Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
II. altnord. starkes adject. erste declination.

Anmerkungen: 1) die mit ll, mm, nn, rr, ss, tt
pflegen ihre consonanz vor dem neutralen -t zu ver-
einfachen, als: sniallr, snialt, skammr, skamt; svinnr,
svint; thurr, thurt; viss, vist; stuttr, stutt; doch schreibt
man auch sniallt, skammt, svinnt, nicht aber visst, stuttt.
Von nd, rdh, st wird der letzte consonant vor dem t.
verschluckt, als blindr, blint, hardhr, hart; fastr, fast.
Die (unumlautbaren) auf st und tt machen folglich nom.
sg. fem. und neutr. gleich und lauten im nom. acc. pl.
neutr. wie im sg. als: lettr, lett, lett; während nach s. 736.
die (unumlautbaren) mit apocopiertem -r den nom. fem.
sg. und neutr. pl. dem nom. sg. masc. gleichsetzen. Im
nom. fem. zeigt sich jederzeit das reine, wurzelhafte
consonantverhältnis, eben weil die consonantlose flexion
keinen anstoß gibt, vgl. blindr, blind, blint; leystr, leyst,
leyst; rettr, rett, rett; viss, viss, vist; thurr, thurr, thurt;
saur, saur, saurt. -- 2) vor dem genitiven -s vereinfacht
sich das wurzelhafte ss, z. b. viss, (certi) statt visß; da-
gegen veis (sapiens) bekommt regelmäßig veiss. Alle übri-
gen geminationen und cons. verbindungen bleiben vor
dem -s, so wie vor dem -ri, -ra, -rar ungekränkt, na-
mentlich heißt es allrar, allri, allra; vissrar, vissri, vissra
(anders als im angels. s. 734.). Die mit einfachem s.
nach langem vocal, welche im nom. masc. das r ab-
werfen, pflegen auch -ar, -i, -a statt -rar, -ri, -ra zu
setzen, als: lausar, veisar, lausi, veisi st. lausrar etc. --
3) vocalauslautige adj. die im nom. neutr. tt für t ha-
ben (s. 319. n° 7.) geminieren auch -rrar, -rri, -rra statt
-rar, -ri, -ra, namentlich blar, frar, har, hrar, mior,
frior, traur, hlyr, nyr. Ihren langen wurzelvocal schei-
nen sie dabei nicht zu kürzen, wenigstens nimmt Rask
p. 101. blatt, nytt, blarrar, nyrrar an und kein blatt,
nytt, blarrar, nyrrar. Vielleicht war es im altn. nicht
so; der heutige Isländer nimmt a für a, nicht mehr
für verdoppeltes a (oben s. 545. note). -- 4) wurzeln mit
1 und n nach langem vocal, welche das -r nom. masc.
assimilieren, thun ein gleiches mit den flexionen -rar,
-ri, -ra, z. b. sael (beatus) saellar, saelli, saella; braunn,
braunnar, braunni, braunna st. saelr, saelrar, braunr, braunrar.
Auch hier wäre kürzung des vocals zu vermuthen, fäll.
brunn? Bei kurzem wurzelvocal bleibt aber -r, als:
holr, holrar, holri und nicht holl, hollar, holli. -- 5) von
consonantassimilation handeln die beiden vorigen anmer-
kungen; vocalassimilation ereignet sich in dem vocal der
bildungen mit al, ar, worüber ich mich bereits s. 304.

II. altnord. ſtarkes adject. erſte declination.

Anmerkungen: 1) die mit ll, mm, nn, rr, ſſ, tt
pflegen ihre conſonanz vor dem neutralen -t zu ver-
einfachen, als: ſniallr, ſnialt, ſkammr, ſkamt; ſvinnr,
ſvint; þurr, þurt; viſſ, viſt; ſtuttr, ſtutt; doch ſchreibt
man auch ſniallt, ſkammt, ſvinnt, nicht aber viſſt, ſtuttt.
Von nd, rdh, ſt wird der letzte conſonant vor dem t.
verſchluckt, als blindr, blint, hardhr, hart; faſtr, faſt.
Die (unumlautbaren) auf ſt und tt machen folglich nom.
