Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
III. consonantische ableitungen. S.

nhd. glei-sen (simulare) f. gleich-sen, ganz verschie-
den von gleiß-en (splendere) mhd. gleißen, daher zu
schreiben gleisner (fallax) mhd. geleichsenaere Kol. 407.
420. und nicht gleißner; grin-sen steht entw. f. grim-sen
(ahd. krimison) oder grin-zen (ahd. krimizon); herr-schen
(regnare) scheint das ahd. herr-ison und nicht aus dem
adj. herrisch zu leiten; keb-sen; win-sen übrig im wei-
ter abgeleiteten win-seln; feil-schen (licitari); be-nam-sen
(nominare) ist kein schriftdeutsch, sollte auch umlauten.

anmerkung: unabhängig von diesen verbis auf -ison,
-esen, deren spirans nie in r übertritt, leitet zumahl die
nhd. und mhd. mundart theils von comparativen, theils
von den plur. neutr. (mit der einschiebung) verba ab,
deren -iron, -ern dem -ison begegnen würde, wenn in
der älteren sprache solche ableitungen statthaft wären.
Ahd. finde ich, aber nur selten, einige infinitive aus com-
parativen geleitet (nie aus plur. neutr.), namentlich minn-
iron (minui, minuere) T. 21, 6; peß-iron (emendare, lu-
crari) mons. 368. 877. 387. 392. 397; arg-eron N. 22, 4.
gehört nicht hierher, früher arg-oron (nicht argi-ron).
Auch mhd. keine verba -ern aus neutris, wohl aus compar.
als: beß-ern Trist.; boes-ern Barl. 401; er-hoeh-ern Bon.;
minn-ern Trist.; leiht-ern Ben. 126; lind-ern Mar. 105;
ring-ern; swech-ern Rud. weltchr.; naeh-ern Parc. 14088.
23554; hoeh-ern Parc. 21601 etc. allen, denen der ahd.
comp. or gebührt, sollte der umlaut fehlen, also nah-ern,
hoh-ern. Nhd. aus comparativen (und stets umlautend):
ärg-ern; beß-ern; ver-fein-ern; lind-ern; er-leicht-ern;
mind-ern; naeh-ern; er-neu-ern; ver-ring-ern; ver-
schoen-ern; er-weit-ern; ver-wild-ern; doch nicht aus
jedem comp. laßen sie sich ziehen, z. b. man sagt nie:
sänst-ern, schwäch-ern, ver-süß-ern, zaem-ern. Aus pl.
neutr. gebildet sind: be-bänd-ern; bild-ern (bilder auf-
schlagen); blätt-ern; be-geist-ern; raed-ern; ränd-ern;
zer-trümm-ern; be-völk-ern *). Man darf alle diese -er
nicht mit den organischen (z. b. in läut-ern, ver-bitt-
ern etc.) verwechseln.


[US] die wörter, welche hier in betracht kommen,
sind: der goth. pl. ber-usjos (parentes), dessen sg. ber-

*) schildern (pingere) kann nicht aus dem pl. sehilder geleitet
werden, stammt von schilder (mhd. sciltaere, pictor) und ist eine
tadelhafte bildung.
S
III. conſonantiſche ableitungen. S.

nhd. glei-ſen (ſimulare) f. gleich-ſen, ganz verſchie-
den von gleiß-en (ſplendere) mhd. glîƷen, daher zu
ſchreiben gleiſner (fallax) mhd. gelîchſenære Kol. 407.
420. und nicht gleißner; grin-ſen ſteht entw. f. grim-ſen
(ahd. krimiſôn) oder grin-zen (ahd. krimizôn); herr-ſchen
(regnare) ſcheint das ahd. hërr-iſôn und nicht aus dem
adj. herriſch zu leiten; keb-ſen; win-ſen übrig im wei-
ter abgeleiteten win-ſeln; feil-ſchen (licitari); be-nam-ſen
(nominare) iſt kein ſchriftdeutſch, ſollte auch umlauten.

