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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelniederdeutsche vocale.
z. b. Herb. 104d und orlove:hove En. 5b. Der reim
don (facere):son (filius) En. 20c 34c scheint umgekehrt
verlängerung in son (mittelh. in suon, oben s. 359.) an-
zuzeigen, dieses son reimt auf die eigennamen flegeton
seinon. laomedon, margariton En. 8a 9c 23a Herb. 11c 31d;
vgl. donde:begonde gandersh. 151b.

(UU) unveränderlich, gleich dem ei, doch wieder
spur einer berührung mit o (oder uo) in Veld. reim saur
(acidum):vor, vuor (ivit) En. 4c 23a mauren (muris):
voren, vuoren En. 3c 5b; vgl. die mittelh. au:uo s. 348.

(AE) ae, scheint zu mangeln (s. oben unter a, e).

(EI) gewöhnlich zu e geworden, als cret (circus)
agelete (studiose) beren (tetigit) twen (duobus) etc. Viel-
leicht aber gilt noch ei und nicht e für die auflösung
aus eg, ej (vgl. das fries. ei, s. 274. 278.) und so deute
ich Veldeks vorhin s. 453. angezogenen reim ei (ovum):
twei, d. h. eg, tweg, nicht e, twe; Herb. reimt in-
zwischen 35a zwei:spei (spuebat) was füglicher twe:
spe oder hochdeutsch wäre. Ebenso gein und geine f.
gegen, gegene zu beurtheilen (das Herb. wieder hochd.
auf gemeine reimt s. 426.) dreid:seid, jeid:meid En. 13a
14a deiding En. 96b.

(IE) ein häufiger doppellaut, der bisweilen 1) zu e
wird, s. vorhin bei e; Veld. reimt diere:geire En. 49b.
2) vor liq. verbindungen sich in i oder e verkürzt, vgl.
die reime hield:scild En. 93b.c gieng:jungeling, gienge:
dinge, giengen:jungelingen Herb. 3a 6a 99a. Aber auch
in andern fällen noch, Herb. setzt z. b. überall stere
(vervex) gen. stern (:enbern, gewern) welches mit stier
(taurus) nah verwandt scheint.

(IU) seltner als ie; 1) ein iu = umlaut des au ver-
mag ich nicht zu beweisen. 2) von der kürzung in ü
vor nd oben beim ü. 3) iu (vobis):to En. 68b ist auf-
fallend, (der cass. cod. liest tarcons rede überhaupt ver-
schieden und hat den reim iu:driu) aber zu den über-
gängen des iuw in ow stimmend, wovon unten beim w.
die rede seyn wird.

(OE) oe, umlaut des o? zweifelhaft.

(UO) gleich dem ie 1) in o verwandelt. 2) in u
(oder o) verkürzt, vgl. hund, mund:stuond Herb. 3c 8a
(oben s. 359.).



I. mittelniederdeutſche vocale.
z. b. Herb. 104d und orlove:hove En. 5b. Der reim
dôn (facere):ſon (filius) En. 20c 34c ſcheint umgekehrt
verlängerung in ſôn (mittelh. in ſuon, oben ſ. 359.) an-
zuzeigen, dieſes ſôn reimt auf die eigennamen flêgetôn
ſînôn. lâomedôn, margaritôn En. 8a 9c 23a Herb. 11c 31d;
vgl. dônde:begonde gandersh. 151b.

(UU) unveränderlich, gleich dem î, doch wieder
ſpur einer berührung mit ô (oder uo) in Veld. reim ſûr
(acidum):vôr, vuor (ivit) En. 4c 23a mûren (muris):
vôren, vuoren En. 3c 5b; vgl. die mittelh. û:uo ſ. 348.

(AE) æ, ſcheint zu mangeln (ſ. oben unter â, ê).

(EI) gewöhnlich zu ê geworden, als crêt (circus)
agelête (ſtudioſe) berên (tetigit) twên (duobus) etc. Viel-
leicht aber gilt noch ei und nicht ê für die auflöſung
aus eg, ej (vgl. das frieſ. ei, ſ. 274. 278.) und ſo deute
ich Veldeks vorhin ſ. 453. angezogenen reim ei (ovum):
twei, d. h. eg, tweg, nicht ê, twê; Herb. reimt in-
zwiſchen 35a zwei:ſpei (ſpuebat) was füglicher twê:
ſpê oder hochdeutſch wäre. Ebenſo gein und geine f.
gëgen, gëgene zu beurtheilen (das Herb. wieder hochd.
auf gemeine reimt ſ. 426.) dreid:ſeid, jeid:meid En. 13a
14a deiding En. 96b.