ſg. fem. und neutr. gleich und lauten im nom. acc. pl.
neutr. wie im ſg. als: lêttr, lêtt, lêtt; während nach ſ. 736.
die (unumlautbaren) mit apocopiertem -r den nom. fem.
ſg. und neutr. pl. dem nom. ſg. maſc. gleichſetzen. Im
nom. fem. zeigt ſich jederzeit das reine, wurzelhafte
conſonantverhältnis, eben weil die conſonantloſe flexion
keinen anſtoß gibt, vgl. blindr, blind, blint; leyſtr, leyſt,
leyſt; rêttr, rêtt, rêtt; viſſ, viſſ, viſt; þurr, þurr, þurt;
ſûr, ſûr, ſûrt. — 2) vor dem genitiven -s vereinfacht
ſich das wurzelhafte ſſ, z. b. viſſ, (certi) ſtatt viſß; da-
gegen vîs (ſapiens) bekommt regelmäßig vîſſ. Alle übri-
gen geminationen und conſ. verbindungen bleiben vor
dem -s, ſo wie vor dem -ri, -ra, -rar ungekränkt, na-
mentlich heißt es allrar, allri, allra; viſſrar, viſſri, viſſra
(anders als im angelſ. ſ. 734.). Die mit einfachem ſ.
nach langem vocal, welche im nom. maſc. das r ab-
werfen, pflegen auch -ar, -i, -a ſtatt -rar, -ri, -ra zu
ſetzen, als: lauſar, vîſar, lauſi, vîſi ſt. lauſrar etc. —
3) vocalauslautige adj. die im nom. neutr. tt für t ha-
ben (ſ. 319. n° 7.) geminieren auch -rrar, -rri, -rra ſtatt
-rar, -ri, -ra, namentlich blâr, frâr, hâr, hrâr, miór,
friór, trûr, hlŷr, nŷr. Ihren langen wurzelvocal ſchei-
nen ſie dabei nicht zu kürzen, wenigſtens nimmt Raſk
p. 101. blâtt, nŷtt, blârrar, nŷrrar an und kein blatt,
nytt, blarrar, nyrrar. Vielleicht war es im altn. nicht
ſo; der heutige Isländer nimmt â für å, nicht mehr
für verdoppeltes a (oben ſ. 545. note). — 4) wurzeln mit
1 und n nach langem vocal, welche das -r nom. maſc.
aſſimilieren, thun ein gleiches mit den flexionen -rar,
-ri, -ra, z. b. ſæl (beatus) ſællar, ſælli, ſælla; brûnn,
brûnnar, brûnni, brûnna ſt. ſælr, ſælrar, brûnr, brûnrar.
Auch hier wäre kürzung des vocals zu vermuthen, fäll.
brunn? Bei kurzem wurzelvocal bleibt aber -r, als:
holr, holrar, holri und nicht holl, hollar, holli. — 5) von
conſonantaſſimilation handeln die beiden vorigen anmer-
kungen; vocalaſſimilation ereignet ſich in dem vocal der
bildungen mit al, ar, worüber ich mich bereits ſ. 304.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0766" n="740"/>
              <fw place="top" type="header">II. <hi rendition="#i">altnord. &#x017F;tarkes adject. er&#x017F;te declination.</hi></fw><lb/>
              <p><hi rendition="#i">Anmerkungen:</hi> 1) die mit ll, mm, nn, rr, &#x017F;&#x017F;, tt<lb/>
pflegen ihre con&#x017F;onanz vor dem neutralen -t zu ver-<lb/>
einfachen, als: &#x017F;niallr, &#x017F;nialt, &#x017F;kammr, &#x017F;kamt; &#x017F;vinnr,<lb/>
&#x017F;vint; þurr, þurt; vi&#x017F;&#x017F;, vi&#x017F;t; &#x017F;tuttr, &#x017F;tutt; doch &#x017F;chreibt<lb/>
man auch &#x017F;niallt, &#x017F;kammt, &#x017F;vinnt, nicht aber vi&#x017F;&#x017F;t, &#x017F;tuttt.<lb/>
Von nd, rdh, &#x017F;t wird der letzte con&#x017F;onant vor dem t.<lb/>
ver&#x017F;chluckt, als blindr, blint, hardhr, hart; fa&#x017F;tr, fa&#x017F;t.<lb/>
