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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. HT.
eihhahi wieder kein aht, sondern nur dessen wurzel ah
liegen, was niemand behaupten wird. Selbst bei den
späteren nnl. achtig, schwed. aktig, dän. agtig ist, da
keine dieser sprachen einfaches adj. achtig etc. kennt,
kaum an eine solche zus. setzung gedacht worden.

e) die adj. -oht, -ottr beziehen sich meist auf etwas
leibliches, sinnliches, wie es von außen erscheint. Sie
stehen daher den adj. auf -ein (s. 176.), die den innern
stoff ausdrücken, gewissermaßen gegenüber, vgl. steinein,
hulzein, durnein, poumein, eihhein etc. mit steinoht, holz-
oht, dornoht, poumoht, eihhoht. Die sprache bezeich-
net durch sie hervorstechende äußere merkmahle, flecken
und gebrechen. Zuweilen gelten sie aber auch von un-
sinnlichen eigenschaften, z. b. altn. brögdottr, brösottr,
sökottr. Die bedeutungen von -haft, -ähnlich, scheint erst
das spätere -ochtig, -achtig mitzuführen.

z) die beigesetzten lat. wörter thun eine große über-
einstimmung dieser deutschen adj. mit den lat. auf -osus
dar; wenn -ahs die ursprüngl. deutsche form wäre,
könnte selbst die verwandtschaft der spiranten s und h
(1, 584. 592.) in anschlag kommen *). Doch reichen die
lat. -osus weiter und begegnen auch andern deutschen
ableitungen, namentlich denen mit -ag, -al (animosus,
formosus, samosus, linguosus). Aus dem litth. sind zweier-
lei derivata zu vergleichen 1) die mit -otas, -utas: ak-
menutas (steinicht) akstinnutas (dornicht) barzdutas (bär-
tig) groblotas (narbicht) guz'otas (knorricht) kamputas
(eckicht) karbutas (schrumpflicht) klajotas (heckicht) mi-
glotas (neblicht) miltotas (mehlicht) plaukotas (haaricht)
plunksnotas (sedericht) ragutas (hornicht) snegotas (schnee-
icht) etc. 2) die mit -okas, welche annäherung in ge-
stalt, farbe, geschmack ausdrücken: baltokas (albicans)
ilgokas (sublongus) kartokas (subamarus) saldokas (subdul-
cis) apskrittokas (subrotundus) etc. Das k könnte dem
deutschen h, das t dem deutschen t (in ht) entsprechen;
doch gleicht das t auch dem lateinischen in alatus (slav.
krilat, versch. von krilast) cornutus (sl. rogat, versch. von
rogast) barbatus (sl. bradat) crinitus (böhm. vlasaty) pen-
natus (böhm. pernaty) nivatus (neben nivosus) ansatus,

*) zumahl die Slaven in ähnlichen wörtern dem l ein t, wie
die Deutschen dem h ein t zuzufügen scheinen, vgl. die vorhin
s. 372. angeführten rogast, krilast, njedrist.
B b

III. conſonantiſche ableitungen. HT.
eihhahi wieder kein aht, ſondern nur deſſen wurzel ah
liegen, was niemand behaupten wird. Selbſt bei den
ſpäteren nnl. achtig, ſchwed. aktig, dän. agtig iſt, da
keine dieſer ſprachen einfaches adj. achtig etc. kennt,
kaum an eine ſolche zuſ. ſetzung gedacht worden.

ε) die adj. -oht, -ôttr beziehen ſich meiſt auf etwas
leibliches, ſinnliches, wie es von außen erſcheint. Sie
ſtehen daher den adj. auf -în (ſ. 176.), die den innern
ſtoff ausdrücken, gewiſſermaßen gegenüber, vgl. ſteinîn,
hulzîn, durnîn, poumîn, eihhîn etc. mit ſteinoht, holz-
oht, dornoht, poumoht, eihhoht. Die ſprache bezeich-
net durch ſie hervorſtechende äußere merkmahle, flecken
und gebrechen. Zuweilen gelten ſie aber auch von un-
ſinnlichen eigenſchaften, z. b. altn. brögdôttr, bröſôttr,
ſökôttr. Die bedeutungen von -haft, -ähnlich, ſcheint erſt
das ſpätere -ochtig, -achtig mitzuführen.

