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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelhochdeutsche buchstaben. schlußbem.
entschieden ein. Bei Wolfram *) dagegen hatte der
aufenthalt in thüringen, wo er wahrscheinlich Vel-
decks bekanntschaft machte und mit dessen dichtungen
er vertraut war, deutlichen einfluß. Wer wird halb-
niederd. formen colven:wolven, prester:mester (Wilh.
2, 177b 207b) nicht zunächst aus En. 54b 68c herleiten?
Wolfr. sprach außer solchen reimen gewiß priester
und meister; noch deutlicher mahnen die s. 427. er-
wähnten sac und sagen st. sach. sahen an En. 2a 8b
9b. c. etc. vielleicht auch der reim des ht auf ft (s. 443.)
Wolframs reime des i auf ie (s. 351.) des u auf uo
(s. 358. 359.) finden bei Veld. und Herb. statt und schei-
nen sich aus dem niederd. i, o, o st. des hochd. ie,
uo, u recht bequem zu erläutern, wonach gingen:
ringen, hilt (tenuit): schilt, don (facere): son (filius)
dieses: gewon (assuetus) reimen. Nur mit dem wich-
tigen unterschied, die niederd, mundart geneigt zum
kürzen, die hochd. zum verlängern des lauts; jener
wird hielt zu hilt, don vielleicht zu don; dieser mir
zu mier und sun zu suon. Schwerlich hat aber hier
Veld. eingewirkt, da wir dergleichen reime vor und
nach Wolfr. zeit (bei Wernher und Ottocar) antref-
fen; im 13. jahrh. bei Wirnt und Reinb., die sie so-
wohl ihrem vorbild Wolfr. abgesehn, als aus der
sprachweise des landes geschöpft haben können. Auch
den reim herren: keren (Parc. 9a) hat Wolfr. theils
mit Veld. (herre:ere, sere) und allen niederdeutschen
gemein, theils mit andern oberdeutschen als Stricker
(herren:eren a w. 3, 209.) Hardegger (beren:herren
M. S. 2, 122b) Ringenberg (1, 188b herren:verren:
keren) Ottocar (herren:eren, häufig) Ernst (herre:ere
2a etc.) Zeichen der fränkisch-bairischen mundart
(Wolfr. Wirnt. Reinb. Stricker, einzelne minnesänger,
wie Reinm. v. Brennenberg, die ungekannten vff. von
gudrun, ernst etc.) wären ungefähr: vermischung des
i mit ie, u mit uo, e mit e (s. 333.) a mit a (s. 342.)
o mit o (s. 347.) au mit ou (s. 355.) auch wohl des iu
*) Wolfram oder wolveram, gen. wolframmes (wofür wolf-
rames M. S. 2, 10a, der dat. wolfram Parc. 44c st. wolf-
ramme läßt sich vertheidigen) deutet auf die s. 389. gewie-
sene form ram st. raben (analog bamberc st. babenberc);
die alth. form wäre wolfhraban oder wolshramu; vgl.
engelram, sigeram, bertram etc. früher engilhramnus oder
engilhraban etc.
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I. mittelhochdeutſche buchſtaben. ſchlußbem.
entſchieden ein. Bei Wolfram *) dagegen hatte der
aufenthalt in thüringen, wo er wahrſcheinlich Vel-
decks bekanntſchaft machte und mit deſſen dichtungen
er vertraut war, deutlichen einfluß. Wer wird halb-
niederd. formen colven:wolven, prêſter:mêſter (Wilh.
2, 177b 207b) nicht zunächſt aus En. 54b 68c herleiten?
Wolfr. ſprach außer ſolchen reimen gewiß prieſter
und meiſter; noch deutlicher mahnen die ſ. 427. er-
wähnten ſac und ſâgen ſt. ſach. ſâhen an En. 2a 8b
9b. c. etc. vielleicht auch der reim des ht auf ft (ſ. 443.)
Wolframs reime des i auf ie (ſ. 351.) des u auf uo
(ſ. 358. 359.) finden bei Veld. und Herb. ſtatt und ſchei-
nen ſich aus dem niederd. i, ô, o ſt. des hochd. ie,
uo, u recht bequem zu erläutern, wonach gingen:
ringen, hilt (tenuit): ſchilt, dôn (facere): ſon (filius)
dieſes: gewon (aſſuetus) reimen. Nur mit dem wich-
tigen unterſchied, die niederd, mundart geneigt zum
kürzen, die hochd. zum verlängern des lauts; jener
wird hielt zu hilt, dôn vielleicht zu don; dieſer mir
zu mier und ſun zu ſuon. Schwerlich hat aber hier
Veld. eingewirkt, da wir dergleichen reime vor und
nach Wolfr. zeit (bei Wernher und Ottocar) antref-
fen; im 13. jahrh. bei Wirnt und Reinb., die ſie ſo-
wohl ihrem vorbild Wolfr. abgeſehn, als aus der
ſprachweiſe des landes geſchöpft haben können. Auch
den reim hërren: kêren (Parc. 9a) hat Wolfr. theils
mit Veld. (hërre:êre, ſêre) und allen niederdeutſchen
gemein, theils mit andern oberdeutſchen als Stricker
(hërren:êren a w. 3, 209.) Hardegger (bêren:hërren
M. S. 2, 122b) Ringenberg (1, 188b hërren:vërren:
kêren) Ottocar (hërren:êren, häufig) Ernſt (hërre:êre
2a etc.) Zeichen der fränkiſch-bairiſchen mundart
(Wolfr. Wirnt. Reinb. Stricker, einzelne minneſänger,
wie Reinm. v. Brennenberg, die ungekannten vff. von
gudrun, ernſt etc.) wären ungefähr: vermiſchung des
i mit ie, u mit uo, e mit ë (ſ. 333.) a mit â (ſ. 342.)