Die (unumlautbaren) auf &#x017F;t und tt machen folglich nom.<lb/>
&#x017F;g. fem. und neutr. gleich und lauten im nom. acc. pl.<lb/>
neutr. wie im &#x017F;g. als: lêttr, lêtt, lêtt; während nach &#x017F;. 736.<lb/>
die (unumlautbaren) mit apocopiertem -r den nom. fem.<lb/>
&#x017F;g. und neutr. pl. dem nom. &#x017F;g. ma&#x017F;c. gleich&#x017F;etzen. Im<lb/>
nom. fem. zeigt &#x017F;ich jederzeit das reine, wurzelhafte<lb/>
con&#x017F;onantverhältnis, eben weil die con&#x017F;onantlo&#x017F;e flexion<lb/>
keinen an&#x017F;toß gibt, vgl. blindr, blind, blint; ley&#x017F;tr, ley&#x017F;t,<lb/>
ley&#x017F;t; rêttr, rêtt, rêtt; vi&#x017F;&#x017F;, vi&#x017F;&#x017F;, vi&#x017F;t; þurr, þurr, þurt;<lb/>
&#x017F;ûr, &#x017F;ûr, &#x017F;ûrt. &#x2014; 2) vor dem genitiven -s vereinfacht<lb/>
&#x017F;ich das wurzelhafte &#x017F;&#x017F;, z. b. vi&#x017F;&#x017F;, (certi) &#x017F;tatt vi&#x017F;ß; da-<lb/>
gegen vîs (&#x017F;apiens) bekommt regelmäßig vî&#x017F;&#x017F;. Alle übri-<lb/>
gen geminationen und con&#x017F;. verbindungen bleiben vor<lb/>
dem -s, &#x017F;o wie vor dem -ri, -ra, -rar ungekränkt, na-<lb/>
mentlich heißt es allrar, allri, allra; vi&#x017F;&#x017F;rar, vi&#x017F;&#x017F;ri, vi&#x017F;&#x017F;ra<lb/>
(anders als im angel&#x017F;. &#x017F;. 734.). Die mit einfachem &#x017F;.<lb/>
nach langem vocal, welche im nom. ma&#x017F;c. das r ab-<lb/>
werfen, pflegen auch -ar, -i, -a &#x017F;tatt -rar, -ri, -ra zu<lb/>
&#x017F;etzen, als: lau&#x017F;ar, vî&#x017F;ar, lau&#x017F;i, vî&#x017F;i &#x017F;t. lau&#x017F;rar etc. &#x2014;<lb/>
3) vocalauslautige adj. die im nom. neutr. tt für t ha-<lb/>
ben (&#x017F;. 319. n° 7.) geminieren auch -rrar, -rri, -rra &#x017F;tatt<lb/>
-rar, -ri, -ra, namentlich blâr, frâr, hâr, hrâr, miór,<lb/>
friór, trûr, hl&#x0177;r, n&#x0177;r. Ihren langen wurzelvocal &#x017F;chei-<lb/>
nen &#x017F;ie dabei nicht zu kürzen, wenig&#x017F;tens nimmt Ra&#x017F;k<lb/>
p. 101. blâtt, n&#x0177;tt, blârrar, n&#x0177;rrar an und kein blatt,<lb/>
nytt, blarrar, nyrrar. Vielleicht war es im altn. nicht<lb/>
&#x017F;o; der heutige Isländer nimmt â für å, nicht mehr<lb/>
für verdoppeltes a (oben &#x017F;. 545. note). &#x2014; 4) wurzeln mit<lb/>
1 und n nach langem vocal, welche das -r nom. ma&#x017F;c.<lb/>
a&#x017F;&#x017F;imilieren, thun ein gleiches mit den flexionen -rar,<lb/>
-ri, -ra, z. b. &#x017F;æl (beatus) &#x017F;ællar, &#x017F;ælli, &#x017F;ælla; brûnn,<lb/>
brûnnar, brûnni, brûnna &#x017F;t. &#x017F;ælr, &#x017F;ælrar, brûnr, brûnrar.<lb/>
Auch hier wäre kürzung des vocals zu vermuthen, fäll.<lb/>
brunn? Bei kurzem wurzelvocal bleibt aber -r, als:<lb/>
holr, holrar, holri und nicht holl, hollar, holli. &#x2014; 5) von<lb/>
con&#x017F;onanta&#x017F;&#x017F;imilation handeln die beiden vorigen anmer-<lb/>
kungen; vocala&#x017F;&#x017F;imilation ereignet &#x017F;ich in dem vocal der<lb/>
