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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. mittelhochd. starke conjugation.
ten (nicht mitten) siude, sot, suten (nicht sutten, nach
s. 408. 867.); hingegen scheide, schiet schieden; lade,
luot, luoden; binde, bant, bunden; wirde, wart, wur-
den
. -- i) keine elision des n in stuont. stuonden. --
4) eingreifende schwache form. a) schw. praes. und st.
praet. haben: swern, heben, entseben, biten, sitzen,
praet. swuor, huop, entsuop, bat, saß; part. gesworn
(st. geswarn) gehaben, entsaben, gebeten, geseßen.
Die schwache form erkenntlich an dem e und i, an
dem imp. sg. swer, hebe (?, M. S. 2, 253b habe, viel-
leicht von haben, tenere?) entsebe (?) bite, sitze; ver-
doppelung erhielt sich nur in sitzen, nicht in den
übrigen, daher die alth. scheidung der II. III sg. ver-
wischt ist, es heißt: hebe, hebest, hebt; bite, bitest,
bit (st. bitet) etc. nicht mehr heffe, bitte (wie zwar
genug geschrieben steht, allein in reimen auf rite, site,
vgl. s. 384. 417.) swerre; auf schmitte, dritte gereimt
könnte man bitte zugeben. -- b) gan und stan be-
sitzen anscheinend schwache I. sg. praes. ind., d. h.
sie machen (seit auflösung des m in n) diese pers.
stets dem inf. gleich [vgl. tuon, bin], rücksichtlich
des wurzelvocals herrscht abweichung: a) gon, gast,
gat, stan, stast, stat; pl. gan, gat, gant, stan, stat,
stant; inf. gan stan sind häufig in und außer reim und
wohl oberdeutscher (Stald. dial. 159. 160. Schm. §. 952.)
als gen, gest, get, sten, stest, stet; pl. gen, get, gent,
sten, stet, stent; inf. gen, sten, welches sich mehr
bei thüringern (vgl. oben s. 931.) und gegen nieder-
deutschland (M. S. 1, 51a Lohengr. 37. 38. Wilh. 1,
129b Herbort etc.) einfindet, vgl. das alts. s. 890. In-
zwischen verwenden auch letztere die a form (z. b.
Veldek stan, gan: getan), schwäbische die e-form (z. b.
Hartm. Iw. 16a aurien: sten vgl. s. 868. stem aus gl.
mons.); auffallend ziehen, sobald beide verba mit ein-
ander reimen. die hss. e vor, vgl. Nib. 1017. 2981.
3961. 7233. Wigal. 58, 60., troj. 65b etc.; Wolframs
eigenthümlichkeit, niemahls gan oder stan, niemahls
stat (so geläufig ihm reime auf -an, at sind) sondern
bloß gen, sten, stet zu gebrauchen, hat Lachmann
wahrgenommen. Eine dritte form geit, steit läßt
sich nicht recht beweisen, denn Morolf 44a 45b 47b 49a
stammt ei aus niederd. e merkwurdiger, daß selbst
Gotfr. M. S. 2, 183a steit: werdicheit reimte. --
b) nirgends erscheint die alte form gange, gengest,
genget, stande, stendest, stendet, weder im praes.
II. mittelhochd. ſtarke conjugation.
ten (nicht mitten) ſiude, ſôt, ſuten (nicht ſutten, nach
ſ. 408. 867.); hingegen ſcheide, ſchiet ſchieden; lade,
luot, luoden; binde, bant, bunden; wirde, wart, wur-
den
. — ι) keine eliſion des n in ſtuont. ſtuonden. —
4) eingreifende ſchwache form. α) ſchw. praeſ. und ſt.
praet. haben: ſwern, heben, entſeben, biten, ſitzen,
praet. ſwuor, huop, entſuop, bat, ſaƷ; part. geſworn
(ſt. geſwarn) gehaben, entſaben, gebëten, geſëƷƷen.
Die ſchwache form erkenntlich an dem e und i, an
dem imp. ſg. ſwer, hebe (?, M. S. 2, 253b habe, viel-
leicht von haben, tenere?) entſebe (?) bite, ſitze; ver-
doppelung erhielt ſich nur in ſitzen, nicht in den
übrigen, daher die alth. ſcheidung der II. III ſg. ver-
wiſcht iſt, es heißt: hebe, hebeſt, hebt; bite, biteſt,
bit (ſt. bitet) etc. nicht mehr heffe, bitte (wie zwar
genug geſchrieben ſteht, allein in reimen auf rite, ſite,
vgl. ſ. 384. 417.) ſwerre; auf ſchmitte, dritte gereimt
könnte man bitte zugeben. — β) gân und ſtân be-
ſitzen anſcheinend ſchwache I. ſg. praeſ. ind., d. h.
ſie machen (ſeit auflöſung des m in n) dieſe perſ.
