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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. LF.
wahren composition entsprang, nämlich mit goth. vulfs,
ahd. wolf (lupus), indem 1) das f nach dem l durch alle
deutschen mundarten zieht, nicht hochd. f. hier sächsi-
schem p entspricht; die ahd. flexion würde folglich v
zeigen: suntar-olf, gen. suntar-olves? Mhd. mag freilich
biterolfes f. biterolves gesetzt werden. 2) im ags. deut-
lich -vulf stehet, z. b. beo-vulf, auch in nhd. zusammen-
setzungen das w hervortaucht: schöne-wolf, heide-wolf,
bienen-wolf; die nord. sprache, welche überall Ulfr. sagt,
zeigt es natürlich in der compos. noch weniger, z. b.
qveld-ulfr in der Egilssaga. 3) die Grieehen ebenfalls
eigennamen mit lukos componieren: auto-lukos, areI-
lukos
etc. Hiernach scheint die ganze formel in das
dritte cap. zu gehören. Allein ich nehme sie hierher,
weil sich ohne zweifel schon im ahd. durch aphärese der
spirans ursprung und bedeutung des -olf so verdunkelt
hatten, daß eine wirkliche, anwendbare und angewen-
dete ableitung daraus wurde, bei der niemand mehr an
den begriff wolf dachte. So mögen auch verschiedene
der angeführten eigennamen gebildet worden sein, man
leitete mit -olf männliche wesen ab, wenn die idee des
ungeheuern (unheimlichen) und bösen vorwalten sollte.
N. im Mart. Cap. übersetzt die heidnischen götternamen
consus und nocturnus durch will-olf, naht-olf, sicher
keine anspielung auf wolf. Ps. 48, 12. drückt er dives
durch reich-olf aus, weil von dem reichen manne die
rede ist, der in die hölle kommt. So scheint mir gell-
olf (oben s. 183.) einen mann zu bezeichnen, der kebs-
weiber unterhält. Im mhd. sind ähnliche ableitungen
noch nicht ausgestorben: bitter-olf stehet Geo. 42b für
einen bißigen wüterich; giem-olf MS. 2, 215a für einen
thoren; trieg-olf, wan-olf Bon. 80, 23. für einen betrü-
ger und leichtgläubigen. Vielleicht ist dieb-olt, man-olt
(? mein-olt), roub-olt MS. 2, 147a in dieb-olf, mein-olf,
roub-olf zu ändern, wo nicht das -olf wirklich in -olt
übergieng, vgl. Ben. 209. gouchgouolt (gouch-gouch-olf?).
Dasyp. verdeutscht galbula (namen eines vogels) durch
ger-olf, und mark-olf nennt man den heher an einigen
orten. Selbst auf die steirische form pischolf f. bischof
(1, 444.) mag dieses -olf einfluß gehabt haben. Ich weiß
nicht, wie guter-olf (phiala) Wilh. 2, 147a später guttr-
olf, kutr-olf Oberl. 850. hierhergehört, dessen ursprung
ich nicht kenne.


III. conſonantiſche ableitungen. LF.
wahren compoſition entſprang, nämlich mit goth. vulfs,
ahd. wolf (lupus), indem 1) das f nach dem l durch alle
deutſchen mundarten zieht, nicht hochd. f. hier ſächſi-
ſchem p entſpricht; die ahd. flexion würde folglich v
zeigen: ſuntar-olf, gen. ſuntar-olves? Mhd. mag freilich
biterolfes f. biterolves geſetzt werden. 2) im agſ. deut-
lich -vulf ſtehet, z. b. bëo-vulf, auch in nhd. zuſammen-
ſetzungen das w hervortaucht: ſchöne-wolf, heide-wolf,
bienen-wolf; die nord. ſprache, welche überall Ulfr. ſagt,
zeigt es natürlich in der compoſ. noch weniger, z. b.
qveld-ulfr in der Egilsſaga. 3) die Grieehen ebenfalls
eigennamen mit λύκος componieren: αὐτό-λυκος, ἀρηΐ-
λυκος
etc. Hiernach ſcheint die ganze formel in das
dritte cap. zu gehören. Allein ich nehme ſie hierher,
weil ſich ohne zweifel ſchon im ahd. durch aphäreſe der
ſpirans urſprung und bedeutung des -olf ſo verdunkelt
hatten, daß eine wirkliche, anwendbare und angewen-
dete ableitung daraus wurde, bei der niemand mehr an
den begriff wolf dachte. So mögen auch verſchiedene
der angeführten eigennamen gebildet worden ſein, man
leitete mit -olf männliche weſen ab, wenn die idee des
ungeheuern (unheimlichen) und böſen vorwalten ſollte.