bildungen mit <hi rendition="#i">al, ar</hi>, worüber ich mich bereits &#x017F;. 304.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[740/0766] II. altnord. ſtarkes adject. erſte declination. Anmerkungen: 1) die mit ll, mm, nn, rr, ſſ, tt pflegen ihre conſonanz vor dem neutralen -t zu ver- einfachen, als: ſniallr, ſnialt, ſkammr, ſkamt; ſvinnr, ſvint; þurr, þurt; viſſ, viſt; ſtuttr, ſtutt; doch ſchreibt man auch ſniallt, ſkammt, ſvinnt, nicht aber viſſt, ſtuttt. Von nd, rdh, ſt wird der letzte conſonant vor dem t. verſchluckt, als blindr, blint, hardhr, hart; faſtr, faſt. Die (unumlautbaren) auf ſt und tt machen folglich nom. ſg. fem. und neutr. gleich und lauten im nom. acc. pl. neutr. wie im ſg. als: lêttr, lêtt, lêtt; während nach ſ. 736. die (unumlautbaren) mit apocopiertem -r den nom. fem. ſg. und neutr. pl. dem nom. ſg. maſc. gleichſetzen. Im nom. fem. zeigt ſich jederzeit das reine, wurzelhafte conſonantverhältnis, eben weil die conſonantloſe flexion keinen anſtoß gibt, vgl. blindr, blind, blint; leyſtr, leyſt, leyſt; rêttr, rêtt, rêtt; viſſ, viſſ, viſt; þurr, þurr, þurt; ſûr, ſûr, ſûrt. — 2) vor dem genitiven -s vereinfacht ſich das wurzelhafte ſſ, z. b. viſſ, (certi) ſtatt viſß; da- gegen vîs (ſapiens) bekommt regelmäßig vîſſ. Alle übri- gen geminationen und conſ. verbindungen bleiben vor dem -s, ſo wie vor dem -ri, -ra, -rar ungekränkt, na- mentlich heißt es allrar, allri, allra; viſſrar, viſſri, viſſra (anders als im angelſ. ſ. 734.). Die mit einfachem ſ. nach langem vocal, welche im nom. maſc. das r ab- werfen, pflegen auch -ar, -i, -a ſtatt -rar, -ri, -ra zu ſetzen, als: lauſar, vîſar, lauſi, vîſi ſt. lauſrar etc. — 3) vocalauslautige adj. die im nom. neutr. tt für t ha- ben (ſ. 319. n° 7.) geminieren auch -rrar, -rri, -rra ſtatt -rar, -ri, -ra, namentlich blâr, frâr, hâr, hrâr, miór, friór, trûr, hlŷr, nŷr. Ihren langen wurzelvocal ſchei- nen ſie dabei nicht zu kürzen, wenigſtens nimmt Raſk p. 101. blâtt, nŷtt, blârrar, nŷrrar an und kein blatt, nytt, blarrar, nyrrar. Vielleicht war es im altn. nicht ſo; der heutige Isländer nimmt â für å, nicht mehr für verdoppeltes a (oben ſ. 545. note). — 4) wurzeln mit 1 und n nach langem vocal, welche das -r nom. maſc. aſſimilieren, thun ein gleiches mit den flexionen -rar, -ri, -ra, z. b. ſæl (beatus) ſællar, ſælli, ſælla; brûnn, brûnnar, brûnni, brûnna ſt. ſælr, ſælrar, brûnr, brûnrar. Auch hier wäre kürzung des vocals zu vermuthen, fäll. brunn? Bei kurzem wurzelvocal bleibt aber -r, als: holr, holrar, holri und nicht holl, hollar, holli. — 5) von conſonantaſſimilation handeln die beiden vorigen anmer- kungen; vocalaſſimilation ereignet ſich in dem vocal der bildungen mit al, ar, worüber ich mich bereits ſ. 304.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/766
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 740. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/766>, abgerufen am 17.06.2024.