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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. anomal. der gothischen conjugation.
rum) ist zwar nicht zu belegen, doch aus dem praet.
daursta zu folgern. -- g) dem schwachen praet. gebührt
der vocal des pl. praes.; vor dem -d der flexion da,
des, da; dedum etc. konnte hier natürlich kein ablei-
tungsvocal eintreten, (wie in regelmäßigen schwachen
conj. i, o, ai) folglich muste der wurzelcons. an dieses
d stoßen, wodurch assimilationen und übergänge beider
cons. verursacht wurden. In dem einzigen skulda blei-
ben sie unverändert; kuntha steht für kunnda; muntha f.
munda; mahta, ohta, aihta f. magda, ogda, aigda;
thaurfta f. thaurbda; mosta f. motda (wie in II. praes. most
f. mott; vgl. oben s. 844. und kaupasta f. kaupatida s. 848.)
daursta f. daurda; vissa f. vitda; die voraussetzung einer
volleren form skulida, motida, vitida etc. (oben s. 171.)
scheint mir gegenwärtig grundlos; woher sollte das i
kommen? und nicht aus dem wohllautigen tid hätte
sich st, ss entwickelt, wohl aber aus td. -- d) Luc. 19,
22. steht visseis für visses (vgl. vorhin s. 844. über ei
und e) tadelhafter Neh. 6, 16. kunthidun st. kunthedun;
Joh. 17, 23. kunnei (nosset) st. kunni; auhtedun Marc.
11, 32. st. ohtedun. -- e) auch der imp. dieser wörter
ist eigenthümlich, er stimmt nicht, wie sonst überall,
zu dem ind., vielmehr zu dem conj.; II. pl. heißt: mu-
neith, kunneith, ogeith, viteith etc. nicht: munuth, vi-
tuth. -- II. sg. ist nur von ogan belegbar, lautet ogs
Luc. 1, 13, 30. Joh. 12, 15. Rom. 13, 4, für ogeis (wie
baurgs, brusts s. 610. für baurgeis, brusteis) und ich
zweifle kaum, daß ein analoges: mags, kuns, muns,
thaurfs, aihs behauptet werden müße.

3) diesen zehn verbis gesellt sich ein eilftes mit der
weitern bestimmung zu, daß es im praesens aller indi-
cativen form entsagt und durchaus im conjunctiv
steht: viljan (velle) viljau (volo) vileis (vis) vili (vult)
vileiva (?, nos duo volumus) vileits (vos duo vultis)
vileima (volumus) vileith (vultis) vileina (volunt)
welche formen einen unvorfindlichen ind. vail, vailt,
vail; vilu, viluts; vilum, viluth, vilun theoretisch
fordern. Das praet. erkennt den ind.: vilda, vildes,
vilda; pl. vildedum, vildeduth, vildedun; und im
conj. vildedjau, vildedeis etc. Des imp. entsinne ich
mich nicht, er würde II. sg. vils, II. pl. vileith bil-
den. --
4) gaggan (ire) hält im praes. durch alle modos starke
form: gagga, gaggis, gaggith etc. und würde seinem
voc. nach der ersten zufallen, also im praet. redupli-

II. anomal. der gothiſchen conjugation.
rum) iſt zwar nicht zu belegen, doch aus dem praet.
daúrſta zu folgern. — γ) dem ſchwachen praet. gebührt
der vocal des pl. praeſ.; vor dem -d der flexion da,
dês, da; dêdum etc. konnte hier natürlich kein ablei-
tungsvocal eintreten, (wie in regelmäßigen ſchwachen
conj. i, ô, ái) folglich muſte der wurzelconſ. an dieſes
d ſtoßen, wodurch aſſimilationen und übergänge beider
conſ. verurſacht wurden. In dem einzigen ſkulda blei-
ben ſie unverändert; kunþa ſteht für kunnda; munþa f.
munda; mahta, ôhta, aíhta f. magda, ôgda, áigda;
þaúrfta f. þaúrbda; môſta f. môtda (wie in II. praeſ. môſt
f. môtt; vgl. oben ſ. 844. und káupaſta f. káupatida ſ. 848.)
dáurſta f. daúrda; viſſa f. vitda; die vorausſetzung einer
volleren form ſkulida, môtida, vitida etc. (oben ſ. 171.)
ſcheint mir gegenwärtig grundlos; woher ſollte das i
kommen? und nicht aus dem wohllautigen tid hätte
ſich ſt, ſſ entwickelt, wohl aber aus td. — δ) Luc. 19,
22. ſteht viſſeis für viſſês (vgl. vorhin ſ. 844. über ei
und ê) tadelhafter Neh. 6, 16. kunþidun ſt. kunþêdun;
Joh. 17, 23. kunnei (noſſet) ſt. kunni; ûhtêdun Marc.
11, 32. ſt. ôhtêdun. — ε) auch der imp. dieſer wörter
iſt eigenthümlich, er ſtimmt nicht, wie ſonſt überall,
zu dem ind., vielmehr zu dem conj.; II. pl. heißt: mu-
neiþ, kunneiþ, ôgeiþ, viteiþ etc. nicht: munuþ, vi-
tuþ. — II. ſg. iſt nur von ôgan belegbar, lautet ôgs
Luc. 1, 13, 30. Joh. 12, 15. Rom. 13, 4, für ôgeis (wie
baúrgs, bruſts ſ. 610. für baúrgeis, bruſteis) und ich
zweifle kaum, daß ein analoges: mags, kuns, muns,
þaúrfs, aíhs behauptet werden müße.

