag. 254. hat paita ſubucula linea, paidotan ſub.
proſpicio etc. pfat, pfades (trames) bei O. pad. pa-
des, ſächſ. pädh ſcheint mir das gr. πάτος und nicht
von deutſcher verwandter wurzel, weil dieſe der ana-
logie zufolge im ſächſ. mit f, im hochd mit v anlau-
ten würde (vgl. ποῦς mit fôt, vuoƷ); pfîl (telum)
mag das lat. pilum ſeyn, wiewohl es ſagitta bedeutet,
entſcheidend wird hier, daß es weder die alth. noch
ſächſ. ſprache kennen, denen dafür ſtrâla, ſtræl gilt;
ſehr leicht verwechſelten ſich die begriffe wurfſpieß
und pfeil. Merkwürdig wenn pflëgen undeutſch wäre,
da dies wort ſtarke conj. hat; ich werde unten dar-
thun, daß dieſe zwar fürs mittelh. unbedenklich, fürs
alth. höchſt zweifelhaft ſey und weder im nord. noch
ſächſ. gelte im goth. fehlt das ganze wort, ſo wie pfliht,
das vielleicht mit pflëgen gar nicht verwandt iſt. Auf
die fremdheit von pfluoc (aratrum) angelſ. plôg, nord.
plôgr führt, daß im goth. nicht dies wort, ſondern hôha
ſteht. Über pfage (equus) beim mittelniederd. Ich
wüſte kein mit pf anlautendes wort, an dem nicht
ähnliche verdachtsgründe hafteten oder das nicht of-
fenbar fremd wäre. In einigen fremden hat die
alte ten. fortgedauert (z. b. pîn, dolor) in einigen
ſich ſogar in med gewandelt: biſchof, bir (pirum)
bilgerîn etc. Neu übergehende fremde wörter behal-
ten die fremde ten. bei, z. b. palas, përmint, plân,
prueven, pûneiƷ, porte und viel ähnliche; erſt ſpäter
gewinnen noch einige darunter aſpiration, vgl. das
neuh. pforte, ein beweis, daß ſie der ſprache immer
vertrauter werden. — b) in- und auslautend ſteht pf
nur in gewiſſen fällen, nämlich α) durchaus nach m,
belege vorhin ſ. 395. aber auch außer der eigentlichen
labialverbindung, z. b. im fremden ſchumpfentiure
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[397/0423] I. mittelhochdeutſche conſonanten. labiales. 247.) beinahe nur in urſprünglich fremden längſt über- gegangenen wörtern, als pfaffe (papa) pfalenze (pallan- tia) pfàwe (pavo) pfelle (pallium) pfëterære (petraria) pflanze (planta) pfîlære (pilarius) pfingeſten (pentecoſte) pfunt (pondus) u. a. m. Es gibt einige, deren fremd- heit bezweifelt werden kann, wenigſtens unansgemacht ſcheint, immer aber erregt auch ihre deutſchheit be- denken, pfeite hieß freilich ſchon dem Gothen páida, dem Sachſen pêda, aber wo wäre die deutſche wur- zel? bloß das ſchw. verbum enpfëtten (ſt. enpfeiten) exuere leitet ſich daher; das wort iſt finniſch, luſle- nius pag. 254. hat paita ſubucula linea, paidotan ſub. proſpicio etc. pfat, pfades (trames) bei O. pad. pa- des, ſächſ. pädh ſcheint mir das gr. πάτος und nicht von deutſcher verwandter wurzel, weil dieſe der ana- logie zufolge im ſächſ. mit f, im hochd mit v anlau- ten würde (vgl. ποῦς mit fôt, vuoƷ); pfîl (telum) mag das lat. pilum ſeyn, wiewohl es ſagitta bedeutet, entſcheidend wird hier, daß es weder die alth. noch ſächſ. ſprache kennen, denen dafür ſtrâla, ſtræl gilt; ſehr leicht verwechſelten ſich die begriffe wurfſpieß und pfeil. Merkwürdig wenn pflëgen undeutſch wäre, da dies wort ſtarke conj. hat; ich werde unten dar- thun, daß dieſe zwar fürs mittelh. unbedenklich, fürs alth. höchſt zweifelhaft ſey und weder im nord. noch ſächſ. gelte im goth. fehlt das ganze wort, ſo wie pfliht, das vielleicht mit pflëgen gar nicht verwandt iſt. Auf die fremdheit von pfluoc (aratrum) angelſ. plôg, nord. plôgr führt, daß im goth. nicht dies wort, ſondern hôha ſteht. Über pfage (equus) beim mittelniederd. Ich wüſte kein mit pf anlautendes wort, an dem nicht ähnliche verdachtsgründe hafteten oder das nicht of- fenbar fremd wäre. In einigen fremden hat die alte ten. fortgedauert (z. b. pîn, dolor) in einigen ſich ſogar in med gewandelt: biſchof, bir (pirum) bilgerîn etc. Neu übergehende fremde wörter behal- ten die fremde ten. bei, z. b. palas, përmint, plân, prueven, pûneiƷ, porte und viel ähnliche; erſt ſpäter gewinnen noch einige darunter aſpiration, vgl. das neuh. pforte, ein beweis, daß ſie der ſprache immer vertrauter werden. — b) in- und auslautend ſteht pf nur in gewiſſen fällen, nämlich α) durchaus nach m, belege vorhin ſ. 395. aber auch außer der eigentlichen labialverbindung, z. b. im fremden ſchumpfentiure (ſconfittura) ſchampfanzûn, ampflîſe. β) nach n bloß

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/423>, abgerufen am 29.04.2024.