anmerkung: unabhängig von dieſen verbis auf -iſôn,
-eſen, deren ſpirans nie in r übertritt, leitet zumahl die
nhd. und mhd. mundart theils von comparativen, theils
von den plur. neutr. (mit der einſchiebung) verba ab,
deren -irôn, -ern dem -iſôn begegnen würde, wenn in
der älteren ſprache ſolche ableitungen ſtatthaft wären.
Ahd. finde ich, aber nur ſelten, einige infinitive aus com-
parativen geleitet (nie aus plur. neutr.), namentlich minn-
irôn (minui, minuere) T. 21, 6; peƷ-irôn (emendare, lu-
crari) monſ. 368. 877. 387. 392. 397; arg-erôn N. 22, 4.
gehört nicht hierher, früher arg-ôrôn (nicht argi-rôn).
Auch mhd. keine verba -ern aus neutris, wohl aus compar.
als: beƷƷ-ern Triſt.; bœſ-ern Barl. 401; er-hœh-ern Bon.;
minn-ern Triſt.; lîht-ern Ben. 126; lind-ern Mar. 105;
ring-ern; ſwech-ern Rud. weltchr.; næh-ern Parc. 14088.
23554; hœh-ern Parc. 21601 etc. allen, denen der ahd.
comp. ôr gebührt, ſollte der umlaut fehlen, alſo nâh-ern,
hôh-ern. Nhd. aus comparativen (und ſtets umlautend):
ärg-ern; beß-ern; ver-fein-ern; lind-ern; er-leicht-ern;
mind-ern; næh-ern; er-neu-ern; ver-ring-ern; ver-
ſchœn-ern; er-weit-ern; ver-wild-ern; doch nicht aus
jedem comp. laßen ſie ſich ziehen, z. b. man ſagt nie:
ſänſt-ern, ſchwäch-ern, ver-ſuͤß-ern, zæm-ern. Aus pl.
neutr. gebildet ſind: be-bänd-ern; bild-ern (bilder auf-
ſchlagen); blätt-ern; be-geiſt-ern; ræd-ern; ränd-ern;
zer-trümm-ern; be-völk-ern *). Man darf alle dieſe -er
nicht mit den organiſchen (z. b. in läut-ern, ver-bitt-
ern etc.) verwechſeln.


[US] die wörter, welche hier in betracht kommen,
ſind: der goth. pl. bêr-uſjôs (parentes), deſſen ſg. bêr-