N. im Mart. Cap. überſetzt die heidniſchen götternamen
conſus und nocturnus durch will-olf, naht-olf, ſicher
keine anſpielung auf wolf. Pſ. 48, 12. drückt er dives
durch rîch-olf aus, weil von dem reichen manne die
rede iſt, der in die hölle kommt. So ſcheint mir gëll-
olf (oben ſ. 183.) einen mann zu bezeichnen, der kebs-
weiber unterhält. Im mhd. ſind ähnliche ableitungen
noch nicht ausgeſtorben: bitter-olf ſtehet Geo. 42b für
einen bißigen wüterich; giem-olf MS. 2, 215a für einen
thoren; trieg-olf, wân-olf Bon. 80, 23. für einen betrü-
ger und leichtgläubigen. Vielleicht iſt dieb-olt, man-olt
(? mein-olt), roub-olt MS. 2, 147a in dieb-olf, mein-olf,
roub-olf zu ändern, wo nicht das -olf wirklich in -olt
übergieng, vgl. Ben. 209. gouchgouolt (gouch-gouch-olf?).
Daſyp. verdeutſcht galbula (namen eines vogels) durch
ger-olf, und mark-olf nennt man den heher an einigen
orten. Selbſt auf die ſteiriſche form piſcholf f. biſchof
(1, 444.) mag dieſes -olf einfluß gehabt haben. Ich weiß
nicht, wie guter-olf (phiala) Wilh. 2, 147a ſpäter guttr-
olf, kutr-olf Oberl. 850. hierhergehört, deſſen urſprung
ich nicht kenne.


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[331/0349] III. conſonantiſche ableitungen. LF. wahren compoſition entſprang, nämlich mit goth. vulfs, ahd. wolf (lupus), indem 1) das f nach dem l durch alle deutſchen mundarten zieht, nicht hochd. f. hier ſächſi- ſchem p entſpricht; die ahd. flexion würde folglich v zeigen: ſuntar-olf, gen. ſuntar-olves? Mhd. mag freilich biterolfes f. biterolves geſetzt werden. 2) im agſ. deut- lich -vulf ſtehet, z. b. bëo-vulf, auch in nhd. zuſammen- ſetzungen das w hervortaucht: ſchöne-wolf, heide-wolf, bienen-wolf; die nord. ſprache, welche überall Ulfr. ſagt, zeigt es natürlich in der compoſ. noch weniger, z. b. qveld-ulfr in der Egilsſaga. 3) die Grieehen ebenfalls eigennamen mit λύκος componieren: αὐτό-λυκος, ἀρηΐ- λυκος etc. Hiernach ſcheint die ganze formel in das dritte cap. zu gehören. Allein ich nehme ſie hierher, weil ſich ohne zweifel ſchon im ahd. durch aphäreſe der ſpirans urſprung und bedeutung des -olf ſo verdunkelt hatten, daß eine wirkliche, anwendbare und angewen- dete ableitung daraus wurde, bei der niemand mehr an den begriff wolf dachte. So mögen auch verſchiedene der angeführten eigennamen gebildet worden ſein, man leitete mit -olf männliche weſen ab, wenn die idee des ungeheuern (unheimlichen) und böſen vorwalten ſollte. N. im Mart. Cap. überſetzt die heidniſchen götternamen conſus und nocturnus durch will-olf, naht-olf, ſicher keine anſpielung auf wolf. Pſ. 48, 12. drückt er dives durch rîch-olf aus, weil von dem reichen manne die rede iſt, der in die hölle kommt. So ſcheint mir gëll- olf (oben ſ. 183.) einen mann zu bezeichnen, der kebs- weiber unterhält. Im mhd. ſind ähnliche ableitungen noch nicht ausgeſtorben: bitter-olf ſtehet Geo. 42b für einen bißigen wüterich; giem-olf MS. 2, 215a für einen thoren; trieg-olf, wân-olf Bon. 80, 23. für einen betrü- ger und leichtgläubigen. Vielleicht iſt dieb-olt, man-olt (? mein-olt), roub-olt MS. 2, 147a in dieb-olf, mein-olf, roub-olf zu ändern, wo nicht das -olf wirklich in -olt übergieng, vgl. Ben. 209. gouchgouolt (gouch-gouch-olf?). Daſyp. verdeutſcht galbula (namen eines vogels) durch ger-olf, und mark-olf nennt man den heher an einigen orten. Selbſt auf die ſteiriſche form piſcholf f. biſchof (1, 444.) mag dieſes -olf einfluß gehabt haben. Ich weiß nicht, wie guter-olf (phiala) Wilh. 2, 147a ſpäter guttr- olf, kutr-olf Oberl. 850. hierhergehört, deſſen urſprung ich nicht kenne.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/349>, abgerufen am 27.04.2024.