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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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abschlug. Als dieser aber todt da lag, und er sein rothes Blut fließen sah, reute es ihn gewaltig, und er sprach 'mein Bruder hat mich erlöst, und ich habe ihn dafür getödtet!' und jammerte laut. Da kam sein Hase, und sagte er wollte von der Lebenswurzel holen, sprang fort, und brachte sie noch zu rechter Zeit, und der Todte wurde wieder lebendig, und merkte gar nichts von der Wunde.

Darauf zogen sie weiter, und der jüngste sprach 'du siehst aus wie ich, hast königliche Kleider an wie ich, und die Thiere folgen dir nach wie mir: wir wollen zu den entgegengesetzten Thoren eingehen, und von zwei Seiten zugleich beim alten König anlangen.' Also trennten sie sich, und bei dem alten König kam zu gleicher Zeit die Wache von dem einen und dem andern Thore, und meldete der junge König mit seinen Thieren wäre von der Jagd angelangt. Sprach der König 'es ist nicht möglich, die Thore liegen eine Stunde weit aus einander.' Jndem aber kamen von zwei Seiten die beiden Brüder in den Schloßhof hinein, und stiegen beide herauf. Da sprach der König zu seiner Tochter 'sag an welcher ist dein Gemahl? es sieht einer aus wie der andere, ich kanns nicht sagen.' Sie war da in großer Angst, und wußte es nicht, endlich fiel ihr das Halsband ein, das sie den Thieren gegeben hatte, und sah an dem Löwen ihres Gemahls das goldene Schlößchen; da sprach sie vergnügt 'dieser ist mein rechter Mann.' Da lachte der junge König, und sagte 'ja, das ist der rechte' und sie setzten sich zusammen zu Tisch, aßen und tranken und waren fröhlich.

abschlug. Als dieser aber todt da lag, und er sein rothes Blut fließen sah, reute es ihn gewaltig, und er sprach ‘mein Bruder hat mich erloͤst, und ich habe ihn dafuͤr getoͤdtet!’ und jammerte laut. Da kam sein Hase, und sagte er wollte von der Lebenswurzel holen, sprang fort, und brachte sie noch zu rechter Zeit, und der Todte wurde wieder lebendig, und merkte gar nichts von der Wunde.

Darauf zogen sie weiter, und der juͤngste sprach ‘du siehst aus wie ich, hast koͤnigliche Kleider an wie ich, und die Thiere folgen dir nach wie mir: wir wollen zu den entgegengesetzten Thoren eingehen, und von zwei Seiten zugleich beim alten Koͤnig anlangen.’ Also trennten sie sich, und bei dem alten Koͤnig kam zu gleicher Zeit die Wache von dem einen und dem andern Thore, und meldete der junge Koͤnig mit seinen Thieren waͤre von der Jagd angelangt. Sprach der Koͤnig ‘es ist nicht moͤglich, die Thore liegen eine Stunde weit aus einander.’ Jndem aber kamen von zwei Seiten die beiden Bruͤder in den Schloßhof hinein, und stiegen beide herauf. Da sprach der Koͤnig zu seiner Tochter ‘sag an welcher ist dein Gemahl? es sieht einer aus wie der andere, ich kanns nicht sagen.’ Sie war da in großer Angst, und wußte es nicht, endlich fiel ihr das Halsband ein, das sie den Thieren gegeben hatte, und sah an dem Loͤwen ihres Gemahls das goldene Schloͤßchen; da sprach sie vergnuͤgt ‘dieser ist mein rechter Mann.’ Da lachte der junge Koͤnig, und sagte ‘ja, das ist der rechte’ und sie setzten sich zusammen zu Tisch, aßen und tranken und waren froͤhlich.

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[395/0426] abschlug. Als dieser aber todt da lag, und er sein rothes Blut fließen sah, reute es ihn gewaltig, und er sprach ‘mein Bruder hat mich erloͤst, und ich habe ihn dafuͤr getoͤdtet!’ und jammerte laut. Da kam sein Hase, und sagte er wollte von der Lebenswurzel holen, sprang fort, und brachte sie noch zu rechter Zeit, und der Todte wurde wieder lebendig, und merkte gar nichts von der Wunde. Darauf zogen sie weiter, und der juͤngste sprach ‘du siehst aus wie ich, hast koͤnigliche Kleider an wie ich, und die Thiere folgen dir nach wie mir: wir wollen zu den entgegengesetzten Thoren eingehen, und von zwei Seiten zugleich beim alten Koͤnig anlangen.’ Also trennten sie sich, und bei dem alten Koͤnig kam zu gleicher Zeit die Wache von dem einen und dem andern Thore, und meldete der junge Koͤnig mit seinen Thieren waͤre von der Jagd angelangt. Sprach der Koͤnig ‘es ist nicht moͤglich, die Thore liegen eine Stunde weit aus einander.’ Jndem aber kamen von zwei Seiten die beiden Bruͤder in den Schloßhof hinein, und stiegen beide herauf. Da sprach der Koͤnig zu seiner Tochter ‘sag an welcher ist dein Gemahl? es sieht einer aus wie der andere, ich kanns nicht sagen.’ Sie war da in großer Angst, und wußte es nicht, endlich fiel ihr das Halsband ein, das sie den Thieren gegeben hatte, und sah an dem Loͤwen ihres Gemahls das goldene Schloͤßchen; da sprach sie vergnuͤgt ‘dieser ist mein rechter Mann.’ Da lachte der junge Koͤnig, und sagte ‘ja, das ist der rechte’ und sie setzten sich zusammen zu Tisch, aßen und tranken und waren froͤhlich.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/426>, abgerufen am 01.05.2024.