*) ſchildern (pingere) kann nicht aus dem pl. ſehilder geleitet
werden, ſtammt von ſchilder (mhd. ſciltære, pictor) und iſt eine
tadelhafte bildung.
S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0291" n="273"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">con&#x017F;onanti&#x017F;che ableitungen. S.</hi></hi> </fw><lb/>
              <p>nhd. glei-&#x017F;en (&#x017F;imulare) f. gleich-&#x017F;en, ganz ver&#x017F;chie-<lb/>
den von gleiß-en (&#x017F;plendere) mhd. glî&#x01B7;en, daher zu<lb/>
&#x017F;chreiben glei&#x017F;ner (fallax) mhd. gelîch&#x017F;enære Kol. 407.<lb/>
420. und nicht gleißner; grin-&#x017F;en &#x017F;teht entw. f. grim-&#x017F;en<lb/>
(ahd. krimi&#x017F;ôn) oder grin-zen (ahd. krimizôn); herr-&#x017F;chen<lb/>
(regnare) &#x017F;cheint das ahd. hërr-i&#x017F;ôn und nicht aus dem<lb/>
adj. herri&#x017F;ch zu leiten; keb-&#x017F;en; win-&#x017F;en übrig im wei-<lb/>
ter abgeleiteten win-&#x017F;eln; feil-&#x017F;chen (licitari); be-nam-&#x017F;en<lb/>
(nominare) i&#x017F;t kein &#x017F;chriftdeut&#x017F;ch, &#x017F;ollte auch umlauten.</p><lb/>
              <p>anmerkung: unabhängig von die&#x017F;en verbis auf -i&#x017F;ôn,<lb/>
-e&#x017F;en, deren &#x017F;pirans nie in r übertritt, leitet zumahl die<lb/>
nhd. und mhd. mundart theils von comparativen, theils<lb/>
von den plur. neutr. (mit der ein&#x017F;chiebung) verba ab,<lb/>
deren <hi rendition="#i">-irôn</hi>, <hi rendition="#i">-ern</hi> dem -i&#x017F;ôn begegnen würde, wenn in<lb/>
der älteren &#x017F;prache &#x017F;olche ableitungen &#x017F;tatthaft wären.<lb/>
Ahd. finde ich, aber nur &#x017F;elten, einige infinitive aus com-<lb/>
parativen geleitet (nie aus plur. neutr.), namentlich minn-<lb/>
irôn (minui, minuere) T. 21, 6; pe&#x01B7;-irôn (emendare, lu-<lb/>
crari) mon&#x017F;. 368. 877. 387. 392. 397; arg-erôn N. 22, 4.<lb/>
gehört nicht hierher, früher arg-ôrôn (nicht argi-rôn).<lb/>
Auch mhd. keine verba -ern aus neutris, wohl aus compar.<lb/>
als: be&#x01B7;&#x01B7;-ern Tri&#x017F;t.; b&#x0153;&#x017F;-ern Barl. 401; er-h&#x0153;h-ern Bon.;<lb/>
minn-ern Tri&#x017F;t.; lîht-ern Ben. 126; lind-ern Mar. 105;<lb/>
ring-ern; &#x017F;wech-ern Rud. weltchr.; næh-ern Parc. 14088.<lb/>
23554; h&#x0153;h-ern Parc. 21601 etc. allen, denen der ahd.<lb/>
comp. ôr gebührt, &#x017F;ollte der umlaut fehlen, al&#x017F;o nâh-ern,<lb/>
hôh-ern. Nhd. aus comparativen (und &#x017F;tets umlautend):<lb/>
ärg-ern; beß-ern; ver-fein-ern; lind-ern; er-leicht-ern;<lb/>
mind-ern; næh-ern; er-neu-ern; ver-ring-ern; ver-<lb/>
&#x017F;ch&#x0153;n-ern; er-weit-ern; ver-wild-ern; doch nicht aus<lb/>
jedem comp. laßen &#x017F;ie &#x017F;ich ziehen, z. b. man &#x017F;agt nie:<lb/>
&#x017F;än&#x017F;t-ern, &#x017F;chwäch-ern, ver-&#x017F;u&#x0364;ß-ern, zæm-ern. Aus pl.<lb/>
neutr. gebildet &#x017F;ind: be-bänd-ern; bild-ern (bilder auf-<lb/>
&#x017F;chlagen); blätt-ern; be-gei&#x017F;t-ern; ræd-ern; ränd-ern;<lb/>
zer-trümm-ern; be-völk-ern <note place="foot" n="*)">&#x017F;childern (pingere) kann nicht aus dem pl. &#x017F;ehilder geleitet<lb/>
werden, &#x017F;tammt von &#x017F;childer (mhd. &#x017F;ciltære, pictor) und i&#x017F;t eine<lb/>
tadelhafte bildung.</note>. Man darf alle die&#x017F;e -er<lb/>
nicht mit den organi&#x017F;chen (z. b. in läut-ern, ver-bitt-<lb/>
ern etc.) verwech&#x017F;eln.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <p>[US] die wörter, welche hier in betracht kommen,<lb/>
&#x017F;ind: der goth. pl. bêr-u&#x017F;jôs (parentes), de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;g. bêr-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0291] III. conſonantiſche ableitungen. S. nhd. glei-ſen (ſimulare) f. gleich-ſen, ganz verſchie- den von gleiß-en (ſplendere) mhd. glîƷen, daher zu ſchreiben gleiſner (fallax) mhd. gelîchſenære Kol. 407. 420. und nicht gleißner; grin-ſen ſteht entw. f. grim-ſen (ahd. krimiſôn) oder grin-zen (ahd. krimizôn); herr-ſchen (regnare) ſcheint das ahd. hërr-iſôn und nicht aus dem adj. herriſch zu leiten; keb-ſen; win-ſen übrig im wei- ter abgeleiteten win-ſeln; feil-ſchen (licitari); be-nam-ſen (nominare) iſt kein ſchriftdeutſch, ſollte auch umlauten. anmerkung: unabhängig von dieſen verbis auf -iſôn, -eſen, deren ſpirans nie in r übertritt, leitet zumahl die nhd. und mhd. mundart theils von comparativen, theils von den plur. neutr. (mit der einſchiebung) verba ab, deren -irôn, -ern dem -iſôn begegnen würde, wenn in der älteren ſprache ſolche ableitungen ſtatthaft wären. Ahd. finde ich, aber nur ſelten, einige infinitive aus com- parativen geleitet (nie aus plur. neutr.), namentlich minn- irôn (minui, minuere) T. 21, 6; peƷ-irôn (emendare, lu- crari) monſ. 368. 877. 387. 392. 397; arg-erôn N. 22, 4. gehört nicht hierher, früher arg-ôrôn (nicht argi-rôn). Auch mhd. keine verba -ern aus neutris, wohl aus compar. als: beƷƷ-ern Triſt.; bœſ-ern Barl. 401; er-hœh-ern Bon.; minn-ern Triſt.; lîht-ern Ben. 126; lind-ern Mar. 105; ring-ern; ſwech-ern Rud. weltchr.; næh-ern Parc. 14088. 23554; hœh-ern Parc. 21601 etc. allen, denen der ahd. comp. ôr gebührt, ſollte der umlaut fehlen, alſo nâh-ern, hôh-ern. Nhd. aus comparativen (und ſtets umlautend): ärg-ern; beß-ern; ver-fein-ern; lind-ern; er-leicht-ern; mind-ern; næh-ern; er-neu-ern; ver-ring-ern; ver- ſchœn-ern; er-weit-ern; ver-wild-ern; doch nicht aus jedem comp. laßen ſie ſich ziehen, z. b. man ſagt nie: ſänſt-ern, ſchwäch-ern, ver-ſuͤß-ern, zæm-ern. Aus pl. neutr. gebildet ſind: be-bänd-ern; bild-ern (bilder auf- ſchlagen); blätt-ern; be-geiſt-ern; ræd-ern; ränd-ern; zer-trümm-ern; be-völk-ern *). Man darf alle dieſe -er nicht mit den organiſchen (z. b. in läut-ern, ver-bitt- ern etc.) verwechſeln. [US] die wörter, welche hier in betracht kommen, ſind: der goth. pl. bêr-uſjôs (parentes), deſſen ſg. bêr- *) ſchildern (pingere) kann nicht aus dem pl. ſehilder geleitet werden, ſtammt von ſchilder (mhd. ſciltære, pictor) und iſt eine tadelhafte bildung. S

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/291
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/291>, abgerufen am 05.05.2024.