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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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fest, daß er nichts gewahr wurde, und nicht eher aufwachte als bis er in dem Maul der Kuh war, die ihn mit dem Heu aufgerafft hatte. "Ach Gott, rief er, wie bin ich in die Walkmühle gerathen!" aber er merkte bald, wo er war. Da hieß es aufpassen, daß er nicht zwischen die Zähne kam und zerdrückt wurde, und darnach mußte er doch mit in den Magen hinabrutschen. "Jn dem Stübchen sind die Fenster vergessen, sprach er und bricht keine Sonne hindurch; ein Licht wird auch nicht wohl zu haben seyn!" Ueberhaupt gefiel ihm das Quartier schlecht und was das schlimmste war, es kam immer mehr neues Heu zur Thür hinein und der Platz ward immer enger. Da rief er endlich in der Angst so laut er konnte: "bringt mir kein neu Futter mehr! bringt mir kein neu Futter mehr!" Die Magd melkte gerade die Kuh, und als sie sprechen hörte ohne jemand zu sehen, und es dieselbe Stimme war, die sie auch in der Nacht gehört hatte, erschrak sie so, daß sie von ihrem Stühlchen herabglitschte und die Milch verschüttete. Sie lief in der größten Hast zu ihrem Herrn und rief: "ach Gott, Herr Pfarrer, die Kuh hat geredet." Der Pfarrer antwortete der Magd: "du bist verrückt!" ging aber doch selbst in den Stall, nachzusehen, was vor wäre. Aber kaum hatte er den Fuß hineingesetzt, so rief Daumesdick eben aufs neue: "bringt mir kein neu Futter mehr! bringt mir kein neu Futter mehr!" Da erschrak der Pfarrer selbst, meinte es wär ein böser Geist und hieß die Kuh tödten. Nun ward sie geschlachtet, der Magen aber, worin Daumesdick steckte, hinaus auf den Mist geworfen. Daumesdick suchte sich heraus zu arbeiten, aber

fest, daß er nichts gewahr wurde, und nicht eher aufwachte als bis er in dem Maul der Kuh war, die ihn mit dem Heu aufgerafft hatte. „Ach Gott, rief er, wie bin ich in die Walkmuͤhle gerathen!“ aber er merkte bald, wo er war. Da hieß es aufpassen, daß er nicht zwischen die Zaͤhne kam und zerdruͤckt wurde, und darnach mußte er doch mit in den Magen hinabrutschen. „Jn dem Stuͤbchen sind die Fenster vergessen, sprach er und bricht keine Sonne hindurch; ein Licht wird auch nicht wohl zu haben seyn!“ Ueberhaupt gefiel ihm das Quartier schlecht und was das schlimmste war, es kam immer mehr neues Heu zur Thuͤr hinein und der Platz ward immer enger. Da rief er endlich in der Angst so laut er konnte: „bringt mir kein neu Futter mehr! bringt mir kein neu Futter mehr!“ Die Magd melkte gerade die Kuh, und als sie sprechen hoͤrte ohne jemand zu sehen, und es dieselbe Stimme war, die sie auch in der Nacht gehoͤrt hatte, erschrak sie so, daß sie von ihrem Stuͤhlchen herabglitschte und die Milch verschuͤttete. Sie lief in der groͤßten Hast zu ihrem Herrn und rief: „ach Gott, Herr Pfarrer, die Kuh hat geredet.“ Der Pfarrer antwortete der Magd: „du bist verruͤckt!“ ging aber doch selbst in den Stall, nachzusehen, was vor waͤre. Aber kaum hatte er den Fuß hineingesetzt, so rief Daumesdick eben aufs neue: „bringt mir kein neu Futter mehr! bringt mir kein neu Futter mehr!“ Da erschrak der Pfarrer selbst, meinte es waͤr ein boͤser Geist und hieß die Kuh toͤdten. Nun ward sie geschlachtet, der Magen aber, worin Daumesdick steckte, hinaus auf den Mist geworfen. Daumesdick suchte sich heraus zu arbeiten, aber

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[196/0260] fest, daß er nichts gewahr wurde, und nicht eher aufwachte als bis er in dem Maul der Kuh war, die ihn mit dem Heu aufgerafft hatte. „Ach Gott, rief er, wie bin ich in die Walkmuͤhle gerathen!“ aber er merkte bald, wo er war. Da hieß es aufpassen, daß er nicht zwischen die Zaͤhne kam und zerdruͤckt wurde, und darnach mußte er doch mit in den Magen hinabrutschen. „Jn dem Stuͤbchen sind die Fenster vergessen, sprach er und bricht keine Sonne hindurch; ein Licht wird auch nicht wohl zu haben seyn!“ Ueberhaupt gefiel ihm das Quartier schlecht und was das schlimmste war, es kam immer mehr neues Heu zur Thuͤr hinein und der Platz ward immer enger. Da rief er endlich in der Angst so laut er konnte: „bringt mir kein neu Futter mehr! bringt mir kein neu Futter mehr!“ Die Magd melkte gerade die Kuh, und als sie sprechen hoͤrte ohne jemand zu sehen, und es dieselbe Stimme war, die sie auch in der Nacht gehoͤrt hatte, erschrak sie so, daß sie von ihrem Stuͤhlchen herabglitschte und die Milch verschuͤttete. Sie lief in der groͤßten Hast zu ihrem Herrn und rief: „ach Gott, Herr Pfarrer, die Kuh hat geredet.“ Der Pfarrer antwortete der Magd: „du bist verruͤckt!“ ging aber doch selbst in den Stall, nachzusehen, was vor waͤre. Aber kaum hatte er den Fuß hineingesetzt, so rief Daumesdick eben aufs neue: „bringt mir kein neu Futter mehr! bringt mir kein neu Futter mehr!“ Da erschrak der Pfarrer selbst, meinte es waͤr ein boͤser Geist und hieß die Kuh toͤdten. Nun ward sie geschlachtet, der Magen aber, worin Daumesdick steckte, hinaus auf den Mist geworfen. Daumesdick suchte sich heraus zu arbeiten, aber

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/260>, abgerufen am 16.05.2024.