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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. declination der städtenamen.
3) im altnord. finde ich cons. auslautige fremde städte-
namen nach erster weibl. st. abgewandelt, z. b. pareis,
gen. pareisar, die mit der endung -a hingegen nach
der schwachen, z. b. troja, gen. troju. Meistens fügt
man ihnen -borg, stadhr etc. zu und dann leidet ihre
decl. wie die der einheimischen namen keinen zweifel.
4) consonantisch auelautende ortsnamen sind im mittelh.
unveränderlich, z. b. jerusalem, lunders, akers, ber-
bester (balbastrum) acraton, meilan, nantes, karidol,
paris etc. ebenso mit einem langen voc. schließende,
als: ninive, jernsale, aglei, karkobra etc. Die mit -e
folgen der ersten st. weibl. decl., bilden demnach alle
casus gleich: troie, rome, metze (George 1b) berne,
speire, brage, wiene (M. S. 1, 105b 197b 2, 73b 235a)
sibilje (sevilla) mimele (memelina) oranse (arausio,
franz. orange) und mit apocopiertem stummen e basel.
Indessen merke man a) einige haben im nom. conso-
nantauslaut, im dat. -e, gleichsam nach vierter star-
ker, z. b. koln (colonia) dat. kolne, Anno 105. 115.
sogar umlautend kölne Parc. 38b M. S. 1, 1[ - 1 Zeichen fehlt]6a wiewohl
auch der nom. kölne M. S. 2, 153a; arl (arelatum) dat.
arle M. S. 2, 63a Wilh. 1, 16a; wormeß, dat. wormße
(Nib.). b) da, wie buch IV. gewiesen werden soll,
viele ortsnamen, zumahl die mit -ing gebildeten, im
dat. pl. vorkommen, z. b. tettingen, so wendete man
diesen casus unorganisch auf andere an, welchen nur
der sg. gebührt und setzte z. b. wienen (:niemen kl.
2908. Müller; vgl. 3031. Hagen) metzen (Nib. 34. 42.
M. S. 2. 67b: retzen, i. e. regium, reggio) bechelaren
etc. anstatt wiene, metze, bechelar *) welches -en für
keine schw. flexion zu halten ist, daher auch außer
dem dat. nicht eintreten kann. g) das geschlecht hat
schwierigkeit, indem die construction bald auf ein
weibliches weist (Nib. 3247. kl. 4282. wormeß diu vil
weite; kl. 3932. in wormße der weiten; Tit. 37. auß
der starken berbester; Friged. 3964. ackers diu ist;
Parc. 164b auß der witen acraton M. S. 2, 212a die
reichen misenburc [so zu lesen statt niesenberc; vgl.
weshalb Conrad das oben s. 443. angeführte außtrieht von
einem fernen lande, wohin man überfährt, gebraucht,
außer jener stelle ebenso in meliur (Bodm. crit. schr. 7.
p. 45); mastricht: giht reimt Parc. 38b.
*) Wie frideslar und viel ähnliche von dem veralteten lar
(mansio) woher das neutr. gilari bei O.
II. declination der ſtädtenamen.
3) im altnord. finde ich conſ. auslautige fremde ſtädte-
namen nach erſter weibl. ſt. abgewandelt, z. b. parîs,
gen. parîſar, die mit der endung -a hingegen nach
der ſchwachen, z. b. troja, gen. troju. Meiſtens fügt
man ihnen -borg, ſtadhr etc. zu und dann leidet ihre
decl. wie die der einheimiſchen namen keinen zweifel.
4) conſonantiſch auelautende ortsnamen ſind im mittelh.
unveränderlich, z. b. jêruſalêm, lunders, âkers, ber-
beſter (balbaſtrum) acratôn, meilân, nantës, kâridôl,
parìs etc. ebenſo mit eïnem langen voc. ſchließende,
als: ninivê, jêrnſalê, aglei, karkobrâ etc. Die mit -e
folgen der erſten ſt. weibl. decl., bilden demnach alle
caſus gleich: troie, rôme, metze (George 1b) bërne,
ſpîre, brâge, wiene (M. S. 1, 105b 197b 2, 73b 235a)
ſibilje (ſevilla) mimele (memelina) ôranſe (arauſio,
franz. orange) und mit apocopiertem ſtummen e bâſel.
Indeſſen merke man α) einige haben im nom. conſo-
nantauslaut, im dat. -e, gleichſam nach vierter ſtar-
ker, z. b. koln (colonia) dat. kolne, Anno 105. 115.
ſogar umlautend kölne Parc. 38b M. S. 1, 1[ – 1 Zeichen fehlt]6a wiewohl
auch der nom. kölne M. S. 2, 153a; arl (arelatum) dat.
arle M. S. 2, 63a Wilh. 1, 16a; wormeƷ, dat. wormƷe
(Nib.). β) da, wie buch IV. gewieſen werden ſoll,
viele ortsnamen, zumahl die mit -ing gebildeten, im
dat. pl. vorkommen, z. b. tettingen, ſo wendete man
dieſen caſus unorganiſch auf andere an, welchen nur
der ſg. gebührt und ſetzte z. b. wienen (:niemen kl.
