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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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die Erde, du wirst Segen davon haben, deine
Frau wird zwei goldene Jungen zur Welt brin-
gen, das Pferd wird zwei goldene Füllen be-
kommen, und aus der Erde werden zwei golde-
ne Lilien aufwachsen." Der Mann gehorchte,
und die Weissagung traf ein. Die zwei goldne
Kinder wuchsen heran und wurden groß, und
sagten: "Vater, wir wollen ausziehen in die
Welt, wir setzen uns auf die goldenen Rosse,
und an den goldenen Lilien könnt ihr sehen,
wie es uns geht: "sind sie frisch, so sind wir
gesund; sind sie welk, sind wir krank; fallen sie
um, sind wir todt." Damit ritten sie fort
und kamen zu einem Wirthshaus, darin war
viel Volk, und als das die zwei Goldkinder
auf den Goldpferden sah, fing es an zu spot-
ten; da wurden sie bös, und der eine schämte
sich, kehrte um und ritt wieder nach Haus, der
zweite aber ritt fort. Da kam er zu einen
Wald, die Leute aber vor dem Walde sagten
ihm, er dürfe nicht hindurchreiten, es sey voll
Spitzbuben darin, die würden übel mit ihm
umgehen; das Goldkind aber ließ sich nicht
schrecken und sprach: "ich muß und soll hin-
durch!" Dann nahm er Bärenfelle und über-
zog sich und sein Pferd damit, daß nichts mehr
von Gold zu sehen war, und so ritt er in den
Wald hinein. Bald darauf hörte er in den Gebü-
schen rufen: "hier ist einer!" Ein anderer aber

die Erde, du wirſt Segen davon haben, deine
Frau wird zwei goldene Jungen zur Welt brin-
gen, das Pferd wird zwei goldene Fuͤllen be-
kommen, und aus der Erde werden zwei golde-
ne Lilien aufwachſen.“ Der Mann gehorchte,
und die Weiſſagung traf ein. Die zwei goldne
Kinder wuchſen heran und wurden groß, und
ſagten: „Vater, wir wollen ausziehen in die
Welt, wir ſetzen uns auf die goldenen Roſſe,
und an den goldenen Lilien koͤnnt ihr ſehen,
wie es uns geht: „ſind ſie friſch, ſo ſind wir
geſund; ſind ſie welk, ſind wir krank; fallen ſie
um, ſind wir todt.“ Damit ritten ſie fort
und kamen zu einem Wirthshaus, darin war
viel Volk, und als das die zwei Goldkinder
auf den Goldpferden ſah, fing es an zu ſpot-
ten; da wurden ſie boͤs, und der eine ſchaͤmte
ſich, kehrte um und ritt wieder nach Haus, der
zweite aber ritt fort. Da kam er zu einen
Wald, die Leute aber vor dem Walde ſagten
ihm, er duͤrfe nicht hindurchreiten, es ſey voll
Spitzbuben darin, die wuͤrden uͤbel mit ihm
umgehen; das Goldkind aber ließ ſich nicht
ſchrecken und ſprach: „ich muß und ſoll hin-
durch!“ Dann nahm er Baͤrenfelle und uͤber-
zog ſich und ſein Pferd damit, daß nichts mehr
von Gold zu ſehen war, und ſo ritt er in den
Wald hinein. Bald darauf hoͤrte er in den Gebuͤ-
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[292/0326] die Erde, du wirſt Segen davon haben, deine Frau wird zwei goldene Jungen zur Welt brin- gen, das Pferd wird zwei goldene Fuͤllen be- kommen, und aus der Erde werden zwei golde- ne Lilien aufwachſen.“ Der Mann gehorchte, und die Weiſſagung traf ein. Die zwei goldne Kinder wuchſen heran und wurden groß, und ſagten: „Vater, wir wollen ausziehen in die Welt, wir ſetzen uns auf die goldenen Roſſe, und an den goldenen Lilien koͤnnt ihr ſehen, wie es uns geht: „ſind ſie friſch, ſo ſind wir geſund; ſind ſie welk, ſind wir krank; fallen ſie um, ſind wir todt.“ Damit ritten ſie fort und kamen zu einem Wirthshaus, darin war viel Volk, und als das die zwei Goldkinder auf den Goldpferden ſah, fing es an zu ſpot- ten; da wurden ſie boͤs, und der eine ſchaͤmte ſich, kehrte um und ritt wieder nach Haus, der zweite aber ritt fort. Da kam er zu einen Wald, die Leute aber vor dem Walde ſagten ihm, er duͤrfe nicht hindurchreiten, es ſey voll Spitzbuben darin, die wuͤrden uͤbel mit ihm umgehen; das Goldkind aber ließ ſich nicht ſchrecken und ſprach: „ich muß und ſoll hin- durch!“ Dann nahm er Baͤrenfelle und uͤber- zog ſich und ſein Pferd damit, daß nichts mehr von Gold zu ſehen war, und ſo ritt er in den Wald hinein. Bald darauf hoͤrte er in den Gebuͤ- ſchen rufen: „hier iſt einer!“ Ein anderer aber

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/326>, abgerufen am 29.04.2024.