ſtets dem inf. gleich [vgl. tuon, bin], rückſichtlich
des wurzelvocals herrſcht abweichung: a) gòn, gâſt,
gât, ſtân, ſtâſt, ſtât; pl. gân, gât, gânt, ſtân, ſtât,
ſtânt; inf. gân ſtân ſind häufig in und außer reim und
wohl oberdeutſcher (Stald. dial. 159. 160. Schm. §. 952.)
als gên, gêſt, gêt, ſtên, ſtêſt, ſtêt; pl. gên, gêt, gênt,
ſtên, ſtêt, ſtênt; inf. gên, ſtên, welches ſich mehr
bei thüringern (vgl. oben ſ. 931.) und gegen nieder-
deutſchland (M. S. 1, 51a Lohengr. 37. 38. Wilh. 1,
129b Herbort etc.) einfindet, vgl. das altſ. ſ. 890. In-
zwiſchen verwenden auch letztere die â form (z. b.
Veldek ſtân, gân: getân), ſchwäbiſche die ê-form (z. b.
Hartm. Iw. 16a ûriên: ſtên vgl. ſ. 868. ſtêm aus gl.
monſ.); auffallend ziehen, ſobald beide verba mit ein-
ander reimen. die hſſ. ê vor, vgl. Nib. 1017. 2981.
3961. 7233. Wigal. 58, 60., troj. 65b etc.; Wolframs
eigenthümlichkeit, niemahls gân oder ſtân, niemahls
ſtât (ſo geläufig ihm reime auf -ân, ât ſind) ſondern
bloß gên, ſtên, ſtêt zu gebrauchen, hat Lachmann
wahrgenommen. Eine dritte form geit, ſteit läßt
ſich nicht recht beweiſen, denn Morolf 44a 45b 47b 49a
ſtammt ei aus niederd. ê merkwurdiger, daß ſelbſt
Gotfr. M. S. 2, 183a ſteit: wërdicheit reimte. —
b) nirgends erſcheint die alte form gange, gengeſt,
genget, ſtande, ſtendeſt, ſtendet, weder im praeſ.
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[944/0970] II. mittelhochd. ſtarke conjugation. ten (nicht mitten) ſiude, ſôt, ſuten (nicht ſutten, nach ſ. 408. 867.); hingegen ſcheide, ſchiet ſchieden; lade, luot, luoden; binde, bant, bunden; wirde, wart, wur- den. — ι) keine eliſion des n in ſtuont. ſtuonden. — 4) eingreifende ſchwache form. α) ſchw. praeſ. und ſt. praet. haben: ſwern, heben, entſeben, biten, ſitzen, praet. ſwuor, huop, entſuop, bat, ſaƷ; part. geſworn (ſt. geſwarn) gehaben, entſaben, gebëten, geſëƷƷen. Die ſchwache form erkenntlich an dem e und i, an dem imp. ſg. ſwer, hebe (?, M. S. 2, 253b habe, viel- leicht von haben, tenere?) entſebe (?) bite, ſitze; ver- doppelung erhielt ſich nur in ſitzen, nicht in den übrigen, daher die alth. ſcheidung der II. III ſg. ver- wiſcht iſt, es heißt: hebe, hebeſt, hebt; bite, biteſt, bit (ſt. bitet) etc. nicht mehr heffe, bitte (wie zwar genug geſchrieben ſteht, allein in reimen auf rite, ſite, vgl. ſ. 384. 417.) ſwerre; auf ſchmitte, dritte gereimt könnte man bitte zugeben. — β) gân und ſtân be- ſitzen anſcheinend ſchwache I. ſg. praeſ. ind., d. h. ſie machen (ſeit auflöſung des m in n) dieſe perſ. ſtets dem inf. gleich [vgl. tuon, bin], rückſichtlich des wurzelvocals herrſcht abweichung: a) gòn, gâſt, gât, ſtân, ſtâſt, ſtât; pl. gân, gât, gânt, ſtân, ſtât, ſtânt; inf. gân ſtân ſind häufig in und außer reim und wohl oberdeutſcher (Stald. dial. 159. 160. Schm. §. 952.) als gên, gêſt, gêt, ſtên, ſtêſt, ſtêt; pl. gên, gêt, gênt, ſtên, ſtêt, ſtênt; inf. gên, ſtên, welches ſich mehr bei thüringern (vgl. oben ſ. 931.) und gegen nieder- deutſchland (M. S. 1, 51a Lohengr. 37. 38. Wilh. 1, 129b Herbort etc.) einfindet, vgl. das altſ. ſ. 890. In- zwiſchen verwenden auch letztere die â form (z. b. Veldek ſtân, gân: getân), ſchwäbiſche die ê-form (z. b. Hartm. Iw. 16a ûriên: ſtên vgl. ſ. 868. ſtêm aus gl. monſ.); auffallend ziehen, ſobald beide verba mit ein- ander reimen. die hſſ. ê vor, vgl. Nib. 1017. 2981. 3961. 7233. Wigal. 58, 60., troj. 65b etc.; Wolframs eigenthümlichkeit, niemahls gân oder ſtân, niemahls ſtât (ſo geläufig ihm reime auf -ân, ât ſind) ſondern bloß gên, ſtên, ſtêt zu gebrauchen, hat Lachmann wahrgenommen. Eine dritte form geit, ſteit läßt ſich nicht recht beweiſen, denn Morolf 44a 45b 47b 49a ſtammt ei aus niederd. ê merkwurdiger, daß ſelbſt Gotfr. M. S. 2, 183a ſteit: wërdicheit reimte. — b) nirgends erſcheint die alte form gange, gengeſt, genget, ſtande, ſtendeſt, ſtendet, weder im praeſ.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 944. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/970>, abgerufen am 28.04.2024.