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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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'nun wollt ich daß einer da wäre, der mir den Wagen nachbrächte.' 'O Vater,' rief Daumesdick, 'den Wagen will ich schon bringen, verlaßt euch drauf, er soll zur bestimmten Zeit im Walde sein.' Da lachte der Mann, und sprach 'wie sollte das zugehen, du bist viel zu klein, um das Pferd mit dem Zügel zu leiten'. 'Das thut nichts, Vater, wenn nur die Mutter anspannen will, ich setze mich dem Pferd ins Ohr, und rufe ihm zu wie es gehen soll.' 'Nun,' antwortete der Vater, 'einmal wollen wirs versuchen.' Als die Stunde kam, spannte die Mutter an, und setzte den Daumesdick dem Pferd ins Ohr, darauf rief der Kleine, wie das Pferd gehen sollte, 'jüh und joh! hott und har!' Nun gieng es ganz ordentlich als wie bei einem Meister, und der Wagen fuhr den rechten Weg nach dem Walde. Es trug sich zu, als er eben um eine Ecke bog, und der Kleine 'har, har!' rief, daß zwei fremde Männer daher kamen. 'Mein,' sprach der eine, 'was ist das? da fährt ein Wagen, und ein Fuhrmann ruft dem Pferde zu, und ist doch nicht zu sehen.' 'Das geht nicht mit rechten Dingen zu,' sagte der andere, 'wir wollen dem Karren folgen, und sehen wo er anhält.' Der Wagen aber fuhr vollends in den Wald hinein, und richtig zu dem Platze, wo das Holz gehauen wurde. Als Daumesdick seinen Vater erblickte, rief er ihm zu 'siehst du, Vater, da bin ich mit dem Wagen, nun hol mich herunter.' Der Vater faßte das Pferd mit der linken, und holte mit der rechten sein Söhnlein aus dem Ohr, das sich ganz lustig auf einen Strohhalm niedersetzte. Als die beiden fremden Männer den Daumesdick erblickten, wußten sie nicht was sie vor Verwunderung sagen sollten. Da

‘nun wollt ich daß einer da wäre, der mir den Wagen nachbrächte.’ ‘O Vater,’ rief Daumesdick, ‘den Wagen will ich schon bringen, verlaßt euch drauf, er soll zur bestimmten Zeit im Walde sein.’ Da lachte der Mann, und sprach ‘wie sollte das zugehen, du bist viel zu klein, um das Pferd mit dem Zügel zu leiten’. ‘Das thut nichts, Vater, wenn nur die Mutter anspannen will, ich setze mich dem Pferd ins Ohr, und rufe ihm zu wie es gehen soll.’ ‘Nun,’ antwortete der Vater, ‘einmal wollen wirs versuchen.’ Als die Stunde kam, spannte die Mutter an, und setzte den Daumesdick dem Pferd ins Ohr, darauf rief der Kleine, wie das Pferd gehen sollte, ‘jüh und joh! hott und har!’ Nun gieng es ganz ordentlich als wie bei einem Meister, und der Wagen fuhr den rechten Weg nach dem Walde. Es trug sich zu, als er eben um eine Ecke bog, und der Kleine ‘har, har!’ rief, daß zwei fremde Männer daher kamen. ‘Mein,’ sprach der eine, ‘was ist das? da fährt ein Wagen, und ein Fuhrmann ruft dem Pferde zu, und ist doch nicht zu sehen.’ ‘Das geht nicht mit rechten Dingen zu,’ sagte der andere, ‘wir wollen dem Karren folgen, und sehen wo er anhält.’ Der Wagen aber fuhr vollends in den Wald hinein, und richtig zu dem Platze, wo das Holz gehauen wurde. Als Daumesdick seinen Vater erblickte, rief er ihm zu ‘siehst du, Vater, da bin ich mit dem Wagen, nun hol mich herunter.’ Der Vater faßte das Pferd mit der linken, und holte mit der rechten sein Söhnlein aus dem Ohr, das sich ganz lustig auf einen Strohhalm niedersetzte. Als die beiden fremden Männer den Daumesdick erblickten, wußten sie nicht was sie vor Verwunderung sagen sollten. Da

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[227/0265] ‘nun wollt ich daß einer da wäre, der mir den Wagen nachbrächte.’ ‘O Vater,’ rief Daumesdick, ‘den Wagen will ich schon bringen, verlaßt euch drauf, er soll zur bestimmten Zeit im Walde sein.’ Da lachte der Mann, und sprach ‘wie sollte das zugehen, du bist viel zu klein, um das Pferd mit dem Zügel zu leiten’. ‘Das thut nichts, Vater, wenn nur die Mutter anspannen will, ich setze mich dem Pferd ins Ohr, und rufe ihm zu wie es gehen soll.’ ‘Nun,’ antwortete der Vater, ‘einmal wollen wirs versuchen.’ Als die Stunde kam, spannte die Mutter an, und setzte den Daumesdick dem Pferd ins Ohr, darauf rief der Kleine, wie das Pferd gehen sollte, ‘jüh und joh! hott und har!’ Nun gieng es ganz ordentlich als wie bei einem Meister, und der Wagen fuhr den rechten Weg nach dem Walde. Es trug sich zu, als er eben um eine Ecke bog, und der Kleine ‘har, har!’ rief, daß zwei fremde Männer daher kamen. ‘Mein,’ sprach der eine, ‘was ist das? da fährt ein Wagen, und ein Fuhrmann ruft dem Pferde zu, und ist doch nicht zu sehen.’ ‘Das geht nicht mit rechten Dingen zu,’ sagte der andere, ‘wir wollen dem Karren folgen, und sehen wo er anhält.’ Der Wagen aber fuhr vollends in den Wald hinein, und richtig zu dem Platze, wo das Holz gehauen wurde. Als Daumesdick seinen Vater erblickte, rief er ihm zu ‘siehst du, Vater, da bin ich mit dem Wagen, nun hol mich herunter.’ Der Vater faßte das Pferd mit der linken, und holte mit der rechten sein Söhnlein aus dem Ohr, das sich ganz lustig auf einen Strohhalm niedersetzte. Als die beiden fremden Männer den Daumesdick erblickten, wußten sie nicht was sie vor Verwunderung sagen sollten. Da

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/265>, abgerufen am 26.04.2024.