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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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Satz wieder hinaus. Das Schwein war hinter ihm her gelaufen, er aber sprang außen herum, und schlug die Thüre hinter ihm zu; da war das wüthende Thier gefangen, das viel zu plump war und um zu dem Fenster hinauf zu springen. Das Schneiderlein rief die Jäger herbei, die mußten den Gefangenen mit eigenen Augen sehen; der Held aber begab sich zum Könige, der nun, er mochte wollen oder nicht, sein Versprechen halten und ihm seine Tochter und das halbe Königreich übergeben mußte. Hätte er gewußt daß kein Kriegsheld sondern ein Schneiderlein vor ihm stand, es wäre ihm noch mehr zu Herzen gegangen. Die Hochzeit ward also mit großer Pracht und kleiner Freude gehalten, und aus einem Schneider ein König gemacht.

Nach einiger Zeit hörte die junge Königin in der Nacht wie ihr Gemahl im Traume sprach 'Junge, mach mir den Wams und flick mir die Hosen, oder ich will dir die Elle über die Ohren schlagen.' Da merkte sie in welcher Gasse der junge Herr geboren war, klagte am andern Morgen ihrem Vater ihr Leid, und bat er möchte ihr von dem Manne helfen, der nichts anders als ein Schneider wäre. Der König sprach ihr Trost zu, und sagte 'laß in der nächsten Nacht deine Schlafkammer offen, meine Diener sollen außen stehen und, wenn er eingeschlafen ist, hineingehen, ihn binden und auf ein Schiff tragen, das ihn fortführt.' Die Frau war damit zufrieden, des Königs Waffenträger aber, der alles mit angehört hatte, war dem jungen Herrn gewogen, und hinterbrachte ihm den ganzen Anschlag. 'Dem Ding will ich einen Riegel vorschieben' sagte das Schneiderlein. Abends legte

Satz wieder hinaus. Das Schwein war hinter ihm her gelaufen, er aber sprang außen herum, und schlug die Thuͤre hinter ihm zu; da war das wuͤthende Thier gefangen, das viel zu plump war und um zu dem Fenster hinauf zu springen. Das Schneiderlein rief die Jaͤger herbei, die mußten den Gefangenen mit eigenen Augen sehen; der Held aber begab sich zum Koͤnige, der nun, er mochte wollen oder nicht, sein Versprechen halten und ihm seine Tochter und das halbe Koͤnigreich uͤbergeben mußte. Haͤtte er gewußt daß kein Kriegsheld sondern ein Schneiderlein vor ihm stand, es waͤre ihm noch mehr zu Herzen gegangen. Die Hochzeit ward also mit großer Pracht und kleiner Freude gehalten, und aus einem Schneider ein Koͤnig gemacht.

Nach einiger Zeit hoͤrte die junge Koͤnigin in der Nacht wie ihr Gemahl im Traume sprach ‘Junge, mach mir den Wams und flick mir die Hosen, oder ich will dir die Elle uͤber die Ohren schlagen.’ Da merkte sie in welcher Gasse der junge Herr geboren war, klagte am andern Morgen ihrem Vater ihr Leid, und bat er moͤchte ihr von dem Manne helfen, der nichts anders als ein Schneider waͤre. Der Koͤnig sprach ihr Trost zu, und sagte ‘laß in der naͤchsten Nacht deine Schlafkammer offen, meine Diener sollen außen stehen und, wenn er eingeschlafen ist, hineingehen, ihn binden und auf ein Schiff tragen, das ihn fortfuͤhrt.’ Die Frau war damit zufrieden, des Koͤnigs Waffentraͤger aber, der alles mit angehoͤrt hatte, war dem jungen Herrn gewogen, und hinterbrachte ihm den ganzen Anschlag. ‘Dem Ding will ich einen Riegel vorschieben’ sagte das Schneiderlein. Abends legte

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[135/0166] Satz wieder hinaus. Das Schwein war hinter ihm her gelaufen, er aber sprang außen herum, und schlug die Thuͤre hinter ihm zu; da war das wuͤthende Thier gefangen, das viel zu plump war und um zu dem Fenster hinauf zu springen. Das Schneiderlein rief die Jaͤger herbei, die mußten den Gefangenen mit eigenen Augen sehen; der Held aber begab sich zum Koͤnige, der nun, er mochte wollen oder nicht, sein Versprechen halten und ihm seine Tochter und das halbe Koͤnigreich uͤbergeben mußte. Haͤtte er gewußt daß kein Kriegsheld sondern ein Schneiderlein vor ihm stand, es waͤre ihm noch mehr zu Herzen gegangen. Die Hochzeit ward also mit großer Pracht und kleiner Freude gehalten, und aus einem Schneider ein Koͤnig gemacht. Nach einiger Zeit hoͤrte die junge Koͤnigin in der Nacht wie ihr Gemahl im Traume sprach ‘Junge, mach mir den Wams und flick mir die Hosen, oder ich will dir die Elle uͤber die Ohren schlagen.’ Da merkte sie in welcher Gasse der junge Herr geboren war, klagte am andern Morgen ihrem Vater ihr Leid, und bat er moͤchte ihr von dem Manne helfen, der nichts anders als ein Schneider waͤre. Der Koͤnig sprach ihr Trost zu, und sagte ‘laß in der naͤchsten Nacht deine Schlafkammer offen, meine Diener sollen außen stehen und, wenn er eingeschlafen ist, hineingehen, ihn binden und auf ein Schiff tragen, das ihn fortfuͤhrt.’ Die Frau war damit zufrieden, des Koͤnigs Waffentraͤger aber, der alles mit angehoͤrt hatte, war dem jungen Herrn gewogen, und hinterbrachte ihm den ganzen Anschlag. ‘Dem Ding will ich einen Riegel vorschieben’ sagte das Schneiderlein. Abends legte

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/166>, abgerufen am 27.04.2024.