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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. BN.
ahd. zu lauten -opani, folglich fast-ubni, vit-ubni: vast-
opani, wiß-opani; aber nichts dergleichen kommt vor.
Sollten sich einige altn. masc. vergleichen: vind-ofnir
(appellatio coeli) edd. saem. 49b; salg-ofnir, salg-opnir
(gallus) 168b? falls das letztere von salga (necare) stam-
men kann? die gewöhnliche erklärung ist sal-gofnir, sal-
gopnir. Das einfache ofnir, opnir stehet 44b 47b, macht
also eine composition wahrscheinlicher. Ohnehin gestat-
ten die altn. persönlichen masc. keinen schluß auf die
sächlichen goth. fem. und neutra. -- Schm. §. 1052 hat
die der bairischen volkssprache eigenthümlichen, bereits
in urkunden des 14. 15. jahrh. gewöhnlichen *) -umb,
-um, statt des hochd. -ung, jenen goth -ubni an die
seite gesetzt; wie mir scheint ohne grund. a) er nimmt
an, main-umb, fast-umb sei die richtigere, dem goth.
-ubni nähere form, mein-ung, fast-ung die entstelltere;
nun stimmen aber die ahd. mhd. ags. altn. mundart in
dem (goth. freilich fehlenden) -ng so zusammen, daß
kaum eine solche entstellung zu vermuthen ist. b) wenn
auch das goth. stibna zu ahd. stemma, stimma wurde, so
blieb im ags. stefene, altn. stefna, wogegen das goth. ibn
ahd. epan, altn. iafn, ags. efen und emn lautet. Aus
fastubni hätte also ahd. vastopani werden dürfen, vastum-
ni, vastummi werden können, schwerlich vastumpi, noch
weniger vastungi. g) die goth. bildungen sind neutra und
fem. (aber auf -i, nicht auf -a); die ahd. -unga lauter
fem. erster decl. d) die goth. subst., so viel aus den selt-
nen beispielen zu sehen ist, sind nicht gerade vom inf.
praes. herzuleiten (fraistubni nicht fraisubni, inf. fraisan;
vitubni von dem inf. praet. vitan) während alle ahd.
-unga aus dem praes. fließen, daher auch kein wißunga,
muoßunga etc. -- Die flavische sprache bildet aus verbis
weibliche abstracta mit -b (aber ohne n) altsl. svatba
(nuptiae) molba (preces) böhm. swatba, modlitba, (vgl.
Dobr. inst. p. 287.); die litth. aus adj. feminina auf -ybe:
daug-ybe (multitudo) bais-ybe (horror) aukßt-ybe (alti-
tudo) etc., denen fast immer gleichbedeutende masc. auf
-ummas entsprechen: daug-ummas, bais-ummas, aukßt-
ummas, von dem adj. daugus, baisus, aukßtas, so daß
auch hierin keine bestätigung jenes muthmaßlichen ahd.
vastummi zu finden und das -ybe (ohne n) kaum dem
goth. -ubni zu vergleichen ist (gegen oben s. 186.)


*) vgl. Doc. wien. jahrb. 1819. VIII, 187.

III. conſonantiſche ableitungen. BN.
ahd. zu lauten -opani, folglich faſt-ubni, vit-ubni: vaſt-
opani, wiƷ-opani; aber nichts dergleichen kommt vor.
Sollten ſich einige altn. maſc. vergleichen: vind-ofnir
(appellatio coeli) edd. ſæm. 49b; ſâlg-ofnir, ſâlg-opnir
(gallus) 168b? falls das letztere von ſâlga (necare) ſtam-
men kann? die gewöhnliche erklärung iſt ſal-gofnir, ſal-
gopnir. Das einfache ofnir, opnir ſtehet 44b 47b, macht
alſo eine compoſition wahrſcheinlicher. Ohnehin geſtat-
ten die altn. perſönlichen maſc. keinen ſchluß auf die
ſächlichen goth. fem. und neutra. — Schm. §. 1052 hat
die der bairiſchen volksſprache eigenthümlichen, bereits
in urkunden des 14. 15. jahrh. gewöhnlichen *) -umb,
-um, ſtatt des hochd. -ung, jenen goth -ubni an die
ſeite geſetzt; wie mir ſcheint ohne grund. α) er nimmt
an, main-umb, faſt-umb ſei die richtigere, dem goth.
-ubni nähere form, mein-ung, faſt-ung die entſtelltere;
nun ſtimmen aber die ahd. mhd. agſ. altn. mundart in
dem (goth. freilich fehlenden) -ng ſo zuſammen, daß
kaum eine ſolche entſtellung zu vermuthen iſt. β) wenn
auch das goth. ſtibna zu ahd. ſtëmma, ſtimma wurde, ſo
blieb im agſ. ſtëfene, altn. ſtëfna, wogegen das goth. ïbn
ahd. ëpan, altn. iafn, agſ. ëfen und emn lautet. Aus
faſtubni hätte alſo ahd. vaſtopani werden dürfen, vaſtum-
ni, vaſtummi werden können, ſchwerlich vaſtumpi, noch
weniger vaſtungi. γ) die goth. bildungen ſind neutra und
fem. (aber auf -i, nicht auf -a); die ahd. -unga lauter
fem. erſter decl. δ) die goth. ſubſt., ſo viel aus den ſelt-
nen beiſpielen zu ſehen iſt, ſind nicht gerade vom inf.
praeſ. herzuleiten (fraiſtubni nicht fraiſubni, inf. fraiſan;
vitubni von dem inf. praet. vitan) während alle ahd.
-unga aus dem praeſ. fließen, daher auch kein wiƷunga,
muoƷunga etc. — Die flaviſche ſprache bildet aus verbis
weibliche abſtracta mit -b (aber ohne n) altſl. ſvatba
(nuptiae) molba (preces) böhm. ſwatba, modlitba, (vgl.
Dobr. inſt. p. 287.); die litth. aus adj. feminina auf -ybe:
daug-ybe (multitudo) baiſ-ybe (horror) aukſzt-ybe (alti-
tudo) etc., denen faſt immer gleichbedeutende maſc. auf
-ummas entſprechen: daug-ummas, baiſ-ummas, aukſzt-
ummas, von dem adj. daugus, baiſus, aukſztas, ſo daß
auch hierin keine beſtätigung jenes muthmaßlichen ahd.
vaſtummi zu finden und das -ybe (ohne n) kaum dem
goth. -ubni zu vergleichen iſt (gegen oben ſ. 186.)


