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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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Angst, was sie anfangen sollte. "Ach wie wird mirs ergehen! rief sie, was wird mein Mann dazu sagen!" Sie lief heim und erzählte ihm das Unglück. "Wer setzt sich auch an die Ecke des Markts mit irdenem Geschirr! sprach der Mann, laß nur das Weinen, ich sehe wohl, du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen; da bin ich in unseres Königs Schloß gewesen und habe gefragt, ob sie nicht eine Küchenmagd brauchen könnten und sie haben mir versprochen, sie wollten dich dazu nehmen, dafür bekommst du freies Essen."

Nun ward die Königstochter eine Küchenmagd, mußte dem Koch zur Hand gehen und die sauerste Arbeit thun. Sie machte sich an beiden Seiten in den Taschen ein Töpfchen fest, darin trug sie, was sie von dem übrig gebliebenen erhielt, nach Haus und sie lebten zusammen davon. Es trug sich zu, daß die Hochzeit des ältesten Königssohns sollte gefeiert werden, da ging die arme Frau hinauf, stellte sich vor die Saalthüre und sah zu. Als nun alles voll Pracht und Herrlichkeit war, da dachte sie mit betrübtem Herzen an ihr Schicksal, und verwünschte ihren Hochmuth und Uebermuth, der sie in diese Armuth gestürzt hatte. Von den köstlichen Speisen, die da ein und ausgetragen wurden, erhielt sie von den Dienern manchmal etwas geschenkt, das that sie in ihre Töpfchen und wollte es heim tragen. Auf einmal trat der Königssohn in goldenen Kleidern daher, und als er die schöne Frau in der Thüre stehen sah, ergriff er sie bei der Hand und wollte mit ihr tanzen, aber sie wollte nicht und erschrak, denn sie sah, daß es der König Droßelbart war, der um sie gefreit

Angst, was sie anfangen sollte. „Ach wie wird mirs ergehen! rief sie, was wird mein Mann dazu sagen!“ Sie lief heim und erzaͤhlte ihm das Ungluͤck. „Wer setzt sich auch an die Ecke des Markts mit irdenem Geschirr! sprach der Mann, laß nur das Weinen, ich sehe wohl, du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen; da bin ich in unseres Koͤnigs Schloß gewesen und habe gefragt, ob sie nicht eine Kuͤchenmagd brauchen koͤnnten und sie haben mir versprochen, sie wollten dich dazu nehmen, dafuͤr bekommst du freies Essen.“

Nun ward die Koͤnigstochter eine Kuͤchenmagd, mußte dem Koch zur Hand gehen und die sauerste Arbeit thun. Sie machte sich an beiden Seiten in den Taschen ein Toͤpfchen fest, darin trug sie, was sie von dem uͤbrig gebliebenen erhielt, nach Haus und sie lebten zusammen davon. Es trug sich zu, daß die Hochzeit des aͤltesten Koͤnigssohns sollte gefeiert werden, da ging die arme Frau hinauf, stellte sich vor die Saalthuͤre und sah zu. Als nun alles voll Pracht und Herrlichkeit war, da dachte sie mit betruͤbtem Herzen an ihr Schicksal, und verwuͤnschte ihren Hochmuth und Uebermuth, der sie in diese Armuth gestuͤrzt hatte. Von den koͤstlichen Speisen, die da ein und ausgetragen wurden, erhielt sie von den Dienern manchmal etwas geschenkt, das that sie in ihre Toͤpfchen und wollte es heim tragen. Auf einmal trat der Koͤnigssohn in goldenen Kleidern daher, und als er die schoͤne Frau in der Thuͤre stehen sah, ergriff er sie bei der Hand und wollte mit ihr tanzen, aber sie wollte nicht und erschrak, denn sie sah, daß es der Koͤnig Droßelbart war, der um sie gefreit

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[261/0325] Angst, was sie anfangen sollte. „Ach wie wird mirs ergehen! rief sie, was wird mein Mann dazu sagen!“ Sie lief heim und erzaͤhlte ihm das Ungluͤck. „Wer setzt sich auch an die Ecke des Markts mit irdenem Geschirr! sprach der Mann, laß nur das Weinen, ich sehe wohl, du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen; da bin ich in unseres Koͤnigs Schloß gewesen und habe gefragt, ob sie nicht eine Kuͤchenmagd brauchen koͤnnten und sie haben mir versprochen, sie wollten dich dazu nehmen, dafuͤr bekommst du freies Essen.“ Nun ward die Koͤnigstochter eine Kuͤchenmagd, mußte dem Koch zur Hand gehen und die sauerste Arbeit thun. Sie machte sich an beiden Seiten in den Taschen ein Toͤpfchen fest, darin trug sie, was sie von dem uͤbrig gebliebenen erhielt, nach Haus und sie lebten zusammen davon. Es trug sich zu, daß die Hochzeit des aͤltesten Koͤnigssohns sollte gefeiert werden, da ging die arme Frau hinauf, stellte sich vor die Saalthuͤre und sah zu. Als nun alles voll Pracht und Herrlichkeit war, da dachte sie mit betruͤbtem Herzen an ihr Schicksal, und verwuͤnschte ihren Hochmuth und Uebermuth, der sie in diese Armuth gestuͤrzt hatte. Von den koͤstlichen Speisen, die da ein und ausgetragen wurden, erhielt sie von den Dienern manchmal etwas geschenkt, das that sie in ihre Toͤpfchen und wollte es heim tragen. Auf einmal trat der Koͤnigssohn in goldenen Kleidern daher, und als er die schoͤne Frau in der Thuͤre stehen sah, ergriff er sie bei der Hand und wollte mit ihr tanzen, aber sie wollte nicht und erschrak, denn sie sah, daß es der Koͤnig Droßelbart war, der um sie gefreit

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/325>, abgerufen am 05.05.2024.