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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelhochdeutsche consonanten. gutturales.
überdem die alth. kk und gg schwanken (s. 193. 194.)
und die gem. des g. in andern fällen, wo man sie er-
warten sollte (z. b. in ligen, legen, sagen sächs. liggen,
leggen, seggen) nicht gilt; da endlich pp. das bb. ver-
tritt (s. 406); so war vermuthlich schon im gemeinmit-
telh. das gefühl für jenen unterschied stumpfer, als in
einzelnen mundarten. Wer ihn strenge handhaben will,
kann sich im zweifel aus den sächs. fries. und nord.
sprachen belehren (vgl. s. 221. 264. 279. 324.) Fehler-
haft steht gg nach consonanten, z. b. zirgget, zingge
(M. S. 2, 124b 166a) statt k. --

gutturalverbiudungen. 1) anlautende KL. KN. KR.
GL. GN. GR-, aus den glossarien zu ersehen; gn. wohl
nur in gnaben (serpere?) gneiste (scintilla, f. geneiste?
also wie gnade f. genade u. a. m.) von dem sich zuwei-
len unentbehrlich machenden vorstehenden ge- mehre-
res in der wortbildnngslehre. QU bloß in einigen wör-
tern, und schwankt in k über, d. h. zwischen k und
folgendem a, i kann u ausfallen, als: queln, quil, qual,
qualen oder kil, kal; queit und keit (ait); quam, kam;
nicht leicht vor andern, also kein keln, kec, kelle f.
queln, quec, quelle etc. zuweilen mischt sich u mit dem
folg. voc. und zeugt ein kurzes o, in kom f. quam,
kone f. quene, komen (inf.) f. quemen. Fremden wör-
tern bleibt ihr qu, als quaschiure (vulnus). Es versteht
sich, daß vor u jederzeit k für qu. eintritt: kunft, ko-
men (part. goth. qvumaus) -- 2) in- und auslautende.
HS. den alth. belegen (s. 197.) läßt sich wenig zufügen
(einige derselben sind sogar unbräuchlich geworden):
dehsen, dahs (linum frangere) sahsen (saxones) ungejah-
sen (in einem ungedr. liede Neitharts, vielleicht unge-
lahsen, das noch H. Sachs nöthig braucht) buhs (M. S.
2, 206a) wehsel (vicissitudo) draehsel (tornarius Parc. 62a
draechsel aber unrichtig; anders verhält es sich mit reich-
sen, geleichsen) einige wörter schwanken auch in das
niederd. ss, namentlich gilt durchgängig was, wasses
(acer) wie schon alth. huas, huasses (doch daneben noch
im 10. 11. 12. jahrh. wahs, wahses fr. belli far. 3020.
wahssam) vgl. wasse:masse (schmiede 1020.) Trist. 65b
reimen was (acer) : scharsas, schwerlich wahs:scharsahs
zu lesen; Maria 210. sehse:wesse (scivit); entschiedner
bei Herbort 4d 20b 86d was (fuit):vas (capillus 57c
gras (gramen):sas (culter). X. eigentlich nur in frem-
den wörtern gültig als pfinxtac (Parc. 52a Nib. 5473.)
pfinxtmorgen (Nib. 1197.) in voller form aber pfingest

I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
überdem die alth. kk und gg ſchwanken (ſ. 193. 194.)
und die gem. des g. in andern fällen, wo man ſie er-
warten ſollte (z. b. in ligen, legen, ſagen ſächſ. liggen,
leggen, ſeggen) nicht gilt; da endlich pp. das bb. ver-
tritt (ſ. 406); ſo war vermuthlich ſchon im gemeinmit-
telh. das gefühl für jenen unterſchied ſtumpfer, als in
einzelnen mundarten. Wer ihn ſtrenge handhaben will,
kann ſich im zweifel aus den ſächſ. frieſ. und nord.
ſprachen belehren (vgl. ſ. 221. 264. 279. 324.) Fehler-
haft ſteht gg nach conſonanten, z. b. zirgget, zingge
(M. S. 2, 124b 166a) ſtatt k. —