*) vgl. Doc. wien. jahrb. 1819. VIII, 187.
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[366/0384] III. conſonantiſche ableitungen. BN. ahd. zu lauten -opani, folglich faſt-ubni, vit-ubni: vaſt- opani, wiƷ-opani; aber nichts dergleichen kommt vor. Sollten ſich einige altn. maſc. vergleichen: vind-ofnir (appellatio coeli) edd. ſæm. 49b; ſâlg-ofnir, ſâlg-opnir (gallus) 168b? falls das letztere von ſâlga (necare) ſtam- men kann? die gewöhnliche erklärung iſt ſal-gofnir, ſal- gopnir. Das einfache ofnir, opnir ſtehet 44b 47b, macht alſo eine compoſition wahrſcheinlicher. Ohnehin geſtat- ten die altn. perſönlichen maſc. keinen ſchluß auf die ſächlichen goth. fem. und neutra. — Schm. §. 1052 hat die der bairiſchen volksſprache eigenthümlichen, bereits in urkunden des 14. 15. jahrh. gewöhnlichen *) -umb, -um, ſtatt des hochd. -ung, jenen goth -ubni an die ſeite geſetzt; wie mir ſcheint ohne grund. α) er nimmt an, main-umb, faſt-umb ſei die richtigere, dem goth. -ubni nähere form, mein-ung, faſt-ung die entſtelltere; nun ſtimmen aber die ahd. mhd. agſ. altn. mundart in dem (goth. freilich fehlenden) -ng ſo zuſammen, daß kaum eine ſolche entſtellung zu vermuthen iſt. β) wenn auch das goth. ſtibna zu ahd. ſtëmma, ſtimma wurde, ſo blieb im agſ. ſtëfene, altn. ſtëfna, wogegen das goth. ïbn ahd. ëpan, altn. iafn, agſ. ëfen und emn lautet. Aus faſtubni hätte alſo ahd. vaſtopani werden dürfen, vaſtum- ni, vaſtummi werden können, ſchwerlich vaſtumpi, noch weniger vaſtungi. γ) die goth. bildungen ſind neutra und fem. (aber auf -i, nicht auf -a); die ahd. -unga lauter fem. erſter decl. δ) die goth. ſubſt., ſo viel aus den ſelt- nen beiſpielen zu ſehen iſt, ſind nicht gerade vom inf. praeſ. herzuleiten (fraiſtubni nicht fraiſubni, inf. fraiſan; vitubni von dem inf. praet. vitan) während alle ahd. -unga aus dem praeſ. fließen, daher auch kein wiƷunga, muoƷunga etc. — Die flaviſche ſprache bildet aus verbis weibliche abſtracta mit -b (aber ohne n) altſl. ſvatba (nuptiae) molba (preces) böhm. ſwatba, modlitba, (vgl. Dobr. inſt. p. 287.); die litth. aus adj. feminina auf -ybe: daug-ybe (multitudo) baiſ-ybe (horror) aukſzt-ybe (alti- tudo) etc., denen faſt immer gleichbedeutende maſc. auf -ummas entſprechen: daug-ummas, baiſ-ummas, aukſzt- ummas, von dem adj. daugus, baiſus, aukſztas, ſo daß auch hierin keine beſtätigung jenes muthmaßlichen ahd. vaſtummi zu finden und das -ybe (ohne n) kaum dem goth. -ubni zu vergleichen iſt (gegen oben ſ. 186.) *) vgl. Doc. wien. jahrb. 1819. VIII, 187.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/384>, abgerufen am 01.05.2024.