2908. Müller; vgl. 3031. Hagen) metzen (Nib. 34. 42.
M. S. 2. 67b: retzen, i. e. regium, reggio) bechelâren
etc. anſtatt wiene, metze, bechelâr *) welches -en für
keine ſchw. flexion zu halten iſt, daher auch außer
dem dat. nicht eintreten kann. γ) das geſchlecht hat
ſchwierigkeit, indem die conſtruction bald auf ein
weibliches weiſt (Nib. 3247. kl. 4282. wormeƷ diu vil
wîte; kl. 3932. in wormƷe der wîten; Tit. 37. ûƷ
der ſtarken berbeſter; Friged. 3964. ackers diu iſt;
Parc. 164b ûƷ der wìten acratôn M. S. 2, 212a die
rîchen miſenburc [ſo zu leſen ſtatt nieſenbërc; vgl.
weshalb Conrad das oben ſ. 443. angeführte ûƷtrieht von
einem fernen lande, wohin man überfährt, gebraucht,
außer jener ſtelle ebenſo in meliur (Bodm. crit. ſchr. 7.
p. 45); maſtricht: giht reimt Parc. 38b.
*) Wie frideslâr und viel ähnliche von dem veralteten lâr
(manſio) woher das neutr. gilâri bei O.
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[776/0802] II. declination der ſtädtenamen. 3) im altnord. finde ich conſ. auslautige fremde ſtädte- namen nach erſter weibl. ſt. abgewandelt, z. b. parîs, gen. parîſar, die mit der endung -a hingegen nach der ſchwachen, z. b. troja, gen. troju. Meiſtens fügt man ihnen -borg, ſtadhr etc. zu und dann leidet ihre decl. wie die der einheimiſchen namen keinen zweifel. 4) conſonantiſch auelautende ortsnamen ſind im mittelh. unveränderlich, z. b. jêruſalêm, lunders, âkers, ber- beſter (balbaſtrum) acratôn, meilân, nantës, kâridôl, parìs etc. ebenſo mit eïnem langen voc. ſchließende, als: ninivê, jêrnſalê, aglei, karkobrâ etc. Die mit -e folgen der erſten ſt. weibl. decl., bilden demnach alle caſus gleich: troie, rôme, metze (George 1b) bërne, ſpîre, brâge, wiene (M. S. 1, 105b 197b 2, 73b 235a) ſibilje (ſevilla) mimele (memelina) ôranſe (arauſio, franz. orange) und mit apocopiertem ſtummen e bâſel. Indeſſen merke man α) einige haben im nom. conſo- nantauslaut, im dat. -e, gleichſam nach vierter ſtar- ker, z. b. koln (colonia) dat. kolne, Anno 105. 115. ſogar umlautend kölne Parc. 38b M. S. 1, 1_6a wiewohl auch der nom. kölne M. S. 2, 153a; arl (arelatum) dat. arle M. S. 2, 63a Wilh. 1, 16a; wormeƷ, dat. wormƷe (Nib.). β) da, wie buch IV. gewieſen werden ſoll, viele ortsnamen, zumahl die mit -ing gebildeten, im dat. pl. vorkommen, z. b. tettingen, ſo wendete man dieſen caſus unorganiſch auf andere an, welchen nur der ſg. gebührt und ſetzte z. b. wienen (:niemen kl. 2908. Müller; vgl. 3031. Hagen) metzen (Nib. 34. 42. M. S. 2. 67b: retzen, i. e. regium, reggio) bechelâren etc. anſtatt wiene, metze, bechelâr *) welches -en für keine ſchw. flexion zu halten iſt, daher auch außer dem dat. nicht eintreten kann. γ) das geſchlecht hat ſchwierigkeit, indem die conſtruction bald auf ein weibliches weiſt (Nib. 3247. kl. 4282. wormeƷ diu vil wîte; kl. 3932. in wormƷe der wîten; Tit. 37. ûƷ der ſtarken berbeſter; Friged. 3964. ackers diu iſt; Parc. 164b ûƷ der wìten acratôn M. S. 2, 212a die rîchen miſenburc [ſo zu leſen ſtatt nieſenbërc; vgl. *) *) Wie frideslâr und viel ähnliche von dem veralteten lâr (manſio) woher das neutr. gilâri bei O. *) weshalb Conrad das oben ſ. 443. angeführte ûƷtrieht von einem fernen lande, wohin man überfährt, gebraucht, außer jener ſtelle ebenſo in meliur (Bodm. crit. ſchr. 7. p. 45); maſtricht: giht reimt Parc. 38b.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 776. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/802>, abgerufen am 05.05.2024.