gutturalverbiudungen. 1) anlautende KL. KN. KR.
GL. GN. GR-, aus den gloſſarien zu erſehen; gn. wohl
nur in gnaben (ſerpere?) gneiſte (ſcintilla, f. geneiſte?
alſo wie gnâde f. genâde u. a. m.) von dem ſich zuwei-
len unentbehrlich machenden vorſtehenden ge- mehre-
res in der wortbildnngslehre. QU bloß in einigen wör-
tern, und ſchwankt in k über, d. h. zwiſchen k und
folgendem a, i kann u ausfallen, als: quëln, quil, qual,
quâlen oder kil, kal; quît und kît (aït); quam, kam;
nicht leicht vor andern, alſo kein këln, këc, këlle f.
queln, quëc, quëlle etc. zuweilen miſcht ſich u mit dem
folg. voc. und zeugt ein kurzes o, in kom f. quam,
kone f. quëne, komen (inf.) f. quëmen. Fremden wör-
tern bleibt ihr qu, als quaſchiure (vulnus). Es verſteht
ſich, daß vor u jederzeit k für qu. eintritt: kunft, ko-
men (part. goth. qvumaus) — 2) in- und auslautende.
HS. den alth. belegen (ſ. 197.) läßt ſich wenig zufügen
(einige derſelben ſind ſogar unbräuchlich geworden):
dëhſen, dahs (linum frangere) ſahſen (ſaxones) ungejah-
ſen (in einem ungedr. liede Nîtharts, vielleicht unge-
lahſen, das noch H. Sachs nöthig braucht) buhs (M. S.
2, 206a) wëhſel (viciſſitudo) dræhſel (tornarius Parc. 62a
dræchſel aber unrichtig; anders verhält es ſich mit rîch-
ſen, gelîchſen) einige wörter ſchwanken auch in das
niederd. ſſ, namentlich gilt durchgängig was, waſſes
(acer) wie ſchon alth. huas, huaſſes (doch daneben noch
im 10. 11. 12. jahrh. wahs, wahſes fr. belli far. 3020.
wahsſam) vgl. waſſe:maſſe (ſchmiede 1020.) Triſt. 65b
reimen was (acer) : ſcharſas, ſchwerlich wahs:ſcharſahs
zu leſen; Maria 210. ſëhſe:wëſſe (ſcivit); entſchiedner
bei Herbort 4d 20b 86d was (fuit):vas (capillus 57c
gras (gramen):ſas (culter). X. eigentlich nur in frem-
den wörtern gültig als pfinxtac (Parc. 52a Nib. 5473.)
pfinxtmorgen (Nib. 1197.) in voller form aber pfingeſt

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[442/0468] I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales. überdem die alth. kk und gg ſchwanken (ſ. 193. 194.) und die gem. des g. in andern fällen, wo man ſie er- warten ſollte (z. b. in ligen, legen, ſagen ſächſ. liggen, leggen, ſeggen) nicht gilt; da endlich pp. das bb. ver- tritt (ſ. 406); ſo war vermuthlich ſchon im gemeinmit- telh. das gefühl für jenen unterſchied ſtumpfer, als in einzelnen mundarten. Wer ihn ſtrenge handhaben will, kann ſich im zweifel aus den ſächſ. frieſ. und nord. ſprachen belehren (vgl. ſ. 221. 264. 279. 324.) Fehler- haft ſteht gg nach conſonanten, z. b. zirgget, zingge (M. S. 2, 124b 166a) ſtatt k. — gutturalverbiudungen. 1) anlautende KL. KN. KR. GL. GN. GR-, aus den gloſſarien zu erſehen; gn. wohl nur in gnaben (ſerpere?) gneiſte (ſcintilla, f. geneiſte? alſo wie gnâde f. genâde u. a. m.) von dem ſich zuwei- len unentbehrlich machenden vorſtehenden ge- mehre- res in der wortbildnngslehre. QU bloß in einigen wör- tern, und ſchwankt in k über, d. h. zwiſchen k und folgendem a, i kann u ausfallen, als: quëln, quil, qual, quâlen oder kil, kal; quît und kît (aït); quam, kam; nicht leicht vor andern, alſo kein këln, këc, këlle f. queln, quëc, quëlle etc. zuweilen miſcht ſich u mit dem folg. voc. und zeugt ein kurzes o, in kom f. quam, kone f. quëne, komen (inf.) f. quëmen. Fremden wör- tern bleibt ihr qu, als quaſchiure (vulnus). Es verſteht ſich, daß vor u jederzeit k für qu. eintritt: kunft, ko- men (part. goth. qvumaus) — 2) in- und auslautende. HS. den alth. belegen (ſ. 197.) läßt ſich wenig zufügen (einige derſelben ſind ſogar unbräuchlich geworden): dëhſen, dahs (linum frangere) ſahſen (ſaxones) ungejah- ſen (in einem ungedr. liede Nîtharts, vielleicht unge- lahſen, das noch H. Sachs nöthig braucht) buhs (M. S. 2, 206a) wëhſel (viciſſitudo) dræhſel (tornarius Parc. 62a dræchſel aber unrichtig; anders verhält es ſich mit rîch- ſen, gelîchſen) einige wörter ſchwanken auch in das niederd. ſſ, namentlich gilt durchgängig was, waſſes (acer) wie ſchon alth. huas, huaſſes (doch daneben noch im 10. 11. 12. jahrh. wahs, wahſes fr. belli far. 3020. wahsſam) vgl. waſſe:maſſe (ſchmiede 1020.) Triſt. 65b reimen was (acer) : ſcharſas, ſchwerlich wahs:ſcharſahs zu leſen; Maria 210. ſëhſe:wëſſe (ſcivit); entſchiedner bei Herbort 4d 20b 86d was (fuit):vas (capillus 57c gras (gramen):ſas (culter). X. eigentlich nur in frem- den wörtern gültig als pfinxtac (Parc. 52a Nib. 5473.) pfinxtmorgen (Nib. 1197.) in voller form aber pfingeſt

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/468>, abgerufen am 27.04.2024.