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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Mädchen, und daß beide sehr freundlich und
vergnügt miteinander waren. Das Essen aber
hatte sich der Prinz nur auf den Tisch gewünscht,
und das Mädchen war seine liebe Lise, die ver-
wandelte er allezeit in ihre natürliche Gestalt,
und war in ihrer Gesellschaft, so oft er allein
war, wenn er aber ausging, war es wieder eine
Nelke, die in einem Glas mit Wasser stand.
Die Jäger meinten, er müsse große Reichthü-
mer haben, und brachen, als er auf der Jagd
war, in seine Stube ein, da fanden sie aber
gar nichts, nur die Nelke vorm Fenster. Weil
sie so schön war, brachten sie diese zum König,
der trug auch einen so großen Gefallen daran,
daß er sie von dem Jäger verlangte. Der woll-
te sie aber um alles Gold nicht hingeben, weil
es seine liebste Lise war, endlich, wie der Kö-
nig darauf bestand, entdeckte er ihm alles, und
daß er sein Sohn wäre. Wie der König das
hörte, freute er sich von Herzen, die Königin
ward aus dem Gefängniß befreit, und die treue
Lise des Prinzen Gemahlin; der gottlose Gärt-
ner mußte zur Strafe ein Pudel bleiben, und
ward von den Knechten unter den Tisch ge-
stoßen.


Kindermärchen. Z

Maͤdchen, und daß beide ſehr freundlich und
vergnuͤgt miteinander waren. Das Eſſen aber
hatte ſich der Prinz nur auf den Tiſch gewuͤnſcht,
und das Maͤdchen war ſeine liebe Liſe, die ver-
wandelte er allezeit in ihre natuͤrliche Geſtalt,
und war in ihrer Geſellſchaft, ſo oft er allein
war, wenn er aber ausging, war es wieder eine
Nelke, die in einem Glas mit Waſſer ſtand.
Die Jaͤger meinten, er muͤſſe große Reichthuͤ-
mer haben, und brachen, als er auf der Jagd
war, in ſeine Stube ein, da fanden ſie aber
gar nichts, nur die Nelke vorm Fenſter. Weil
ſie ſo ſchoͤn war, brachten ſie dieſe zum Koͤnig,
der trug auch einen ſo großen Gefallen daran,
daß er ſie von dem Jaͤger verlangte. Der woll-
te ſie aber um alles Gold nicht hingeben, weil
es ſeine liebſte Liſe war, endlich, wie der Koͤ-
nig darauf beſtand, entdeckte er ihm alles, und
daß er ſein Sohn waͤre. Wie der Koͤnig das
hoͤrte, freute er ſich von Herzen, die Koͤnigin
ward aus dem Gefaͤngniß befreit, und die treue
Liſe des Prinzen Gemahlin; der gottloſe Gaͤrt-
ner mußte zur Strafe ein Pudel bleiben, und
ward von den Knechten unter den Tiſch ge-
ſtoßen.


Kindermärchen. Z
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[353/0387] Maͤdchen, und daß beide ſehr freundlich und vergnuͤgt miteinander waren. Das Eſſen aber hatte ſich der Prinz nur auf den Tiſch gewuͤnſcht, und das Maͤdchen war ſeine liebe Liſe, die ver- wandelte er allezeit in ihre natuͤrliche Geſtalt, und war in ihrer Geſellſchaft, ſo oft er allein war, wenn er aber ausging, war es wieder eine Nelke, die in einem Glas mit Waſſer ſtand. Die Jaͤger meinten, er muͤſſe große Reichthuͤ- mer haben, und brachen, als er auf der Jagd war, in ſeine Stube ein, da fanden ſie aber gar nichts, nur die Nelke vorm Fenſter. Weil ſie ſo ſchoͤn war, brachten ſie dieſe zum Koͤnig, der trug auch einen ſo großen Gefallen daran, daß er ſie von dem Jaͤger verlangte. Der woll- te ſie aber um alles Gold nicht hingeben, weil es ſeine liebſte Liſe war, endlich, wie der Koͤ- nig darauf beſtand, entdeckte er ihm alles, und daß er ſein Sohn waͤre. Wie der Koͤnig das hoͤrte, freute er ſich von Herzen, die Koͤnigin ward aus dem Gefaͤngniß befreit, und die treue Liſe des Prinzen Gemahlin; der gottloſe Gaͤrt- ner mußte zur Strafe ein Pudel bleiben, und ward von den Knechten unter den Tiſch ge- ſtoßen. Kindermärchen. Z

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/387>, abgerufen am 29.04.2024.