(IE) ein häufiger doppellaut, der bisweilen 1) zu ê
wird, ſ. vorhin bei ê; Veld. reimt diere:gîre En. 49b.
2) vor liq. verbindungen ſich in i oder ë verkürzt, vgl.
die reime hield:ſcild En. 93b.c gieng:jungeling, gienge:
dinge, giengen:jungelingen Herb. 3a 6a 99a. Aber auch
in andern fällen noch, Herb. ſetzt z. b. überall ſtëre
(vervex) gen. ſtërn (:enbërn, gewërn) welches mit ſtier
(taurus) nah verwandt ſcheint.

(IU) ſeltner als ie; 1) ein iu = umlaut des û ver-
mag ich nicht zu beweiſen. 2) von der kürzung in ü
vor nd oben beim ü. 3) iu (vobis):tô En. 68b iſt auf-
fallend, (der caſſ. cod. lieſt tarcons rede überhaupt ver-
ſchieden und hat den reim iu:driu) aber zu den über-
gängen des iuw in ôw ſtimmend, wovon unten beim w.
die rede ſeyn wird.

(OE) œ, umlaut des ô? zweifelhaft.

(UO) gleich dem ie 1) in ô verwandelt. 2) in u
(oder o) verkürzt, vgl. hund, mund:ſtuond Herb. 3c 8a
(oben ſ. 359.).



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[461/0487] I. mittelniederdeutſche vocale. z. b. Herb. 104d und orlove:hove En. 5b. Der reim dôn (facere):ſon (filius) En. 20c 34c ſcheint umgekehrt verlängerung in ſôn (mittelh. in ſuon, oben ſ. 359.) an- zuzeigen, dieſes ſôn reimt auf die eigennamen flêgetôn ſînôn. lâomedôn, margaritôn En. 8a 9c 23a Herb. 11c 31d; vgl. dônde:begonde gandersh. 151b. (UU) unveränderlich, gleich dem î, doch wieder ſpur einer berührung mit ô (oder uo) in Veld. reim ſûr (acidum):vôr, vuor (ivit) En. 4c 23a mûren (muris): vôren, vuoren En. 3c 5b; vgl. die mittelh. û:uo ſ. 348. (AE) æ, ſcheint zu mangeln (ſ. oben unter â, ê). (EI) gewöhnlich zu ê geworden, als crêt (circus) agelête (ſtudioſe) berên (tetigit) twên (duobus) etc. Viel- leicht aber gilt noch ei und nicht ê für die auflöſung aus eg, ej (vgl. das frieſ. ei, ſ. 274. 278.) und ſo deute ich Veldeks vorhin ſ. 453. angezogenen reim ei (ovum): twei, d. h. eg, tweg, nicht ê, twê; Herb. reimt in- zwiſchen 35a zwei:ſpei (ſpuebat) was füglicher twê: ſpê oder hochdeutſch wäre. Ebenſo gein und geine f. gëgen, gëgene zu beurtheilen (das Herb. wieder hochd. auf gemeine reimt ſ. 426.) dreid:ſeid, jeid:meid En. 13a 14a deiding En. 96b. (IE) ein häufiger doppellaut, der bisweilen 1) zu ê wird, ſ. vorhin bei ê; Veld. reimt diere:gîre En. 49b. 2) vor liq. verbindungen ſich in i oder ë verkürzt, vgl. die reime hield:ſcild En. 93b.c gieng:jungeling, gienge: dinge, giengen:jungelingen Herb. 3a 6a 99a. Aber auch in andern fällen noch, Herb. ſetzt z. b. überall ſtëre (vervex) gen. ſtërn (:enbërn, gewërn) welches mit ſtier (taurus) nah verwandt ſcheint. (IU) ſeltner als ie; 1) ein iu = umlaut des û ver- mag ich nicht zu beweiſen. 2) von der kürzung in ü vor nd oben beim ü. 3) iu (vobis):tô En. 68b iſt auf- fallend, (der caſſ. cod. lieſt tarcons rede überhaupt ver- ſchieden und hat den reim iu:driu) aber zu den über- gängen des iuw in ôw ſtimmend, wovon unten beim w. die rede ſeyn wird. (OE) œ, umlaut des ô? zweifelhaft. (UO) gleich dem ie 1) in ô verwandelt. 2) in u (oder o) verkürzt, vgl. hund, mund:ſtuond Herb. 3c 8a (oben ſ. 359.).

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/487>, abgerufen am 03.05.2024.