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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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und sprach 'das ist der Bösewicht,' und ließ glühende Kohlen bringen, die mußte er Angesichts aller fressen, daß ihm die Lohe aus dem Hals schlug. Darauf fragte er den König ob er ihn in seiner wahren Gestalt sehen wollte, und wünschte ihn wieder zum Koch, da stand er alsbald mit der weißen Schürze und dem Messer an der Seite. Der König, wie er ihn sah, ward zornig, und befahl daß er in den tiefsten Kerker sollte geworfen werden. Darauf sprach der Jäger weiter 'Herr Vater, wollt ihr auch das Mädchen sehen, das mich so zärtlich aufgezogen hat, das mich ums Leben bringen sollte, aber es nicht that?' Antwortete der König 'ja, ich will sie gerne sehen.' Sprach der Sohn 'gnädigster Herr Vater, ich will sie euch zeigen in Gestalt einer schönen Blume.' Und griff in die Tasche, und holte die Nelke, und stellte sie auf die königliche Tafel, und sie war so schön, als der König nie eine gesehen hatte. Darauf sprach der Sohn 'nun will ich sie auch in ihrer wahren Gestalt zeigen,' und wünschte sie zu einer Jungfrau; da stand sie da, und war so schön, daß kein Mahler sie schöner mahlen konnte.

Der König aber schickte zwei Kammerfrauen und zwei Diener hinab in den Thurm, die sollten die Frau Königin holen, und an die königliche Tafel bringen. Wie sie sie aber dahin brachten, aß sie nichts mehr, und sagte 'der gnädige barmherzige Gott, der mich im Thurm erhalten hat, wird mich bald erlösen.' Da lebte sie noch drei Tage, und starb dann selig; und als sie begraben ward, da folgten ihr die zwei weißen Tauben nach, die ihr das Essen in den Thurm gebracht hatten, und Engel

und sprach ‘das ist der Boͤsewicht,’ und ließ gluͤhende Kohlen bringen, die mußte er Angesichts aller fressen, daß ihm die Lohe aus dem Hals schlug. Darauf fragte er den Koͤnig ob er ihn in seiner wahren Gestalt sehen wollte, und wuͤnschte ihn wieder zum Koch, da stand er alsbald mit der weißen Schuͤrze und dem Messer an der Seite. Der Koͤnig, wie er ihn sah, ward zornig, und befahl daß er in den tiefsten Kerker sollte geworfen werden. Darauf sprach der Jaͤger weiter ‘Herr Vater, wollt ihr auch das Maͤdchen sehen, das mich so zaͤrtlich aufgezogen hat, das mich ums Leben bringen sollte, aber es nicht that?’ Antwortete der Koͤnig ‘ja, ich will sie gerne sehen.’ Sprach der Sohn ‘gnaͤdigster Herr Vater, ich will sie euch zeigen in Gestalt einer schoͤnen Blume.’ Und griff in die Tasche, und holte die Nelke, und stellte sie auf die koͤnigliche Tafel, und sie war so schoͤn, als der Koͤnig nie eine gesehen hatte. Darauf sprach der Sohn ‘nun will ich sie auch in ihrer wahren Gestalt zeigen,’ und wuͤnschte sie zu einer Jungfrau; da stand sie da, und war so schoͤn, daß kein Mahler sie schoͤner mahlen konnte.

Der Koͤnig aber schickte zwei Kammerfrauen und zwei Diener hinab in den Thurm, die sollten die Frau Koͤnigin holen, und an die koͤnigliche Tafel bringen. Wie sie sie aber dahin brachten, aß sie nichts mehr, und sagte ‘der gnaͤdige barmherzige Gott, der mich im Thurm erhalten hat, wird mich bald erloͤsen.’ Da lebte sie noch drei Tage, und starb dann selig; und als sie begraben ward, da folgten ihr die zwei weißen Tauben nach, die ihr das Essen in den Thurm gebracht hatten, und Engel

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[464/0495] und sprach ‘das ist der Boͤsewicht,’ und ließ gluͤhende Kohlen bringen, die mußte er Angesichts aller fressen, daß ihm die Lohe aus dem Hals schlug. Darauf fragte er den Koͤnig ob er ihn in seiner wahren Gestalt sehen wollte, und wuͤnschte ihn wieder zum Koch, da stand er alsbald mit der weißen Schuͤrze und dem Messer an der Seite. Der Koͤnig, wie er ihn sah, ward zornig, und befahl daß er in den tiefsten Kerker sollte geworfen werden. Darauf sprach der Jaͤger weiter ‘Herr Vater, wollt ihr auch das Maͤdchen sehen, das mich so zaͤrtlich aufgezogen hat, das mich ums Leben bringen sollte, aber es nicht that?’ Antwortete der Koͤnig ‘ja, ich will sie gerne sehen.’ Sprach der Sohn ‘gnaͤdigster Herr Vater, ich will sie euch zeigen in Gestalt einer schoͤnen Blume.’ Und griff in die Tasche, und holte die Nelke, und stellte sie auf die koͤnigliche Tafel, und sie war so schoͤn, als der Koͤnig nie eine gesehen hatte. Darauf sprach der Sohn ‘nun will ich sie auch in ihrer wahren Gestalt zeigen,’ und wuͤnschte sie zu einer Jungfrau; da stand sie da, und war so schoͤn, daß kein Mahler sie schoͤner mahlen konnte. Der Koͤnig aber schickte zwei Kammerfrauen und zwei Diener hinab in den Thurm, die sollten die Frau Koͤnigin holen, und an die koͤnigliche Tafel bringen. Wie sie sie aber dahin brachten, aß sie nichts mehr, und sagte ‘der gnaͤdige barmherzige Gott, der mich im Thurm erhalten hat, wird mich bald erloͤsen.’ Da lebte sie noch drei Tage, und starb dann selig; und als sie begraben ward, da folgten ihr die zwei weißen Tauben nach, die ihr das Essen in den Thurm gebracht hatten, und Engel

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/495>, abgerufen am 27.04.2024.