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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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eins übrig. Der Sperling wartete nicht lange, setz-
te sich auf den Kopf desselben und rief: "Fuhr-
mann, es kostet dir dein Leben!" Der Fuhr-
mann aber war schon so zornig, daß er sich gar
nicht besann, sondern gleich zuschlug: da waren
nun alle seine drei Pferde todtgeschlagen, und
er mußte den Wagen stehen lassen. Bös und
giftig ging er nach Haus, und setzte sich hinter
den Ofen; aber der Sperling war hinter ihm
drein geflogen, saß vor dem Fenster und rief:
"Fuhrmann, es kostet dir dein Leben!" Der
Fuhrmann griff nach der Hacke, schmiß das
Fenster ein, aber den Sperling traf er nicht.
Der Vogel hüpfte nun herein, setzte sich auf
den Ofen und rief: "Fuhrmann, es kostet dir
dein Leben!" Dieser, toll und blind vor Wuth,
schlägt den ganzen Ofen ein, und wie der Sper-
ling von einem Ort zum andern fliegt, sein
ganzes Hausgeräth, Spieglein, Stühle, Bän-
ke, Tisch und zuletzt die Wände seines Hauses.
Da packt er endlich den Vogel: "jetzt hab ich
dich!" nimmt ihn in den Mund und schluckt
ihn hinunter. Der Sperling aber im Leibe
des Fuhrmanns, fängt an zu flattern, flattert
wieder herauf, dem Fuhrmann in den Mund,
streckt den Kopf heraus und ruft: "Fuhrmann,
es kostet dir doch dein Leben!" Da giebt der
Fuhrmann seiner Frau die Hacke: "Frau, schlag
mir den Vogel im Munde todt." Die Frau

schlägt

eins uͤbrig. Der Sperling wartete nicht lange, ſetz-
te ſich auf den Kopf desſelben und rief: „Fuhr-
mann, es koſtet dir dein Leben!“ Der Fuhr-
mann aber war ſchon ſo zornig, daß er ſich gar
nicht beſann, ſondern gleich zuſchlug: da waren
nun alle ſeine drei Pferde todtgeſchlagen, und
er mußte den Wagen ſtehen laſſen. Boͤs und
giftig ging er nach Haus, und ſetzte ſich hinter
den Ofen; aber der Sperling war hinter ihm
drein geflogen, ſaß vor dem Fenſter und rief:
„Fuhrmann, es koſtet dir dein Leben!“ Der
Fuhrmann griff nach der Hacke, ſchmiß das
Fenſter ein, aber den Sperling traf er nicht.
Der Vogel huͤpfte nun herein, ſetzte ſich auf
den Ofen und rief: „Fuhrmann, es koſtet dir
dein Leben!“ Dieſer, toll und blind vor Wuth,
ſchlaͤgt den ganzen Ofen ein, und wie der Sper-
ling von einem Ort zum andern fliegt, ſein
ganzes Hausgeraͤth, Spieglein, Stuͤhle, Baͤn-
ke, Tiſch und zuletzt die Waͤnde ſeines Hauſes.
Da packt er endlich den Vogel: „jetzt hab ich
dich!“ nimmt ihn in den Mund und ſchluckt
ihn hinunter. Der Sperling aber im Leibe
des Fuhrmanns, faͤngt an zu flattern, flattert
wieder herauf, dem Fuhrmann in den Mund,
ſtreckt den Kopf heraus und ruft: „Fuhrmann,
es koſtet dir doch dein Leben!“ Da giebt der
Fuhrmann ſeiner Frau die Hacke: „Frau, ſchlag
mir den Vogel im Munde todt.“ Die Frau

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[272/0306] eins uͤbrig. Der Sperling wartete nicht lange, ſetz- te ſich auf den Kopf desſelben und rief: „Fuhr- mann, es koſtet dir dein Leben!“ Der Fuhr- mann aber war ſchon ſo zornig, daß er ſich gar nicht beſann, ſondern gleich zuſchlug: da waren nun alle ſeine drei Pferde todtgeſchlagen, und er mußte den Wagen ſtehen laſſen. Boͤs und giftig ging er nach Haus, und ſetzte ſich hinter den Ofen; aber der Sperling war hinter ihm drein geflogen, ſaß vor dem Fenſter und rief: „Fuhrmann, es koſtet dir dein Leben!“ Der Fuhrmann griff nach der Hacke, ſchmiß das Fenſter ein, aber den Sperling traf er nicht. Der Vogel huͤpfte nun herein, ſetzte ſich auf den Ofen und rief: „Fuhrmann, es koſtet dir dein Leben!“ Dieſer, toll und blind vor Wuth, ſchlaͤgt den ganzen Ofen ein, und wie der Sper- ling von einem Ort zum andern fliegt, ſein ganzes Hausgeraͤth, Spieglein, Stuͤhle, Baͤn- ke, Tiſch und zuletzt die Waͤnde ſeines Hauſes. Da packt er endlich den Vogel: „jetzt hab ich dich!“ nimmt ihn in den Mund und ſchluckt ihn hinunter. Der Sperling aber im Leibe des Fuhrmanns, faͤngt an zu flattern, flattert wieder herauf, dem Fuhrmann in den Mund, ſtreckt den Kopf heraus und ruft: „Fuhrmann, es koſtet dir doch dein Leben!“ Da giebt der Fuhrmann ſeiner Frau die Hacke: „Frau, ſchlag mir den Vogel im Munde todt.“ Die Frau ſchlaͤgt

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/306>, abgerufen am 28.04.2024.