o mit ô (ſ. 347.) û mit ou (ſ. 355.) auch wohl des iu
*) Wolfram oder wolveram, gen. wolframmes (wofür wolf-
rames M. S. 2, 10a, der dat. wolfram Parc. 44c ſt. wolf-
ramme läßt ſich vertheidigen) deutet auf die ſ. 389. gewie-
ſene form ram ſt. raben (analog bambërc ſt. babenbërc);
die alth. form wäre wolfhraban oder wolſhramu; vgl.
engelram, ſigeram, bërtram etc. früher engilhramnus oder
engilhraban etc.
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[449/0475] I. mittelhochdeutſche buchſtaben. ſchlußbem. entſchieden ein. Bei Wolfram *) dagegen hatte der aufenthalt in thüringen, wo er wahrſcheinlich Vel- decks bekanntſchaft machte und mit deſſen dichtungen er vertraut war, deutlichen einfluß. Wer wird halb- niederd. formen colven:wolven, prêſter:mêſter (Wilh. 2, 177b 207b) nicht zunächſt aus En. 54b 68c herleiten? Wolfr. ſprach außer ſolchen reimen gewiß prieſter und meiſter; noch deutlicher mahnen die ſ. 427. er- wähnten ſac und ſâgen ſt. ſach. ſâhen an En. 2a 8b 9b. c. etc. vielleicht auch der reim des ht auf ft (ſ. 443.) Wolframs reime des i auf ie (ſ. 351.) des u auf uo (ſ. 358. 359.) finden bei Veld. und Herb. ſtatt und ſchei- nen ſich aus dem niederd. i, ô, o ſt. des hochd. ie, uo, u recht bequem zu erläutern, wonach gingen: ringen, hilt (tenuit): ſchilt, dôn (facere): ſon (filius) dieſes: gewon (aſſuetus) reimen. Nur mit dem wich- tigen unterſchied, die niederd, mundart geneigt zum kürzen, die hochd. zum verlängern des lauts; jener wird hielt zu hilt, dôn vielleicht zu don; dieſer mir zu mier und ſun zu ſuon. Schwerlich hat aber hier Veld. eingewirkt, da wir dergleichen reime vor und nach Wolfr. zeit (bei Wernher und Ottocar) antref- fen; im 13. jahrh. bei Wirnt und Reinb., die ſie ſo- wohl ihrem vorbild Wolfr. abgeſehn, als aus der ſprachweiſe des landes geſchöpft haben können. Auch den reim hërren: kêren (Parc. 9a) hat Wolfr. theils mit Veld. (hërre:êre, ſêre) und allen niederdeutſchen gemein, theils mit andern oberdeutſchen als Stricker (hërren:êren a w. 3, 209.) Hardegger (bêren:hërren M. S. 2, 122b) Ringenberg (1, 188b hërren:vërren: kêren) Ottocar (hërren:êren, häufig) Ernſt (hërre:êre 2a etc.) Zeichen der fränkiſch-bairiſchen mundart (Wolfr. Wirnt. Reinb. Stricker, einzelne minneſänger, wie Reinm. v. Brennenberg, die ungekannten vff. von gudrun, ernſt etc.) wären ungefähr: vermiſchung des i mit ie, u mit uo, e mit ë (ſ. 333.) a mit â (ſ. 342.) o mit ô (ſ. 347.) û mit ou (ſ. 355.) auch wohl des iu *) Wolfram oder wolveram, gen. wolframmes (wofür wolf- rames M. S. 2, 10a, der dat. wolfram Parc. 44c ſt. wolf- ramme läßt ſich vertheidigen) deutet auf die ſ. 389. gewie- ſene form ram ſt. raben (analog bambërc ſt. babenbërc); die alth. form wäre wolfhraban oder wolſhramu; vgl. engelram, ſigeram, bërtram etc. früher engilhramnus oder engilhraban etc. F f

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/475>, abgerufen am 17.06.2024.