ζ) die beigeſetzten lat. wörter thun eine große über-
einſtimmung dieſer deutſchen adj. mit den lat. auf -oſus
dar; wenn -ahs die urſprüngl. deutſche form wäre,
könnte ſelbſt die verwandtſchaft der ſpiranten ſ und h
(1, 584. 592.) in anſchlag kommen *). Doch reichen die
lat. -oſus weiter und begegnen auch andern deutſchen
ableitungen, namentlich denen mit -ag, -al (animoſus,
formoſus, ſamoſus, linguoſus). Aus dem litth. ſind zweier-
lei derivata zu vergleichen 1) die mit -otas, -ůtas: ak-
menůtas (ſteinicht) akſtinnůtas (dornicht) barzdůtas (bär-
tig) groblótas (narbicht) guz’ótas (knorricht) kampůtas
(eckicht) karbůtas (ſchrumpflicht) klajotas (heckicht) mi-
glotas (neblicht) miltotas (mehlicht) plaukotas (haaricht)
plunkſnótas (ſedericht) ragůtas (hornicht) ſnegotas (ſchnee-
icht) etc. 2) die mit -okas, welche annäherung in ge-
ſtalt, farbe, geſchmack ausdrücken: baltokas (albicans)
ilgokas (ſublongus) kartokas (ſubamarus) ſaldokas (ſubdul-
cis) apſkrittókas (ſubrotundus) etc. Das k könnte dem
deutſchen h, das t dem deutſchen t (in ht) entſprechen;
doch gleicht das t auch dem lateiniſchen in alatus (ſlav.
krilat, verſch. von krilaſt) cornutus (ſl. rogat, verſch. von
rogaſt) barbatus (ſl. bradat) crinitus (böhm. vlaſaty) pen-
natus (böhm. pernaty) nivatus (neben nivoſus) anſatus,

*) zumahl die Slaven in ähnlichen wörtern dem l ein t, wie
die Deutſchen dem h ein t zuzufügen ſcheinen, vgl. die vorhin
ſ. 372. angeführten rogaſt, krilaſt, njedriſt.
B b
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[385/0403] III. conſonantiſche ableitungen. HT. eihhahi wieder kein aht, ſondern nur deſſen wurzel ah liegen, was niemand behaupten wird. Selbſt bei den ſpäteren nnl. achtig, ſchwed. aktig, dän. agtig iſt, da keine dieſer ſprachen einfaches adj. achtig etc. kennt, kaum an eine ſolche zuſ. ſetzung gedacht worden. ε) die adj. -oht, -ôttr beziehen ſich meiſt auf etwas leibliches, ſinnliches, wie es von außen erſcheint. Sie ſtehen daher den adj. auf -în (ſ. 176.), die den innern ſtoff ausdrücken, gewiſſermaßen gegenüber, vgl. ſteinîn, hulzîn, durnîn, poumîn, eihhîn etc. mit ſteinoht, holz- oht, dornoht, poumoht, eihhoht. Die ſprache bezeich- net durch ſie hervorſtechende äußere merkmahle, flecken und gebrechen. Zuweilen gelten ſie aber auch von un- ſinnlichen eigenſchaften, z. b. altn. brögdôttr, bröſôttr, ſökôttr. Die bedeutungen von -haft, -ähnlich, ſcheint erſt das ſpätere -ochtig, -achtig mitzuführen. ζ) die beigeſetzten lat. wörter thun eine große über- einſtimmung dieſer deutſchen adj. mit den lat. auf -oſus dar; wenn -ahs die urſprüngl. deutſche form wäre, könnte ſelbſt die verwandtſchaft der ſpiranten ſ und h (1, 584. 592.) in anſchlag kommen *). Doch reichen die lat. -oſus weiter und begegnen auch andern deutſchen ableitungen, namentlich denen mit -ag, -al (animoſus, formoſus, ſamoſus, linguoſus). Aus dem litth. ſind zweier- lei derivata zu vergleichen 1) die mit -otas, -ůtas: ak- menůtas (ſteinicht) akſtinnůtas (dornicht) barzdůtas (bär- tig) groblótas (narbicht) guz’ótas (knorricht) kampůtas (eckicht) karbůtas (ſchrumpflicht) klajotas (heckicht) mi- glotas (neblicht) miltotas (mehlicht) plaukotas (haaricht) plunkſnótas (ſedericht) ragůtas (hornicht) ſnegotas (ſchnee- icht) etc. 2) die mit -okas, welche annäherung in ge- ſtalt, farbe, geſchmack ausdrücken: baltokas (albicans) ilgokas (ſublongus) kartokas (ſubamarus) ſaldokas (ſubdul- cis) apſkrittókas (ſubrotundus) etc. Das k könnte dem deutſchen h, das t dem deutſchen t (in ht) entſprechen; doch gleicht das t auch dem lateiniſchen in alatus (ſlav. krilat, verſch. von krilaſt) cornutus (ſl. rogat, verſch. von rogaſt) barbatus (ſl. bradat) crinitus (böhm. vlaſaty) pen- natus (böhm. pernaty) nivatus (neben nivoſus) anſatus, *) zumahl die Slaven in ähnlichen wörtern dem l ein t, wie die Deutſchen dem h ein t zuzufügen ſcheinen, vgl. die vorhin ſ. 372. angeführten rogaſt, krilaſt, njedriſt. B b

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/403>, abgerufen am 04.05.2024.