3) dieſen zehn verbis geſellt ſich ein eilftes mit der
weitern beſtimmung zu, daß es im praeſens aller indi-
cativen form entſagt und durchaus im conjunctiv
ſteht: viljan (velle) viljáu (volo) vileis (vis) vili (vult)
vileiva (?, nos duo volumus) vileits (vos duo vultis)
vileima (volumus) vileiþ (vultis) vileina (volunt)
welche formen einen unvorfindlichen ind. váil, váilt,
váil; vilu, viluts; vilum, viluþ, vilun theoretiſch
fordern. Das praet. erkennt den ind.: vilda, vildês,
vilda; pl. vildêdum, vildèduþ, vildêdun; und im
conj. vildèdjáu, vildêdeis etc. Des imp. entſinne ich
mich nicht, er würde II. ſg. vils, II. pl. vileiþ bil-
den. —
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form: gagga, gaggis, gaggiþ etc. und würde ſeinem
voc. nach der erſten zufallen, alſo im praet. redupli-
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[853/0879] II. anomal. der gothiſchen conjugation. rum) iſt zwar nicht zu belegen, doch aus dem praet. daúrſta zu folgern. — γ) dem ſchwachen praet. gebührt der vocal des pl. praeſ.; vor dem -d der flexion da, dês, da; dêdum etc. konnte hier natürlich kein ablei- tungsvocal eintreten, (wie in regelmäßigen ſchwachen conj. i, ô, ái) folglich muſte der wurzelconſ. an dieſes d ſtoßen, wodurch aſſimilationen und übergänge beider conſ. verurſacht wurden. In dem einzigen ſkulda blei- ben ſie unverändert; kunþa ſteht für kunnda; munþa f. munda; mahta, ôhta, aíhta f. magda, ôgda, áigda; þaúrfta f. þaúrbda; môſta f. môtda (wie in II. praeſ. môſt f. môtt; vgl. oben ſ. 844. und káupaſta f. káupatida ſ. 848.) dáurſta f. daúrda; viſſa f. vitda; die vorausſetzung einer volleren form ſkulida, môtida, vitida etc. (oben ſ. 171.) ſcheint mir gegenwärtig grundlos; woher ſollte das i kommen? und nicht aus dem wohllautigen tid hätte ſich ſt, ſſ entwickelt, wohl aber aus td. — δ) Luc. 19, 22. ſteht viſſeis für viſſês (vgl. vorhin ſ. 844. über ei und ê) tadelhafter Neh. 6, 16. kunþidun ſt. kunþêdun; Joh. 17, 23. kunnei (noſſet) ſt. kunni; ûhtêdun Marc. 11, 32. ſt. ôhtêdun. — ε) auch der imp. dieſer wörter iſt eigenthümlich, er ſtimmt nicht, wie ſonſt überall, zu dem ind., vielmehr zu dem conj.; II. pl. heißt: mu- neiþ, kunneiþ, ôgeiþ, viteiþ etc. nicht: munuþ, vi- tuþ. — II. ſg. iſt nur von ôgan belegbar, lautet ôgs Luc. 1, 13, 30. Joh. 12, 15. Rom. 13, 4, für ôgeis (wie baúrgs, bruſts ſ. 610. für baúrgeis, bruſteis) und ich zweifle kaum, daß ein analoges: mags, kuns, muns, þaúrfs, aíhs behauptet werden müße. 3) dieſen zehn verbis geſellt ſich ein eilftes mit der weitern beſtimmung zu, daß es im praeſens aller indi- cativen form entſagt und durchaus im conjunctiv ſteht: viljan (velle) viljáu (volo) vileis (vis) vili (vult) vileiva (?, nos duo volumus) vileits (vos duo vultis) vileima (volumus) vileiþ (vultis) vileina (volunt) welche formen einen unvorfindlichen ind. váil, váilt, váil; vilu, viluts; vilum, viluþ, vilun theoretiſch fordern. Das praet. erkennt den ind.: vilda, vildês, vilda; pl. vildêdum, vildèduþ, vildêdun; und im conj. vildèdjáu, vildêdeis etc. Des imp. entſinne ich mich nicht, er würde II. ſg. vils, II. pl. vileiþ bil- den. — 4) gaggan (ire) hält im praeſ. durch alle modos ſtarke form: gagga, gaggis, gaggiþ etc. und würde ſeinem voc. nach der erſten zufallen, alſo im praet. redupli-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 853. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/879>, abgerufen am 27.04.2024.