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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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die sollte sehen ob es ihr mit Horchen besser glückte, aber der Diener nahm auch ihr den Mantel weg, und jagte sie mit Ruthen hinaus. Nun glaubte der Herr für die dritte Nacht sicher zu sein, und legte sich in sein Bett, da kam die Königstochter selbst, hatte einen nebelgrauen Mantel umgethan, und setzte sich neben ihn. Und als sie dachte er schliefe und träumte, so redete sie ihn an, und hoffte er werde im Traume antworten, wie viele thun; aber er war wach, und verstand und hörte alles sehr wohl. Da fragte sie 'einer schlug keinen, was ist das?' Er antwortete 'ein Rabe der von einem todten und vergifteten Pferde fraß, und davon starb.' Weiter fragte sie 'und schlug doch zwölfe, was ist das?' 'Das sind zwölf Mörder, die den Raben verzehrten, und daran starben.' Als sie das Räthsel wußte, wollte sie sich fortschleichen, aber er hielt ihren Mantel fest, daß sie ihn zurücklassen mußte. Am andern Morgen verkündigte die Königstochter sie habe das Räthsel errathen, und ließ die zwölf Richter kommen, und löste es vor ihnen. Aber der Jüngling bat sich Gehör aus, und sagte 'sie ist in der Nacht zu mir geschlichen und hat mich ausgefragt, denn sonst hätte sie es nicht errathen.' Die Richter sprachen 'bringt uns Wahrzeichen.' Da wurden die drei Mäntel von dem Diener herbei gebracht, und als die Richter den nebelgrauen erblickten, den die Königstochter zu tragen pflegte, so sagten sie 'laßt den Mantel sticken mit Gold und Silber, damit ein Hochzeitsmantel daraus wird.'



die sollte sehen ob es ihr mit Horchen besser glückte, aber der Diener nahm auch ihr den Mantel weg, und jagte sie mit Ruthen hinaus. Nun glaubte der Herr für die dritte Nacht sicher zu sein, und legte sich in sein Bett, da kam die Königstochter selbst, hatte einen nebelgrauen Mantel umgethan, und setzte sich neben ihn. Und als sie dachte er schliefe und träumte, so redete sie ihn an, und hoffte er werde im Traume antworten, wie viele thun; aber er war wach, und verstand und hörte alles sehr wohl. Da fragte sie ‘einer schlug keinen, was ist das?’ Er antwortete ‘ein Rabe der von einem todten und vergifteten Pferde fraß, und davon starb.’ Weiter fragte sie ‘und schlug doch zwölfe, was ist das?’ ‘Das sind zwölf Mörder, die den Raben verzehrten, und daran starben.’ Als sie das Räthsel wußte, wollte sie sich fortschleichen, aber er hielt ihren Mantel fest, daß sie ihn zurücklassen mußte. Am andern Morgen verkündigte die Königstochter sie habe das Räthsel errathen, und ließ die zwölf Richter kommen, und löste es vor ihnen. Aber der Jüngling bat sich Gehör aus, und sagte ‘sie ist in der Nacht zu mir geschlichen und hat mich ausgefragt, denn sonst hätte sie es nicht errathen.’ Die Richter sprachen ‘bringt uns Wahrzeichen.’ Da wurden die drei Mäntel von dem Diener herbei gebracht, und als die Richter den nebelgrauen erblickten, den die Königstochter zu tragen pflegte, so sagten sie ‘laßt den Mantel sticken mit Gold und Silber, damit ein Hochzeitsmantel daraus wird.’



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die sollte sehen ob es ihr mit Horchen besser glückte, aber der Diener nahm auch ihr den Mantel weg, und jagte sie mit Ruthen hinaus. Nun glaubte der Herr für die dritte Nacht sicher zu sein, und legte sich in sein Bett, da kam die Königstochter selbst, hatte einen nebelgrauen Mantel umgethan, und setzte sich neben ihn. Und als sie dachte er schliefe und träumte, so redete sie ihn an, und hoffte er werde im Traume antworten, wie viele thun; aber er war wach, und verstand und hörte alles sehr wohl. Da fragte sie &#x2018;einer schlug keinen, was ist das?&#x2019; Er antwortete &#x2018;ein Rabe der von einem todten und vergifteten Pferde fraß, und davon starb.&#x2019; Weiter fragte sie &#x2018;und schlug doch zwölfe, was ist das?&#x2019; &#x2018;Das sind zwölf Mörder, die den Raben verzehrten, und daran starben.&#x2019; Als sie das Räthsel wußte, wollte sie sich fortschleichen, aber er hielt ihren Mantel fest, daß sie ihn zurücklassen mußte. Am andern Morgen verkündigte die Königstochter sie habe das Räthsel errathen, und ließ die zwölf Richter kommen, und löste es vor ihnen. Aber der Jüngling bat sich Gehör aus, und sagte &#x2018;sie ist in der Nacht zu mir geschlichen und hat mich ausgefragt, denn sonst hätte sie es nicht errathen.&#x2019; Die Richter sprachen &#x2018;bringt uns Wahrzeichen.&#x2019; Da wurden die drei Mäntel von dem Diener herbei gebracht, und als die Richter den nebelgrauen erblickten, den die Königstochter zu tragen pflegte, so sagten sie &#x2018;laßt den Mantel sticken mit Gold und Silber, damit ein Hochzeitsmantel daraus wird.&#x2019;</p>
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[151/0189] die sollte sehen ob es ihr mit Horchen besser glückte, aber der Diener nahm auch ihr den Mantel weg, und jagte sie mit Ruthen hinaus. Nun glaubte der Herr für die dritte Nacht sicher zu sein, und legte sich in sein Bett, da kam die Königstochter selbst, hatte einen nebelgrauen Mantel umgethan, und setzte sich neben ihn. Und als sie dachte er schliefe und träumte, so redete sie ihn an, und hoffte er werde im Traume antworten, wie viele thun; aber er war wach, und verstand und hörte alles sehr wohl. Da fragte sie ‘einer schlug keinen, was ist das?’ Er antwortete ‘ein Rabe der von einem todten und vergifteten Pferde fraß, und davon starb.’ Weiter fragte sie ‘und schlug doch zwölfe, was ist das?’ ‘Das sind zwölf Mörder, die den Raben verzehrten, und daran starben.’ Als sie das Räthsel wußte, wollte sie sich fortschleichen, aber er hielt ihren Mantel fest, daß sie ihn zurücklassen mußte. Am andern Morgen verkündigte die Königstochter sie habe das Räthsel errathen, und ließ die zwölf Richter kommen, und löste es vor ihnen. Aber der Jüngling bat sich Gehör aus, und sagte ‘sie ist in der Nacht zu mir geschlichen und hat mich ausgefragt, denn sonst hätte sie es nicht errathen.’ Die Richter sprachen ‘bringt uns Wahrzeichen.’ Da wurden die drei Mäntel von dem Diener herbei gebracht, und als die Richter den nebelgrauen erblickten, den die Königstochter zu tragen pflegte, so sagten sie ‘laßt den Mantel sticken mit Gold und Silber, damit ein Hochzeitsmantel daraus wird.’

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/189>, abgerufen am 26.04.2024.